„Radwege für die Pagenstecherstraße in Osnabrück auf Kosten von 27 Bäumen“ hieß es kürzlich in der Neuen Osnabrücker Zeitung. Und „27 Bäume sollen nicht für Radweg sterben“, was als Aufforderung der „Grünen Basis“ gemeint ist. Damit verfestigt sich mal wieder ein Narrativ, das so gar nicht stimmt. Viel mehr zeigt das Beispiel, wie man es sprachlich schafft, die Interessen von Radfahrenden und Umweltschützer*innen gegeneinander auszuspielen. Mit einem ganz einfachen Dreisatz. Und der sieht so aus:

  • Es wird beschlossen, aus einer vierspurigen eine zweispurige Straße zu machen, damit sichere Radwege angelegt werden können.
  • Anliegende Unternehmen wollen die Vierspurigkeit erhalten, was dazu führen würde, dass Bäume gefällt werden müssten.
  • Heraus kommt das Narrativ, dass für die neuen Radwege Bäume gefällt werden müssen.

Und schon hat man oberflächlich betrachtet einen Konflikt zwischen Radfahrenden und Menschen, die sich für den Erhalt der Bäume einsetzen. Dann wird von einigen noch schnell eingeworfen, dass es Alternativrouten gibt – und schon liegt der Schwarze Peter komplett bei den Radfahrenden, die Sachen fordern, die es angeblich gar nicht braucht.




Das Argument, dass an dieser zwei Kilometer langen Straße diverse Geschäfte und Betriebe liegen (nach Umfrage der Wirtschaftsförderung sind es mindestens 151), die man als Kundin oder Mitarbeiter auch mit dem Fahrrad sicher erreichen können muss, wird kaum gehört. Warum eigentlich? Weil Radfahren immer noch als Freizeitaktivität gesehen wird, wofür der parallel verlaufende Haseuferweg ausreicht? Bei schönem Wetter, weil man sich auf der wassergebundenen Decke bei Regen einsaut? Und weil bei Regen ja angeblich sowieso niemand Fahrrad fährt? Und weil es mit der Natruper Straße eine Parallelstraße gibt, die zwar auch über keine gute Radinfrastruktur verfügt, aber eben da ist und somit auch einfach genutzt werden kann? Wenn man auf der Durchfahrt ist, geht das vielleicht. Nicht aber, wenn man zum Beispiel zu einem der größten Fahrradgeschäfte der Stadt möchte, das an der Pagenstecherstraße liegt. Soll ja vorkommen, dass Radfahrer*innen zu einem Fahrradgeschäft fahren.

Im Übrigen hilft auch die Frage nicht, wie viele Menschen aktuell denn überhaupt auf der Pagenstecherstraße Rad fahren, um zu suggerieren, dass man ‚für die paar Leutchen‘ nun wirklich keine sicheren Radwege bauen muss. Doch, muss man. Und natürlich sind es aktuell bei den schlechten Radfahrstreifen nicht überragend viele. Insofern könnten, und ich wage mal zu behaupten, werden sichere Radwege sogar für neue Kundinnen und Kunden sorgen.


Es gibt einfach zu viele Ziele an der Pagenstecherstraße, als dass man ernsthaft auf Parallelrouten verweisen könnte. Und überhaupt: Von den 151 befragten Unternehmen befürchten laut Umfrage lediglich 27 einen Rückgang an Kund*innen, wenn die Fahrbahnen von vier auf zwei reduziert werden. Und ganze 11 würden überlegen, den Standort „unter Umständen verlassen zu wollen“. Unter Umständen. Zu wollen. Nicht mal zu müssen. Das hört sich erst mal alles nach Drohkulisse an.

Auch für den Radentscheid und den ADFC Osnabrück „entwickelt sich mitnichten ein Konflikt zwischen ‚Fahrrad-Aktivisten und Baumschützern‘.“ Was die Baumstandorte nun bedrohe, seien die Interessen des motorisierten Verkehrs und einzelner Gewerbetreibender. Es sei daher wichtig, diese Sachlage anzuerkennen, damit „Fahrrad-Aktivisten und Baumschützer“ nicht von Dritten gegeneinander ausgespielt werden. So ist es. Gute Radverkehrsinfrastruktur und Baumschutz schließen sich nicht aus. Schon gar nicht an der Pagenstecherstraße.

PS: Seit dem tödlichen Unfall einer 18-jährigen Radfahrerin, der Anlass für die Neuplanungen der Pagenstecherstraße war, sind hier mindestens vier weitere Radfahrer*innen schwer verletzt worden.

Der aktuelle Radfahrstreifen ist ein gefährlicher Witz, den natürlich viele meiden. Und zum Beispiel auf den Gehwegen fahren, weil sie trotzdem zu den Geschäften kommen müssen. Foto: dd