Es sind mal wieder schwere Tage in Osnabrück. Wieder wurde ein junger Radfahrer in der Stadt getötet, die schon in neun Jahren zu den Top 5 der deutschen Fahrradstädte gehören will. Wieder waren ein rechtsabbiegender LKW und ein Radfahrstreifen in Mittellage beteiligt. Und wieder ereignete sich der Unfall auf der Bundesstraße 68, die immer noch durch die Stadt führt, weil es der niedersächsische Verkehrsminister Bernd Althusmann von der CDU so will.

Volkmar Seliger hatte hier schon geschrieben, wie bei uns „Radaktivisten“ der ewig gleiche Apparat anspringt: Entsetzen, Trauer, Wut. Mahnwache, Ghost Bike, Appelle. Es muss sein, denn es – das Sterben – darf nicht sein. Es ist deprimierend, aber es sind die wenigen Mittel, die wir haben. Es ist doppelt deprimierend, weil es Mittel der Reaktion sind. Wir können kaum Agieren. Wir können Unfälle kaum verhindern.

Die lokale Politik ist sich mal wieder schnell einig, dass etwas passieren muss. Sie ist es mal wieder, NACHDEM etwas passiert ist. Immerhin sieht es so aus, als würde mit der neuen Oberbürgermeisterin dieses Mal wirklich schnell reagiert. Die Rechtsabbiegespur an der Unfallstelle soll zu einem Radweg werden. Da drängt sich die Frage auf, warum sowas mit dem kürzlich aus dem Amt geschiedenen Oberbürgermeister nicht möglich war. Immerhin 13 Radfahrende sind in seiner acht Jahre währenden Amtszeit getötet worden. Und ich erinnere mich gut, wie seine CDU monatelang dagegen angekämpft hat, nur vier Ampeln von der jetzigen Unglücksstelle entfernt, die rechte der beiden Fahrspuren in eine reine Rechtsabbiegespur umzuwandeln. Man befürchtete Staubildung, also die Beeinträchtigung des motorisierten Verkehrs an einer Kreuzung, an der bereits drei Radfahrende ums Leben kamen. Die Ratsmehrheit hat die Umwandlung dennoch durchgedrückt, inklusive getrennter Ampelschaltung. Zu erhöhtem Stauaufkommen kam es nicht. Zu weiteren tödlichen Unfällen auch nicht.

Aber natürlich gibt es auch infolge des jüngsten tödlichen Unfalls wieder die eine kleine Fraktion, die nur einen Tag nach dem Tod des 28-jährigen Radfahrers reflexartig fordert, dass keine Konsequenzen gezogen werden dürfen, die die Flüssigkeit des Autoverkehrs beeinflussen. Es ist ein Grabenkampf, der die Bequemlichkeit der Autofahrenden über die Sicherheit aller anderen stellt und für die Angehörigen der getöteten Radfahrer und Fußgängerinnen ein weiterer Schlag ins Gesicht sein muss.

Apropos: Auch als Leserbriefschreiber kann man sich gehörig im Ton und zudem in der Sache vergreifen – nachzulesen in der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 2. Dezember. Vielleicht ist dieser Leserbrief vor dem tödlichen Unfall am Montag geschrieben worden. Nichtsdestotrotz bezieht er sich auf Umbaupläne der Stadt, die infolge eines tödlichen Unfalls im vergangenen Jahr beschlossen wurden. Eine 18-jährige Schülerin war aus ungeklärten Gründen vom gemeinsamen Geh- und Radweg an der Pagenstecherstraße vor einen LKW gestürzt und getötet worden. Auch ungeachtet der tatsächlichen Gründe einfach unglaublich tragisch und traurig. In diesem Zusammenhang dann von „Nutzung des Hirns“, „gesunde Menschenverstand“, „kleinere Umwege für die eigene Sicherheit“ und „Leichtsinn“ aller Radfahrenden zu schreiben, ist mehr als taktlos. Es ist eine absolute Frechheit und geschmacklos, wie es nur geht.

Und es scheint auch kein Wunder, dass sich dem Leserbriefschreiber nicht erschließt, warum die Stadt sichere Radwege an der Pagenstecherstraße bauen will. Er sei zwar auch „überzeugter Radfahrer“, das aber wohl nur im Freizeitbereich mit Zeit und Muße für Umwege. Die Pagenstecherstraße bietet hingegen viele Ziele, die auch mit dem Rad sicher erreichbar sein müssen (u.a. einen FAHRRADLADEN). Was ist die Sperrung „der Hauptverkehrsstraßen für Radfahrer“ da für ein absurder Vorschlag?! Alle Anlieger der Pagenstecherstraße haben eigene Parkplätze. Da müssen nicht noch Parkstreifen auf Kosten der Sicherheit für Radfahrende angeboten werden. Und überhaupt: Es darf keine „No Go Areas“ für Radfahrende geben. Auch und gerade an die direkten Haupteinfallstraßen gehören sichere Radwege. Auch Radfahrende wollen zügig und kreuzungsarm an ihre Ziele kommen. Punkt.

Auf die sozialen Medien will ich hier gar nicht eingehen, wo man beim Lesen der Untendrunterkommentare bei regionalen „Onlinemedien“ das Gefühl bekommen kann, dass jeder getötete Radfahrer allein schon dadurch gerechtfertigt scheint, dass sich irgendein anderer Radfahrer mal irgendwann und irgendwo an irgendeine Verkehrsregel nicht gehalten hat.

Kurz zurück zur B68 und ihren Verlauf durch die Innenstadt: Für den Unfall vom Montag spielt das wohl keine Rolle, da der LKW im Stadtgebiet entladen hat. Aber wie wäre es, wenn der Landesverkehrsminister dieses Faustpfand für den Bau der A33-Nord (die, wenn überhaupt, frühestens in zehn Jahren fertig gebaut wäre) endlich aufgibt und mal VOR einem weiteren tödlichen Unfall (wie er sich im vergangenen Jahr ereignet hat) aktiv wird? Er kann die Bundesstraße auch jetzt schon aus dem Stadtgebiet raus und auf die A1 und A30 verlegen. Es ist möglich, den LKW-Durchgangsverkehr auch jetzt schon aus der Stadt zu bekommen. Der Autobahnbau ist ein rein politisches Argument.

Diese Diskussionen und Rückzugsgefechte der Vertreter*innen des ewig bevorzugten Autoverkehrs machen mich wütend und treiben mich an, den Umbau unserer Stadt noch schneller und radikaler voranzutreiben.

Bisher optimieren wir den Autoverkehr und dann schauen wir mal, was in Sachen Sicherheit für die schwächeren Verkehrsteilnehmer noch geht. Es muss genau andersherum laufen. Keine Kompromisse mehr bei der Sicherheit von Radfahrenden und zu Fuß Gehenden! Keine Sekunde (Auto-) Verkehrsbeschleunigung ist es wert, noch eine*n Radfahrer*in in Osnabrück zu verlieren!

Die Leitende Notarzt Gruppe Stadt und Landkreis Osnabrück hatte es bereits im vergangenen Jahr in einem offenen Brief auf den Punkt gebracht: „Es ist an der Zeit, (…) dafür zu sorgen, dass es keine weiteren Toten auf unseren Straßen gibt.“ Danach muss jetzt umfassend gehandelt werden!

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