In gut vier Wochen ist Bundestagswahl. Und deswegen habe ich mir mal wieder die aktuellen Wahlprogramme angeschaut. Was sagen die Parteien zu Thema Fahrrad? Gibt es Versprechen? Und wenn ja, welche? Hier ist das Ergebnis (geordnet nach der aktuellen Fraktionsgröße im Bundestag). Und ich muss sagen, dass es gar nicht mal so viel Arbeit gemacht hat. Denn nicht überall war viel zu finden. Wir scheinen immer noch eine nicht sehr relevante Gruppe zu sein…
CDU/CSU
Für CDU/CSU ist das Fahrrad ein umweltfreundliches Verkehrsmittel, mit dem man eigenverantwortlich zur Reduzierung der verkehrsbedingten Umweltbelastungen beitragen kann. Da der Radverkehrsanteil weiter steigen soll, wollen CDU und CSU das Radwegenetz ausbauen und das Fahrrad besser mit anderen Verkehrsmitteln verzahnen. Die Sicherheit von Radfahrern soll dabei u.a. mit besseren Radwegen erhöht werden. Darüber hinaus wollen CDU/CSU die wachsende Attraktivität des Fahrradverkehrs weiter fördern.
Kommentar:
CDU/CSU kommt mit Allgemeinplätzen daher, gegen die im Prinzip niemand etwas einzuwenden kann. Außer gegen das einzige konkrete Vorhaben, den Ausbau von Radwegen. Aber das passt gut zum gesamten Mobilitätsteil der Union, der vorwiegend auf den Autoverkehr ausgerichtet ist. Rad- und Autoverkehr sollen weiter klar voneinander getrennt werden. Der motorisierte Verkehr spiele eine große Rolle für die deutsche Wirtschaft – hier sollen die Radfahrer bitte nicht in die Quere kommen. Dass Radwege die Sicherheit von Radfahrern oft gefährden statt sie zu erhöhen, ist bei der Union anscheinend immer noch nicht angekommen.
Da CDU/CSU das „Fahrrad besser mit anderen Verkehrsmitteln verzahnen“ will, kann ich doch davon ausgehen, dass sich die gesamte Fraktion meiner Petition anschließt und die Forderung nach einer kostenlosen Fahrradmitnahme in Regionalzügen unterstützt.
SPD
Im Wahlprogramm der SPD kommt das Thema Fahrrad nicht vor!
Kommentar:
Tja, was soll man dazu sagen? Es ist ja gut und schön, dass sich die SPD von der aktuellen Regierung grundlegend abgrenzen will. Aber ohne darauf auf konkrete Einzelbereiche einzugehen, ist vielleicht auch nicht der richtige Weg.
FDP
Der FDP ist die Verkehrssicherheit in Zusammenhang mit Elektrofahrrädern wichtig. Dies wird eine neue Herausforderung, der mit pragmatischen Lösungen begegnet werden soll.
Kommentar:
Dass von der FDP nicht viel zum Thema Fahrrad kommen würde, habe ich mir eigentlich gedacht. Denn sie hätte sogar mit dem allgemein anerkannten Argument der Umweltfreundlichkeit Glaubwürdigkeitsprobleme. Trotzdem hätte ich gedacht, dass sie Radfahrer als relevante Gruppe der Gesellschaft erkannt haben. Denn mittlerweile fahren auch reiche Leute Fahrrad. Aber anscheinend noch nicht genug, um hier auf Wählerstimmenfang zu gehen.
Die LINKE
Wie schon bei der SPD ist auch im Wahlprogramm der LINKEN das Thema Fahrrad nicht vorhanden!
Die LINKE hat mich darauf hingewiesen, dass das Fahrrad doch in ihrem Programm vorkommt. Und zwar in einem Satz beim Thema „vernetzte Mobilität“.
Kommentar:
Als oft betrachtete Randgruppe auf Deutschlands Straßen hätte ich von der LINKEN doch ein bisschen mehr Unterstützung erwartet. Gerade sie müssten die „kleinen“ Radfahrer doch gegen die „große“ Autolobby unterstützen…
Auch wenn das Fahrrad nun doch vorkommt, hätte ich trotzdem mit mehr Unterstützung gerechnet.
Bündnis 90/DIE GRÜNEN
Die Grünen betten das Velo in verschiedene Bereiche ein. Es sei ein Bestandteil der Energiewende, ein alltägliches und nicht nur in den angestrebten Shared-Space-Zonen gleichberechtigtes Verkehrsmittel und ökologisch. Darüber hinaus hat man auch die innerstädtischen Transportkapazitäten von Lastenrädern erkannt und will deren Benutzung fördern.
Konkret wollen die Grünen den bundesweiten Radverkehrsanteil bis 2020 auf über 20 % steigern und sind sich gleichzeitig bewusst, dass in einigen Städten heute schon weitaus mehr Realität ist. Darüber hinaus soll der Nationale Radverkehrsplan mit Leben gefüllt und finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Die Fahrradmitnahme soll in allen Zügen, auch dem ICE, möglich sein.
Die Straßenverkehrsordnung soll auf die Belange ungeschützter VerkehrsteilnehmerInnen ausgerichtet werden, was Radfahrer einschließt. Daher sollen Kommunen u.a. autofreie Innenstädte ausweisen und Tempo 30 Zonen da einrichten können, wo sie wollen.
Mit Rücksicht auf Pedelecs und E-Bikes soll mehr Raum für den Radverkehr geschaffen, sprich Radschnellwege gebaut werden.
Kommentar:
Den mit Abstand ausführlichsten Fahrradteil haben die Grünen in ihrem Programm. Und dabei bleibt es nicht nur bei Allgemeinplätzen, es gibt auch konkrete Überlegungen, wie die Förderung von Lastenfahrrädern beim innerstädtischen Lieferverkehr oder die klare Ansage, dass Kommunen frei über Tempo 30 Zonen entscheiden sollen.
Auch traut man sich ein klares Ziel beim Radverkehrsanteil zu nennen. Über 20 Prozent sind in vielen Städten zwar kein besonders ambitioniertes Ziel. Auf Bundesebene ist es aber auch kein Kinderspiel.
Zusammengefasst hört sich das nach so etwas wie einem Plan an und ich fühle mich als Radfahrer ernst genommen. Wie viel davon am Ende wirklich finanziert und umgesetzt werden kann, steht auf einem anderen Blatt. Aber wenigstens gibt es Ziele und sie werden benannt.
Die Auszüge aus den Wahlprogrammen gibt es unten. Was sagt ihr dazu? Mit was habt ihr gerechnet und was hättet ihr euch gewünscht?
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Die Auszüge aus den Wahlprogrammen:
CDU
Jeder kann eigenverantwortlich zur Reduzierung der verkehrsbedingten Umweltbelastungen beitragen. Das Fahrrad spielt als umweltfreundliches Verkehrsmittel eine wichtige Rolle. Wir wollen den Anteil des Fahrradverkehrs als attraktive und umweltfreundliche Alternative zum Auto weiter steigern. Wir werden deshalb das Radwegenetz ausbauen und das Fahrrad besser mit anderen Verkehrsmitteln verzahnen. Die zunehmende Verbreitung von Elektrofahrrädern (Pedelecs) schafft hier neue Möglichkeiten.
Die Sicherheit von Fußgängern und Radfahrern wollen wir unter anderem mit besseren Fuß- und Radwegen erhöhen. (Seite 50)
Wir unterstützen ein Miteinander der verschiedenen Verkehrssysteme. Ziele in der Stadt müssen zu Fuß, per Auto, per Rad und mit dem öffentlichen Nahverkehr gut erreichbar sein. Zudem setzen wir auf neue Mobilitätskonzepte wie beispielsweise die Elektromobilität, das Car-Sharing und Mietfahrräder. Die wachsende Attraktivität des Fahrradverkehrs fördern wir weiter und setzen dabei neben dem Ausbau von Radwegen vor allem auf eine bessere Sicherheit für Radfahrer. (Seite 88)
SPD
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FDP
Die stetige Erhöhung der Verkehrssicherheit ist uns ein wichtiges Anliegen. Neue Antriebstechnologien, wie lautlose Elektro-PKW und schnelle Elektrofahrräder, aber auch der demographische Wandel stellen uns hier vor neue Herausforderungen. (Seite 66)
Die LINKE
Die intelligente Vernetzung der Mobilität zu Fuß, per Rad, mit Bus und Bahn sowie mit Leihautos/ CarSharing ist eine gute Voraussetzung für neue sozial-ökologische Lebensweisen in den Städten und auf dem Land.
Bündnis 90/DIE GRÜNEN
Wir sorgen außerdem dafür, dass die Energiewende auch in der Verkehrspolitik ankommt. Mit Vorfahrt für FußgängerInnen, Fahrrad, Elektroantrieb und Schienenverkehr ermöglichen wir eine neue, nachhaltige Mobilität für alle – unabhängig von fossilen Energieträgern und frei von Lärm, der uns krank macht. (Seite 21)
Immer mehr Menschen nutzen das Fahrrad und die Bahn im Alltag. Diese Erfolge gibt es nicht wegen, sondern trotz der Verkehrspolitik von Schwarz-Gelb. Diese bevorzugt hauptsächlich das Auto vor Bus, Bahn und Fahrrad und plant so an den Bedürfnissen vieler Menschen vorbei. (Seite 170)
Bikesharing mit einer einzigen Mobilitätskarte und Mobilitäts-Apps machen den Nahverkehr einfach, schnell und flexibel.
Wir wollen den Kommunen ermöglichen, die Voraussetzungen für […] autofreie Innenstadtbereiche und Shared-Space-Zonen zu schaffen.
Wir machen das Land fahrrad- und fußgängerfreundlicher und fordern mehr Platz für den ökologischen und gesunden Fuß- und Radverkehr. Dazu wollen wir den bundesweiten Radverkehrsanteil bis 2020 auf über 20 % steigern – in einigen Städten ist ein mehr als doppelt so hoher Anteil schon Realität. Wir wollen den Bau von Radschnellwegen mit einem bundesweiten Modellversuch fördern. Wir werden den Nationalen Radverkehrsplan mit Leben füllen, finanziell ausreichend unterlegen und das Fahrrad in der Straßenverkehrsordnung stärken. Die Fahrradmitnahme in allen Zügen, auch dem ICE, wollen wir durchsetzen. (Seite 171)
Den Lieferverkehr in den Städten wollen wir durch die Förderung von Lieferkooperationen, Lastenfahrrädern und Elektrotransportern umweltfreundlicher machen. (Seite 173)
Die Straßenverkehrsordnung ist stärker auf die Belange ungeschützter VerkehrsteilnehmerInnen auszurichten. Dazu wollen wir es Kommunen ermöglichen, innerorts überall dort Tempo 30, Begegnungszonen und Shared-Space-Bereiche auszuweisen, wo sie es wollen. Wir wollen Radfahren komfortabler und attraktiver machen und dabei auch dem Trend zu Pedelecs und E-Bikes gerecht werden. Dafür braucht der Radverkehr mehr Platz. Wir wollen daher unter anderem den Bau von Radschnellwegen durch einen bundesweiten Modellversuch fördern. (Seite 177)
6 Antworten auf „Bundestagswahl: Das Fahrrad im Programm“
Hier in Nürnberg hat die SPD heute klar Position bezogen: Kein zusätzlich Geld für den Radverkehr, das soll in die Bildung fliessen.
Leider werden da Äpfel mit Birnen verglichen, denn für den Autoverkehr wird ordentlich Geld freigemacht…
Oh, keine schönen Nachrichten.
Und du hast recht, man sollte da bei Vergleichen wenigstens im Ressort bleiben…
Die Grünen widmen dem Fahrrad zwar viele Worte, werden aber nicht konkret, _wie_ sie die genannten Ziele umsetzen wollen. Wenn man sich ansieht, wie die tatsächliche Politik aussieht (Radwegebau, Helmpflichtforderung des grünen Verkehrsmninisters in BaWü, …), dann kommt dies dem Fahrrad als Verkehrsmittel oft gar nicht zugute.
Man kann ganz klar feststellen, dass außer schönen Worten und Allgemeinaussagen die Politik nichts für den Radverkehr übrig hat. Das darf alles um Himmels willen keinesfalls zu Lasten des MIV gehen.
Vielen Dank für die Zusammenfassung!
Zur Sicherheit auf Radwegen versus Straße habe ich inzwischen
dazugelernt:
Die weitegehende Trennung von Rad- und Autoverkehr kann deutlich
besser für alle funktionieren, wenn es ordentlich gemacht ist. Also,
nicht einfach getrennt wird, sondern konsequent Konfliktpunkte
entfernt werden. Die Niederländer haben zwischenzeitlich durchaus auch
das „Radfahrer-auf-der-Straße“ ausprobiert ohne dass es sich bewährt
hat.
Ich fahre aber trotzdem selbst bisher lieber (viel) auf der Straße,
aber nicht weil das unbedingt toll oder irgendwie sicher ist, sondern
weil es weniger gefährlich/unmöglich/furchtbar ist als die Radwege (es
gibt langsam auch selten mal Neubauten die in der Hinsicht gut
sind). Leute die fahren würden, sich aber im Verkehr nicht sicher
fühlen und es lassen ist damit überhaupt nicht geholfen. Mit guter
(getrennter) Infrastruktur trauen sich dann halt auch diejenigen
(nochmal NL: da fahren dann halt wirklich so gut wie alle alle die es
überhaupt können und keiner findet etwas dabei Kinder mit dem Rad zur
Schule/Grundschule zur schicken).
Ein Fehler ist sicherlich, dass wir Radfahrer in Deutschland zuwenig
fordern, nämlich die Dinge, damit wir uns halbwegs ausreichend sicher
fühlen können (zB. Radwegbenutzungspflich). Wir fahren schon, mit uns
erhöht sich der Fahrradanteil kein bisschen. Wir können auf meist der
Straße fahren … und werden dafür täglich behindert oder bedrängt.
Eins noch: einiges von dem was mich überzeugt hat, habe ich bei David
Hembrows Blog ‚A view from the cyclepath‘ (Link unten), einem in
Niederlande eingewanderten Briten gelesen, der die dortige
Infrastruktur lange mit dem Blick des Außenstehenden betrachten
konnte, das Lesen lohnt sich!
Im Programm der Piratenpartei kommt der Begriff auch nicht vor. Andererseits haben sie aber eine Fahrradverkehrspolitik:
http://wiki.piratenpartei.de/BE:Fahrradverkehrspolitik