Wow, der Radfahrer als Staatsfeind Nummer 1. Diesen Eindruck musste man heute um 18 Uhr gewinnen, als sich rund 80 Fahrradfreunde zur (in den Kinderschuhen steckenden) monatlichen Critical Mass im Osnabrücker Schlossgarten getroffen haben. Beziehungsweise vor der Stadthalle. Denn da hat die schon wartende Polizei den Treffpunkt „angeordnet“ – und die Masse dann umstellt. Mit acht Einsatzbussen und drei Motorrädern waren die unzähligen Beamten angerückt. Kaum zu glauben! Es war schon ein sehr komisches Gefühl, von Polizisten mit Schlagstöcken umzingelt zu sein und den Ort nicht verlassen zu dürfen. Denn das durfte niemand. Weder im Verbund noch alleine. Das muss man sich mal vorstellen! Und sollte eigentlich ein Nachspiel haben.

Staatsfeind Nummer 1 = Radfahrer?!

Der Einsatzleiter hat die Critical Mass als Versammlung gewertet und wollte folglich einen Veranstalter sprechen. Sonst würde man die Sache aussitzen. Problem dabei: eine Critical Mass hat keinen Veranstalter. Es ist eine gleichberechtigte Gruppe, die zusammen Fahrrad fahren will. Aber das scheint immer mehr zum Problem zu werden.

Nach 20 Minuten „Gefangenschaft“ erklärte sich Radfahrer Uwe dann bereit, den Veranstalter zu geben. In einem „Kooperationsgespräch“, wie es in Beamtensprache hieß, wurden Einzelheiten der weiteren Verfahrensweise geklärt. Alles schön auf Polizeivideo aufgenommen. Mit dem Fazit, dass uns die Polizei (Zitat) „entgegenkommen möchte“ und uns eine Runde auf dem Innenstadtring fahren lassen will. Sogar auf beiden Spuren. Aber vorweg und hinterher die Einsatzwagen. Nur ein Runde, keine Abweichler, nur Leute mit Licht, danach ist Schluss.

…sonst sitzen wir das hier aus.

Und was blieb uns anderes übrig, als dieses „Angebot“ anzunehmen. Die Polizei rufen, weil wir rechtswidrig festgesetzt werden? Diese wirkte von Anfang an völlig überfordert mit der Sache. Keiner wusste was mit der Critical Mass anzufangen. Dabei hätte man sich im Vorfeld ja mal informieren können. Und auch der der Polizeisprecher hatte gestern auf Anfrage der NOZ noch gelassen reagiert – man wolle sich die Sache erstmal ansehen und dann gegebenenfalls reagieren. Davon war um 18 Uhr leider überhaupt nichts mehr zu spüren.

Gefahren wurde dann, wie gesagt, trotzdem noch. Die Leute waren zum größten Teil recht entspannt, obwohl man einigen auch ihren berechtigten Frust ansehen konnte. Das Ziel, Aufmerksamkeit auf den Radverkehr zu lenken, hat die Oktober-Ausgabe auf jeden Fall erreicht. Leider ganz anders als geplant. Für den November kann man nur hoffen, dass sich die Polizei mal schlau macht, wie so eine Critical Mass abläuft und auf was für einem rechtlichen Boden sie stattfindet. Zum Beispiel einfach mal mit den Kollegen in Hamburg telefonieren. Oder auch die Berichte der letzten Male hier im Blog lesen. Da blieb nämlich alles friedlich und völlig stressfrei.

Gefahren wurde auch noch. Und zwar völlig stressfrei. Wie immer eigentlich…

Es wirft schon ein komisches Licht auf die Stadt Osnabrück, die mit ihrer aktuellen und nicht ganz billigen Imagekampagne „Osnabrück sattelt auf!“ etwas für den Radverkehr tun will und dann durch eine solche Aktion in die Medien gerät. Oder täuscht der Eindruck doch gar nicht und die Polizeiaktion von heute zeigt nur noch deutlicher, wie es um den Radverkehr hier bestellt ist?

Wie gesagt, im November steht wohl die nächste Critical Mass an. Dass sie notwendig ist, hat man heute gesehen!

Sorry für die schwachen Bilder. Wie immer: fahren geht vor knipsen… ;-)

Fotos: Daniel Doerk