Bundesverkehrsminister Wissing hat am Freitag seine Langfristprognose für den Verkehr vorgestellt. Darin wird der Radverkehr kolossal unterschätzt, kritisiert der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club. Laut Prognose werden nur wenige Menschen in den nächsten Jahren vom Auto aufs Fahrrad umsteigen. Dabei boomt der Radverkehr in Deutschland seit Jahren. ADFC-Bundesgeschäftsführerin Ann-Kathrin Schneider sagt dazu: „Prognosen, wie die des Verkehrsministers, reden das Potenzial des Radverkehrs künstlich klein. Sie gehen von einem minimalen Wachstum in den nächsten Jahrzehnten aus. Das Gegenteil ist der Fall, das Potenzial des Radverkehrs ist enorm. Radfahrende in Deutschland schaffen längst Fakten, die das Ministerium nicht anerkennen will.“

Laut der Prognose des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) steigt der Anteil des Radverkehrs am sogenannten Modal Split, also an der gesamten Verkehrsleistung, in Deutschland bis zum Jahr 2051 auf lediglich 12,2 Prozent (von 10 Prozent im Vor-Corona-Jahr 2019). Selbst konservative Schätzungen wie die der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) kommen aber zu einem völlig anderen Ergebnis. Die NPM hielt bereits 2019 eine Steigerung der Verkehrsleistung des Radverkehrs auf 75,4 Milliarden Personenkilometern (pkm) bis 2030 für erreichbar. Der Radverkehr kann demnach seine Verkehrsleistung schon bis 2030 fast verdoppeln – es sei denn, die FDP plant weitere Hindernisse für Radfahrende, von denen wir noch nichts wissen.

Noch mehr Stau zu organisieren, das ist ökologisch wie ökonomisch verfehlt.

Der ADFC fordert, dass die Bundesregierung beim Ausbau der Fahrradinfrastruktur in Deutschland in die Offensive geht. Die Verkehrsminister der Länder hätten einstimmig beschlossen, dass Länder und Kommunen für den Ausbau des Radwegenetzes bis 2030 jährlich eine Fahrradmilliarde vom Bund brauchen. Die müsse der Bund jetzt im Haushalt verankern.

Ann-Kathrin Schneider: „Der Radverkehr ist ein wichtiger Hebel, um die Verkehrswende vor Ort umzusetzen und die Klimaschutzziele im Verkehr zu erreichen. Mehr Radverkehr kommt aber nicht von alleine! Damit der Umstieg aufs Rad und damit die dringend benötigte Mobilitätswende gelingen kann, braucht es die richtige Infrastruktur. Und dafür brauchen wir die Fahrradmilliarde.“

Kritik kommt auch von Stefan Gelbhaar, verkehrspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen: „Die Langzeitprognose des Verkehrsministeriums geht wie Gott gegeben davon aus, dass weiterhin viel Geld für die Straße und kaum Geld für die Schiene bereit steht. Dann wird das Straßenverkehrsaufkommen weiter deutlich ansteigen. Die Prognose beschreibt das Gegenteil der Koalitionsziele. Noch mehr Stau zu organisieren, das ist ökologisch wie ökonomisch verfehlt. Die Ziele der Koalition werden dann genauso verfehlt wie die gesetzlichen Klimaschutzvorgaben. Wir müssen deshalb jetzt die richtigen Weichen stellen und die Verkehrswende vorantreiben. Das bedeutet massive Investitionen in die Schiene, um zu sanieren, zu elektrifizieren, zu digitalisieren. Wir müssen stillgelegte Strecken wieder reaktivieren und das Streckennetz weiter ausbauen. Eine zukunftsfeste Schieneninfrastruktur ist Grundvoraussetzung für Verkehrswende und Klimaschutz.“

Autos, Autos, Autos. Die Stadt ist voll. Und so soll es nach Willen der FDP auch weitergehen.

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