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Osnabrück Radverkehr

Die Radverkehrsverhinderungsordnung schlägt wieder zu

„Das Problem mit der Straßenverkehrsordnung ist, dass immer alles dem Gebot des fließenden Verkehrs unterzuordnen ist und der fließende Verkehr wird als Autoverkehr gemeint. Und wir müssten das mal ganz grundsätzlich umdrehen.“

„Das Problem mit der Straßenverkehrsordnung ist, dass immer alles dem Gebot des fließenden Verkehrs unterzuordnen ist und der fließende Verkehr wird als Autoverkehr gemeint. Und wir müssten das mal ganz grundsätzlich umdrehen.“ So bringt die Radbuchautorin Kerstin Finkelstein im Radfunk auf den Punkt, womit sich Kommunen ständig rumärgern müssen, wenn sie etwas für den Radverkehr machen wollen.

Und es passt perfekt zu einem aktuellen Beispiel aus Osnabrück. Auf einem Teil der Meller Straße wird demnächst die Fahrbahn saniert. Bisher gibt es dort beidseitig Schutzstreifen, die ihren Namen nicht verdient haben und eigentlich als Sicherheitsstreifen zur Dooring Zone gesehen werden müssten. Aufgrund parkender Autos am Fahrbahnrand sollte man genau da nicht fahren, wo man laut Schutzstreifen fahren soll. Ein altes Überbleibsel, dass die Verwaltung nach der Fahrbahnsanierung so nicht reanimieren will. Weil die bisherigen Schutzstreifen nicht regelwerkskonform sind und weil Schutzstreifen in der Stadtgesellschaft Osnabrück kritisch gesehen werden. Der örtliche ADFC stellt sie sogar grundsätzlich in Frage. Und auch der Runde Tisch Radverkehr lehnt eine Auffrischung ab.

„Die Verwaltung ist grundsätzlich der Meinung, dass ERA-konforme Schutzstreifen weiterhin eine geeignete Radverkehrsanlage sein können und objektiv sicher sind. Probleme mit dem Verkehrsverhalten der Kfz-Fahrenden und ein schlechtes subjektives Sicherheitsgefühl lassen sich jedoch nicht von der Hand weisen. Die anstehende Deckensanierung bietet die Möglichkeit weitere Erkenntnisse durch eine Versuchsphase zu gewinnen“, heißt es in einer Ausschussvorlage der Verwaltung.

Eine Versuchsphase also. Die Verwaltung schlägt vor, nach der Fahrbahnsanierung keine Schutzstreifenmarkierung aufzubringen, sondern eine dreimonatige Versuchsphase mit einer gemeinsamen Nutzung der Fahrbahn von Kfz und Fahrrad durchzuführen. Die Lösung soll also erstmal Mischverkehr heißen. Platz für breite Schutzstreifen auf beiden Seiten ist nicht vorhanden, weil dann die Kernfahrbahn zu schmal wäre. Könnte man zwar machen, siehe Niederlande. Ist aber in Deutschland – siehe oben – nicht mit der Straßenverkehrsordnung vereinbar.

Die beste Lösung ist oft die Umwandlung der Parkstreifen in Radwege. Das ist hier allerdings nicht möglich, bzw. nicht durchsetzbar, weil zwischen den Parkständen Bäume stehen. Und Bäume sind in Osnabrück ein ganz spezielles Thema – insbesondere seitdem gewisse Personen und Gruppierungen, die vorher nichts mit Bäumen am Hut hatten, gemerkt haben, dass sie sie in ihren Kleinkrieg gegen bestimmte Personen in der Verwaltung einbeziehen können. Aber das ist eine andere Geschichte. Und ich bin ja auch kein Fan davon, Bäume zu fällen.

Könnte man nicht wenigstens Tempo 30 anordnen? Nein, lässt die Radverkehrsverhinderungsordnung natürlich nicht zu…

Könnte man dann aber nicht wenigstens Tempo 30 anordnen, damit die Geschwindigkeiten von Radfahrenden und Autofahrenden nicht so weit auseinanderliegen? Natürlich nicht mit unserer Straßenverkehrsordnung: Weil „die Meller Straße Teil des Vorbehaltsnetzes und auch ÖPNV-Strecke ist. Eine besondere Gefahrenlage, die eine streckenbezogene Geschwindigkeitsreduzierung begründen ließe, ist nicht nachweisbar“. Mit Finkelsteins Worten: Der fließende Verkehr wird als Autoverkehr gemeint. Und bevor man da eingreift, müssen erst mal ein paar Radfahrer sterben.

Der Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt soll auf der Veloroute nun also einen radverkehrsinfrastrukturfreien Abschnitt beschließen, weil die Radverkehrsverhinderungsordnung aka Straßenverkehrsordnung praktisch nichts anderes zulässt. Die Stadt definiert die zweithöchste Kategorie von Radverbindungen in Osnabrück übrigens so: „Die Velorouten sollen gegenüber der konfliktreichen Hauptverkehrsstraße eine attraktive Alternative für den Radfahrer darstellen, indem sie abseits von verkehrswichtigen Straßen verlaufen.“

Die Verwaltung regt immerhin noch an, Piktogramm-Ketten auf die Fahrbahn aufzutragen, um Autofahrenden zu signalisieren, dass ihnen die Straße nicht allein gehört. Während und nach der Versuchsphase wird die Verwaltung den Test auswerten. Ergebnis offen.

Fotos: dd

25 Antworten auf „Die Radverkehrsverhinderungsordnung schlägt wieder zu“

Die Verengung der Fahrbahn zugunsten breiterer Schutzstreifen bringt auch in Holland nichts. Damit kommen wir leider nicht weiter .
Dann schon eher Shared Space . Das klappt wenigstens ansatzweise und die Geschwindigkeit des motorisierten Verkehrs ist definitiv geringer….

Was sagt denn die StVO über die Umwandlung in Einbahnstraßen? Ich vermute mal: nichts hilfreiches, wenn sie die Einrichtung von Tempo 30 schon ausschließt. Aber damit ließe sich das Platzproblem am ehesten lösen.

Auf der rechten Seite gäbe es eine Fahrspur für den buckligen MIV + Parkplätze zwischen den Bäumen. Und auf der linken Seite einen breiten, in beide Richtungen nutzbaren Radweg. Die Parkplätze auf dieser Seite würden wegfallen und zu Aufenthaltsorten für Anwohner werden. Die Bäume könnten beidseitig erhalten bleiben.

So ähnlich sieht es, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, in manchen Teilen Amsterdams aus.

Super Sache…;) das gleiche Prinzip wünsche ich mir für andere größere Anwohnerstraßen wie Bramscherstraße, Natruperstraße, Buersche Straße, Belmer Straße… alle Straßen die parallel eine große Ausfallstraße ala Pagenstecher, Hannoversche, etc. haben.

oh, bitte nicht. in Braunschweig gibts schon Radfahr und Schutzstreifen, die jeweils in gegenrichtung zum Einbahnstraßensinn angelegt sind.

– Autofahrer schnallen das nicht, übersehen die Radfahrer, gibt immer wieder Konflikte, Gefährdungen und heftige Diskussionen. Problem ist auch, das Autofahrer aus Einmündungen von links keinen (Rad-)Verkehr erwarten, obwohl überall ein Schilderwald mit Zusatzzeichen hängt.

– manchmal parken Autos darauf in zweiter Reihe.

– einige Radfahrer schnallen das Prinzip nicht, fahren in falscher Richtung auf diesen Streifen, also links der MIV-Fahrbahn, obwohl es nicht erlaubt ist und nochmal das Gefahrpotenzial erhöht.

Einbahnstraße ist leider keine Lösung, es sei denn man verbannt den ÖPNV. Busse verkehren nun mal zwingend in beide Richtungen.
Helfen würde aber ein Durchfahrtsverbot. Es fahren lt. NOZ täglich knapp 10000 Autos durch die Meller Straße und da werden die wenigsten Anwohner sein.
Eine Sperrung mit (für den ÖPNV versenkbaren) Pollern in Höhe Riedenbach würde den Autoverkehr schlagartig drastisch reduzieren und Radfahrer könnten entspannt fahren (Poller sind zwingend notwendig, Schilder würden gar nichts nutzen)
Der Autoverkehr gehört auf die nahe gelegene Hannoversche Straße, ich weiß aber aus dem Bekanntenkreis dass viele natürlich die Meller Straße nehmen, weil man da mit nur einer Ampel bis in die Innenstadt kommt.

Ich kenne mich zwar nicht aus in Osnabrück, aber das hier beschriebene Problem gilt überall in Deutschland. Statt die kürzeste Strecke von A nach B für den MIV zu sperren und auf andere Hauptstraßen zu verlegen, werden Fahrradstrecken zickzackartig von A nach B geführt und die direkten Hauptstraßenverbindungen bleiben einzig den unerschrockenen 1-2% der Radfahrenden überlassen. So klappt das wirklich nie mit der Verkehrswende. Sehr schade. Nichtsdestotrotz sollte eine Kommune in der Rechtslage sein, solch eine Lösung wie oben beschrieben herbeizuführen. Dafür braucht es aber den politischen Willen und die zügige Umsetzung durch die Verwaltung.

Ich stimme zu, dass der ÖPNV vorrangig zu behandeln ist und eine Einbahnstraße in diesem Fall kontraproduktiv. Ob aber Poller eine Lösung sind, wage ich zu bezweifeln, wenn ich mir die „Geschichte“ der Poller an der Johannisfreiheit ansehe. Und selbst die selten stattfindenden Kontrollen an der Johannisfreiheit durch die Polizei sind nicht nachhaltig. Das müsste anders zu regeln sein…

Die Meller und auch z. B. die Parkstrasse und die Martinistrasse sind zum „Radfahren“ gänzlich ungeeignet. Das ist gut, die Todesstreifen zu entfernen. Tempo 30 sollte ebenfalls problemlos möglich sein, das kommt ebenfalls der Verkehrssicherheit zu Gute.

Gerade an der Meller gibt es viele Parallelstrassen mit geringem Verkehrsaufkommen die ohne größere Kosten zu rad-bevorrechtigten Straßen umgewidmet werden können. Braunschweiger Straße und Pferdestrasse sind ideal und würden ebenfalls Radverkehr von der Hannoverschen aufnehmen können. Ich fahre da jedenfalls immer lang …

… Sind halt die falschen Leute mit den falschen Ideen im Gremium…

Nicht ganz verstanden habe ich, WIE die Verwaltung den Test auswerten will. Soll es Umfragen unter Rad- und Autofahrenden geben? Sollen Unfälle als Maßstab herangezogen werden? Oder wie soll eine Auswertung des „Tests“ erfolgen?

Herzlichen Dank für die Antwort. Eine Bürger- und Betroffenenbeteiligung an solchen Projekten ist immer gut und zu befürworten. Dabei ist es erst Mal egal, ob es sich um Anwohner oder Berufspendler handelt. Auch Rad- und Busfahrende, sowie Fußgänger können Berufspendler sein.

Ein wenig kommt es mir bei solchen Diskussionen so vor, wie wenn verzweifelt versucht wird mittels veränderter Rezeptur und mit allen möglichen Chemikalien leckere Brötchen bei einer Backofentemperatur von 1500°C zu backen.
Dabei ist natürlich nicht die Rezeptur das Problem, sondern die viel zu hohe Backofentemperatur.

Wir brauchen zwingend VIEL weniger Autoverkehr!
Dann sind solche Probleme auch lösbar, bzw. sie lösen sich sowieso auf, und es braucht auch keine seltsamen ggf. giftigen Chemikalien in der Backmischung.

Gestern stand in der NOZ, dass dort nun über Sharrows o. ä. nachgedacht würde. Wieso braucht Radverkehr auf der Fahrbahn extra Symbole, Streifen oder Bildchen für die Daseinsberechtigung? Es muss endlich in die Köpfe, dass ich mit Fahrrad genauso das Recht habe dort zu fahren, wie mit Auto oder Moped. Ob dort nun Bildchen aufgesprüht sind oder nicht!

Die Autofahrer werden sehr genau registrieren, wo Sharrows aufgemalt sind und wo nicht. Wo es keine gibt, werden die Problemautler „ihr“ Revier aggressiv verteidigen.

Die Osnabrücker FDP Ratsfraktion hält Tempo 30, als auch eine Regelung als Anwohnerstraße für möglich:

„(…) Für die Meller Straße böte sich Tempo 30 an. Hierdurch würde sich die Verkehrsmenge automatisch reduzieren. Eine Umwidmung in eine Anwohnerstraße mit Durchfahrtsrecht für den ÖPNV und Individualverkehr zu den ansässigen Geschäften wäre eine weitere Möglichkeit, wenn die Hannoversche Straße komplett für Radfahrer mit 2 m breiten Radwegen hergestellt sei.(…)“
https://www.hasepost.de/zurueck-in-die-verkehrspolitik-der-vergangenen-jahrzehnte-osnabruecker-fdp-kritisiert-moeglichen-wegfall-der-schutzstreifen-fuer-radfahrer-an-der-meller-strasse-245645/

Die Osnabrücker FDP Ratsfraktion hat geantwortet und mich bzgl. meiner Frage auf die heutige Sitzung des „Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt“ und ihren Änderungsantrag hingewiesen. Dort heißt es:
Die FDP Ratsfraktion beantragt folgenden Beschluss:
„Nach der Deckensanierung wird keine Probephase mit einer Führung des Radverkehrs im Mischverkehr durchgeführt.
Die Verwaltung wird beauftragt, folgende Möglichkeiten abzuprüfen:
-Einführung einer Tempo 30 Zone in der Meller Straße mit Darstellung, welche Maßnahmen dafür erforderlich sind
-Umwandlung der Meller Straße in eine Anwohnerstraße mit Durchfahrtsrecht für den ÖPNV und Individualverkehr zu den ansässigen Geschäften
-Beidseitiger Ausbau der Hannoverschen Straße mit 2 m breiten Radwegen
Außerdem soll dem Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt eine Liste aller Straßen vorgelegt werden, die einen Schutzstreifen für den Radverkehr haben.“
Der obige Antrag musste aufgrund der Lesbarkeit etwas angepasst werden. Die Originalvorlage ist hier einzusehen:
https://ris.osnabrueck.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=1016293

Warum würde Tempo 30 den ÖPNV durcheinanderbringen?
Hier in der Dodesheide vor der Grundschule gibt es ÖPNV und Tempo 30 (sogar zeitlich begrenzt). „In der Dodesheide“ – komplette Straße mit Tempo 30. Hier fährt die M5 im 10-Minuten-Takt.

@A. Krückmann: Guter Vergleich, ich stimme ihnen 100% zu.

@Atze
Das ginge relativ einfach:

a) über den Geldbeutel , Abgaben der Autofahrer den realen Kosten anpassen – das ist dann so im Bereich 30-80 Cent pro Kilometer. Dann kann jeder mal schnell rechnen ob man 5 Km mit dem Auto, dem ÖPNV oder dem Rad fährt bzw. zu Fuß geht :-)
Sollte nun das Argument kommen, ja wie Autofahrer zahlen doch schon alles mit den Steuern und Abgaben….., äh, nein, das tun sie leider nicht…

b) Sinnvolle KFZ bauen – weniger PS, kleiner bei besserer Platznutzung, einfach reparierbar – eigentlich ist so etwas die hohe Ingenieurkunst und nicht der 300kW „Panzer“ oder“Sportwagen“ ob mit oder ohne E….

c)Der Polizei es ermöglichen (und si auch auffordern!) ihren Job zu machen- konsequente Verkehrserziehung (inklusive Ahndung der Verstöße) aller Verkehrsteilnehmer und eine Einführung der Novelle – die wurde ja leider ver-„Scheuert“.
Geschwindigkeitsmessungen u.ä. an wirklich wichitgen Stellen – Wohngebiete, Schulen, Einfallsstraßen usw.
Wenn der Autofahrer sich mal auf auf das Autofahren konzentrieren muss, wozu er/sie verpflichtet ist, weil es ansonsten richtig teuer und unbequem wird, dann werden vllt genug Menschen Alternativen nutzen.
PS: Gleiches, bzgl. der Kontrollen, gilt übrigens auch für Radfahrer ;-)

d) Parkplätze im öffentlichen Raum an die Mieten vor Ort anpassen: Wer ein KFZ hat und im öffentlichen Raum parkt zahlt dann automatisch eine Gebühr in Abhängigkeit von seiner genutzten Fläche. Der Satz hierfür sollte dann den Quadratmeterpreis örtlichen Mietspiegel betragen und exponential steigen bei Überschreitung einer notwendigen Stellfläche von 6m². Das ganze kann gerne per App/online oder sonst wie erfolgen.
Sie werden sehen, wie schnell die Innenstädte vom Belch befreit werden können.
Alternativ wäre ein Stellplatzpflicht auf dem eigenen bzw. angemieteten Gelände auch eine gute Lösung, hatten wir ja schonmal ;-)
Auch hier: Verstöße müssen konsequent geahndet werden – Abschleppen ist imho eine sehr effektive Maßnahme ;-)

e) Einfach mal handeln! Das was unsere Politik und die Ordnungsämter machen ist in dieser Hinsicht leider wirklich schon Arbeitsverweigerung. Vllt sollte man das mal sanktionieren….hmmmm :-D

Cheers!

PS: Achja, Motorräder gehören auch nicht auf den Fußweg!

Eine Sanktionierung der Arbeitsverweigerung der Ordnungsämter bzw derer Vorgesetzten ist rechtlich nicht möglich. Das habe ich bereits von einem Fachanwalt prüfen lassen.

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