Am Freitag wurde der Antrag „Sicherer Radverkehr für Vision Zero im Straßenverkehr“ der Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD im Bundestag mehrheitlich angenommen. Mit der geplanten Novellierung der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) soll sich einiges ändern. „Damit mehr Menschen das Fahrrad nutzen, braucht es mehr Platz für den Radverkehr und mehr Sicherheit für Rad Fahrende“, heißt es im Antrag. Konkret werden folgende Vorschläge des Bundesverkehrsministeriums begrüßt:

  • Beim Überholen mit Kraftfahrzeugen von zu Fuß Gehenden, Rad Fahrenden und Fah-renden von Elektrokleinstfahrzeugen beträgt der Seitenabstand innerorts künftig mindestens 1,5 m und außerorts mindestens 2 m.
  • Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t dürfen innerorts nur noch mit Schrittgeschwindigkeit rechtsabbiegen.
  • Der Grünpfeil exklusiv für Rad Fahrende wird eingeführt.
  • Die Ausweisung von Fahrradzonen – also Netzen zusammenhängender Fahrradstraßen – innerhalb geschlossener Ortschaften wird erleichtert.
  • Neue Verkehrszeichen für Elektrokleinstfahrzeuge, das Parken von Lastenräder und die Ausweisung von Radschnellwegen wird eingeführt.
  • Die Bußgelder für das Halten von Kraftfahrzeugen auf Schutzstreifen und in zweiter Reihe sowie für verbotswidriges Parken auf Geh- und Radwegen werden erhöht.

Darüber hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert, sich für weitere Maßnahmen einzusetzen. U.a. soll die Innovationsklausel so geändert werden, dass neue Regeln oder Verkehrsmaßnahmen künftig unabhängig von bestehenden Gefahrenlagen getestet werden können. Auch die Mitnahme von Personen auf geeigneten Lastenrädern soll komplett freigegeben werden. Bisher dürfen nur Kinder bis sieben Jahre befördert werden.

Eine besondere Tragweite haben die Forderungen, dass es Kommunen einerseits erleichtert werden soll, „innerorts die Geschwindigkeitsbegrenzung von Tempo 30 km/h für ganze Straßen unabhängig von besonderen Gefahrensituationen anzuordnen“ und darüber hinaus in Modellprojekten untersucht werden soll, „wie es sich auf den Straßenverkehr in Kommunen auswirkt, wenn ein generelles Tempolimit von 30 km/h angeordnet und nur auf Hauptverkehrsstraßen Tempo 50 zugelassen wird“. Das käme nicht nur dem Radverkehr sondern dem ganzen Stadtklima zugute.




Interessant ist, dass vor der bundesweiten Einführung des grünen Pfeils für Rad Fahrende die Modellversuche ausgewertet werden sollen. Das könnte die Einführung dann doch noch mal wieder stark verzögern.

Dass etwas geschehen muss, auch um das von der Bundesregierung ausgegebene Ziel „Vision Zero“ im Straßenverkehr zu erreichen, da waren sich alle Fraktionen einig. Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hatten noch einen weitreichenderen Antrag „Das Straßenverkehrsrecht reformieren – Straßenverkehrsordnung fahrrad- und fußverkehrsfreundlich anpassen“ gestellt, der abgelehnt wurde. Deren Sprecher für städtische Mobilität und Radverkehr, Stefan Gelbhaar, kritisierte, dass die vorgelegte Novelle der StVO aber bei weitem nicht ausreiche: „Auf erhebliche, handwerkliche wie inhaltliche Mängel weisen die weit über hundert Änderungsanträge im Bundesrat ebenso wie die Anträge der Koalition und Opposition hin. Rad und Fußverkehr werden auch nach der Novelle im Straßenverkehr gegenüber Autoverkehr weiterhin massiv benachteiligt.“ So reiche insbesondere die vorgeschlagene Erhöhung der Bußgelder nicht aus. „Nötig ist eine konsistente Überarbeitung des Bußgeldkatalogs. Bislang ist das nicht gegeben: Gefährliches Fahren auf Radwegen kostet beispielsweise weiterhin nur 15 Euro.“ Und auch das Halten auf Geh- und Radwegen bleibt offenbar ein Schnäppchen.

Rad und Fußverkehr werden auch nach der Novelle im Straßenverkehr gegenüber Autoverkehr weiterhin massiv benachteiligt.

Lob gibt es von der Fahrradindustrie. Albert Herresthal, Geschäftsführer des Verbundes Service und Fahrrad e. V., begrüßt den beschlossenen Antrag. „Es ist erfreulich, dass die Regierungsfraktionen hier wichtige Akzente zur Radverkehrsförderung gesetzt haben. Besonders wichtig ist uns, dass nun die hohe Zahl der Rechtsabbiegeunfälle, meist ja von den Kfz verursacht, stärker in den Fokus genommen werden sollen. Auch die Erleichterungen für Tempo-30 innerorts sind für das Verkehrsklima von hoher Bedeutung. Hier muss die mentale Blockade, die bei diesem Thema bisher im BMVI herrschte, überwunden werden“.

Lediglich die sogenannte Alternative zeigte sich wieder absolut weltfremd. In einem polemisch bis wirklich absurd schwachsinnigen Redebeitrag, der sich sehr gut als Büttenrede eignen würde, hieß es, Fahrräder seien „in hohem Maße unpraktisch und gefährlich“ und nur bei schönem Wetter und ebenem Gelände einsatzfähig.

Alle Redebeiträge der Debatte gibt es hier online auf bundestag.de. Den Vorhaben des Bundesverkehrsministers muss nun noch der Bundesrat zustimmen. Hier haben etliche Länder aber Änderungsbedarf angemeldet.