Zum Abschluss des Osnabrücker Herbstjahrmarktes haben Autofahrer noch mal gezeigt, wer hier in Osnabrück (und vielleicht einfach ganz generell in Deutschland) auf den Straßen das Sagen hat. Nachdem die Situation auf dem Radschnellweg am vergangenen Wochenende schon so eskaliert war – Autos hatten den Radschnellweg in Kollone befahren und dann im Grünstreifen daneben geparkt -, dass die Stadt mit Absperrungen reagieren musste, haben Autofahrer gestern offenbar alle Absperrungen abgeräumt und sich Zugang zum Radschnellweg verschafft.
Die Absperrungen der @StadtOsnabrueck wurden entfernt, ein Poller umgefahren. Alle Schilder + Sperren werden von rücksichtslosen Autofahrenden missachtet, Hauptsache kostenlos und nah dran parken. Unfassbar. @SecretCoAuthor pic.twitter.com/Un5ZPLwXbM
— ADFC Osnabrück e.V. (@ADFC_OS) November 7, 2021
Liest man Kommentare unter den bisherigen Berichterstattungen, dann sieht man, wie egal es vielen Autofahrern ist, dass sie Ordnungswidrigkeiten begehen. Es gibt viel Verständnis dafür, dass die Falschparker doch einfach nur einen Parkplatz brauchen. Und wie so oft wird ein komisches Selbstverständnis sichtbar: Dass die Stadt, mithin die Öffentlichkeit, dafür zu sorgen habe, dass jedem Autofahrer ein Parkplatz in unmittelbarer Nähe seines Ziel zu Verfügung gestellt werden muss. Möglichst gratis natürlich. Schließlich zahle der Autofahrer (und nicht der Radfahrer) das alles und noch viel mehr ja auch mit seinen Kfz- und Mineralölsteuern – noch so eine groteske Fehleinschätzung, die sich eisern hält. Werden wir es als Gesellschaft jemals hinbekommen, diese völlig verquere Anspruchshaltung aus den Köpfen zu kriegen?
Ich gehe nicht davon aus, dass das Abräumen der Absperrungen, das Befaren des Radschnellwegs und das Falschparken auf dem Grünstreifen irgendwelche Konsequenzen für die betreffenden Autofahrer haben wird. Die Polizei war zwar vor Ort, teilt aber mit, dass die Fahrzeuge nicht verkehrsbehindernd oder auf dem Radweg parkten, weshalb die Beamten „im Rahmen des Opportunitätsprinzips“ wohl auf Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren verzichtet hätten. Beim Befahren des Radschnellweges hat man also niemanden erwischt. Und für das Falschparken ist ja wiederum das Ordnungsamt zuständig.
Auf meine Anfrage, ob denn das Ordnungsamt am Sonntagabend noch in irgendeiner Weise tätig geworden ist und welche Konsequenzen die Stadt aus dem Vorfall zieht, habe ich bisher keine Antwort bekommen. Insofern setzt hier unter den Falschparkern auch wohl wieder der Lerneffekt ein, dass man als Autofahrer eben der Chef auf der Straße ist und sich den Platz einfach nur nehmen muss.
Wir Radfahrer*innen merken das dann wieder, wenn wie selbstverständlich auf einem Radweg geparkt wird, weil ja „nur kurz“ was rausgeholt werden muss. Wobei sich das „nur kurz“ gern auch mal auf einen ausgiebigen Bummel durch die Altstadt ausdehnt. Oder wenn wir haarscharf überholt und dabei angehupt werden, weil wir den Sicherheitsabstand zu parkenden Autos halten und eben nicht ganz rechts am Fahrbahnrand – oder besser noch auf dem Gehweg – fahren.
Das Recht des Stärkeren bzw. des Dreisteren scheint gesiegt zu haben…
Foto: dd
3 Antworten auf „Keine Gegenwehr mehr gegen Falschparker?“
….Tja…. wir sollten mal unsere Fahrräder auf dem Wall parken…..
Könnte bestimmt lustig werden…..
Gehe ich recht in der Annahme, dass das der baulich separierte ‚Radschnellweg‘ ist, der hier im Blog mehrfach als vorbildlich und zukunftsgerecht gepriesen wurde?
Hmmm…,
vielleicht doch mal überlegen ob nicht der metastasierende Autoverkehr das eigentliche Problem ist und dann die Energien auf die Reduktion desselben konzentrieren einschliesslich der – auch aus klimapolitischen Gründen – längst überfälligen Rückeroberung der Fahrbahnen für inklusiven Umweltverbundverkehr?
Sowohl in NL als auch in DK als auch in D steigt ja der Autoverkehr in Dichte und Fahrleistung stetig an – parallel zum verstärkten Bau separierter Radwege.
Kein guter Trend fürs 21.Jhd., und eigentlich kein Wunder, dass dann der metastasierend weiter wuchernde Autoverkehr sich mit ‚reclaim the Radweg‘ die Hoheit über die Strasse sichert, auch und gerade nachdem die ‚Radentscheidbewegung‘ dem Autoverkehr bereits perspektivisch das gesamte Fahrbahnnetz quasi freiwillig übereignet hat.
ich hab ja am Samstag hier an einem Sportplatz auch sowas gesehen….
Situation etwa so: Fahrbahn, Baumreihe, Radweg, 1,5m Grünstreifen, Gehweg, breiter Grünstreifen mit Bäumen und Büschen, dann Zaun zum Sportplatz.
Nun ratet mal wo die PKWs der „Hochleistungsportler“ alle so standen und wie sie dahin gekommen sind. Richtig, am Zaun auf dem Grünstreifen und die Autofahrer fuhren auf dem Gehweg dahin. Überwiegend sind das dann noch KFZ-Kennzeichen aus der Stadt, sodass davon auszugehen ist, dass diese „Sportler“ wegen ihrer schwersten Faulenzia automobiles nicht in der Lage sind ein paar Meter aus der Nachbarschaft zu laufen oder mit dem Rad zu fahren.
Hab übrigens gestern abend die NDR-TV-Doku 45min u.a. mit Daniel im Interview gesehen. Schöne Sendung, zeigt mir mal wieder die Alltagsprobleme bei aufgemalten Radstreifen auf der Fahrbahn, und dass auch der ADFC bzw ADFC-Mitglieder wie in Hamburg mitverantwortlich für Schutz- und Radfahrstreifen bei gleichzeitigem Rückbau von echten Radwegen war und man urplötzlich nichts mehr davon wissen will, sowie Diskussionen dazu vermeidet.
Vergleiche ich das gezeigte mal mit der selbst ernannten „Fahrradstadt Nummer zwei hinter Münster“ (= Braunschweig), so kann ich nur sagen, dass hier alles erst später kommt und später zurück gerudert wird, Braunschweig sozusagen alles irgendwie verschläft. Während also in Berlin oder Osnabrück, Hamburg wieder echte abgetrennte Radwege (oder auch PTB bzw. coronabedingt temporäre PTB) gebaut wurden, hat man hier quasi noch „Schutz- und Radfahrstreifen“ gemalt und die ERA in der Regel nicht vollständig umgesetzt.
Das ist aber ziemlich typisch hier, große Versprechungen leisten und nicht viel davon einhalten.
Besonders schön fand ich auch den breiten Radweg auf der Bahntrasse in der Sendung, Braunschweigs Radclubs haben ne große Klappe wegen rund 22km Ringleistrasse als Radweg, wovon aber nur rund die Hälfte auf der echten Bahntrasse sind, der Rest sind bislang schlechte Kompromisse und Umgehungen um den Ring „mit aller Gewalt“ zu schließen, sowie größtenteils viel schmaler und mit wassergebundener und beschädigter Oberfläche.