Es klingt ehrlich gesagt etwas verrückt, was die Arbeitsgemeinschaft Fahrrad- und Fußgängerfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg e. V. (AGFK-BW) da gerade vermeldet hat. In zwei Modellprojekten sollen auf zahlreichen Pilotstrecken im ganzen Land verschiedene Varianten von“ neuartigen Radschutzstreifen“ untersucht werden. Neuartig soll daran sein, dass manche außerorts auf die Fahrbahn aufgetragen werden (was in der Grafschaft Bentheim allerdings schon längst getestet und vom Bundesverkehrsministerium (BMVI) als nicht erfolgreich bewertet wurde) und andere innerorts breiter sein sollen, als es die Kernfahrbahn eigentlich zulässt.

„Im Fokus der Untersuchungen innerorts stehen beidseitige Schutzstreifen auf Straßen mit schmaler Kernfahrbahn. Bisher wurden auf solchen schmalen Straßen in der Regel nur schmale Schutzstreifen markiert, die Kfz haben ihren Platz behalten. Im Modellprojekt für Schutzstreifen wird jetzt untersucht, wie sich das Verkehrsverhalten verändert, wenn zu Lasten der Kfz-Fahrbahnbreite die Schutzstreifen für Fahrräder breiter markiert werden. Auch der Einsatz von einseitigen Schutzstreifen auf Abschnitten mit Steigungen wird untersucht. Hier ist die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen Radfahrern und Kfz besonders groß. Bergauf fahrende Radfahrer genießen mit dem neuen Schutzstreifen so einen besonderen Schutz.“

Wenn ihr mich fragt, wird sich dadurch nichts, aber auch gar nichts ändern. Radfahrer werden weiterhin so weit wie möglich am rechten Fahrbahnrand fahren, weil sie seit Jahrzehnten dahingedrängt werden und Autofahrer interessieren sich ohnehin nicht groß für Farbe auf der Fahrbahn.




„Außerorts sind Schutzstreifen bislang nicht zulässig. Hier werden die Einsatzbereiche zur Markierung ein- oder beidseitiger Schutzstreifen in Abhängigkeit von der Verkehrsbelastung und Struktur der Straße, den topografischen Verhältnissen und den gegebenen Straßenbreiten untersucht und bewertet.“

Dem hat das BMVI allerdings schon 2018 eine Absage erteilt. „Insbesondere die schon früher für den Innerortsbereich wissenschaftlich belegte Tatsache, dass sich die Kraftfahrzeugführer an der Leitlinie orientieren und dadurch oftmals näher an die Radfahrer heranfahren, wird im Abschlussbericht für den Außerortsbereich bestätigt“, schreibt Verkehrsstaatssekretär Enak Ferlemann in seiner Antwort auf eine Anfrage des Grünen-Radverkehrsexperten Stefan Gelbhaar. „Vor diesem Hintergrund scheidet eine Beibehaltung der Schutzstreifen auf den Versuchsstrecken des Forschungsprojekts bzw. eine weitere oder gar dauerhafte Befreiung vom Verbot von Schutzstreifen auf Straßen außerorts aus.“

Was ist das nun in Baden-Württemberg? Hilflosigkeit? Zeit schinden, weil man keine echten Radwege bauen oder die Geschwindigkeit des motorisierten Verkehrs drosseln will? „Schutzstreifen können eine vergleichsweise einfach und günstig umsetzbare Möglichkeit sein, den Radverkehr sicherer zu machen und durchgängige Radverkehrsnetze zu schaffen.“ Das mag objektiv stimmen – bis der nächste Falschparker den Weg blockiert. Daher und wegen der Nähe zum motorisierten Verkehr fährt nur kaum jemand gerne auf diesen Streifen. Radverkehrsförderung sieht wirklich anders aus. Auch der ADFC hat sich von diesen Fahrbahnlösungen verabschiedet und fordert inzwischen, flächendeckend geschützte Radwege auszubauen.

Typische Szene auf einem Schutzstreifen. Wenn kein Platz für einen echten Radweg ist, muss halt die Geschwindigkeit auf 30 km/h gedrosselt werden.