Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) hat im Rahmen des „Wissenschaftsjahres 2015 Zukunftsstadt“ Bürger nach ihrer Vision vom künftigen Leben in der Stadt befragt. Erste Erkenntnis, die der Medieninformation zu entnehmen ist:
Mit Blick auf das Thema Mobilität schlägt aus Sicht der Antwortenden das Fahrrad im Stadtverkehr alle anderen Fortbewegungsmittel.
Demnach will mit 47 Prozent nahezu die Hälfte aller Befragten künftig am liebsten mit dem Fahrrad oder Elektro-Fahrrad unterwegs sein. Dahinter folgt der Bus mit 22 Prozent, das eigene Auto mit 21 Prozent, der Fußverkehr mit sechs und Car-Sharing mit vier Prozent. „79 Prozent der Antwortenden würden also auf innerstädtischen Strecken künftig den sogenannten Umweltverbund – also zu Fuß, per Rad, ÖPNV und Carsharing – präferieren.“
Was sagt man nun dazu? Am besten: Auf geht’s! Keine Ausreden mehr. Nutzt das Verkehrsmittel, das ihr nutzen wollt!
Einschränkungen gibt es natürlich noch – wie ich im Beitrag Wie bekommt man die Menschen aufs Rad? gerade zu erklären versuche. Aber ein großes Problem, das potenzielle Radfahrer haben, ließe sich mit dem eigenen Umstieg verringern: der motorisierte Verkehr. Umso mehr Menschen auf das Fahrrad umsteigen, umso weniger Autos sind unterwegs. Insofern kann der Umstieg nur von den Willigen selbst befeuert werden.
40 Prozent wollen vorrangig in kleinen Läden der direkten Nachbarschaft einkaufen.
Die Pressemitteilung des Difu liefert darüber hinaus noch einige andere interessante Informationen zur „Zukunftsstadt“. Nämlich dass 40 Prozent der Antwortenden, vorrangig in kleinen Läden der direkten Nachbarschaft einkaufen wollen. Hinzu kommen noch 26 Prozent, die in den Geschäften der Innenstadt einkaufen wollen. Im Falle Osnabrücks setze ich die beiden Dinge mal gleich. Denn Osnabrück hat fast noch die Größe, wo die Innenstadt für die meisten Stadtteile auch noch als Nachbarschaft gelten kann.
Diese Zahlen passen zwar nicht so ganz zu dem aktuellen Trend zum Onlinehandel, sollten dem Einzelhandel in unseren Städten aber klar machen, dass potenzielle Kunden da sind und das Angebot einfach nur darauf ausgerichtet werden muss. Darüber hinaus sollte sich der Einzelhandel seine Zielgruppe noch mal genauer anschauen. Müssen X Parkplätze vor dem Geschäft wirklich sein, wenn nur 21 Prozent der Kunden mit dem Auto kommen? Da könnte man doch viel besser über Fahrradständer, verkehrsberuhigte Bereiche oder Fußgängerzonen nachdenken – was den potenziellen Radfahrern, die ja nun mal auch potenzielle Kunden sind, den Umstieg aufs Fahrrad leichter macht.
Ein passendes Programm zu diesen Wünschen gibt es bereits vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Über „Neues Zusammenleben in der Stadt“ hatte ich hier berichtet.
6 Antworten auf „Wünsche für die Zukunftsstadt“
Nun ja. Wenn da generalisiernde Behauptungungen vom Typ „Nahezu die Hälfte aller Befragten möchte in Zukunft am liebsten mit Fahrrad oder Elektro-Fahrrad im Stadtverkehr unterwegs sein“ aufgestellt werden, obwohl tatsächlich nur in einer nicht repräsentativen (!) Umfrage die Frage beantwortet wurde, wie man an einem warmen Sommerabend (!) zu einer Geburtstagsfeier (Alkohol!) kommen möchte, dann ist das schon ziemlich frech. Noch frecher wird es, wenn eine solche Vorgehensweise dann auch noch mit „Wissenschaft“ in Verbindung gebracht wird.
Wir brauchen mehr Schritte in Richtung moderner Städte. Auch mehr Öffentlichkeitsarbeit. Auch mehr laute Öffentlichkeitsarbeit. Aber nicht in dieser Qualität.
Die Frage ist in der Tat nicht klug gestellt…
Und spätestens auf Twitter wird aus solchen Generalisierungen, aus dem Zusammenhang gerissen, dann grober Unfug: https://twitter.com/radverkehr/status/674267581549830144
„Mit Blick auf das Thema #Mobilität schlägt das #Fahrrad im Stadtverkehr alle anderen Fortbewegungsmittel“
So einfach kann es also sein. Nicht, dass ich es mir nicht wünschen würde oder die Aussage für völlig falsch halten würde. Aber die nicht repräsentative Umfrage hatte nun doch eine etwas andere Fragestellung.
So etwas führt auch nicht im Sinne einer lauten Öffentlichkeitsarbeit zum Ziel, weil es so leicht zu entlarven ist. Schade, Difu.
Verkürztes Zitat, ja.
„Umso mehr Menschen auf das Fahrrad umsteigen, umso weniger Autos sind unterwegs.“
Klingt zwar zunächst einleuchtend, ist aber m.E. vielleicht zu sehr simplifiziert.
Wenn im Kurzstreckenverkehr (‚Nahmobilität‘ 0-4 KM) verstärkt das Fahrrad eingesetzt wird, dann ersetzt das zum einen auch einen Teil des Fussverkehrs, vor allem aber wird der substituierte Kurzstrecken MIV auch dafür sorgen, dass die allerorten überlastete Infrastruktur entlastet wird, so dass die mittleren und längeren Distanzen für den MIV eine verbesserte Reisezeit aufweisen (Radverkehr als Anti-Stau-Programm).
Das wiederum führt dann (Reisezeitbudget!) zu einer erhöhten Verkehrsleistung des MIV (trotz bzw. wegen verringerter Wegeanzahl des MIV) aufgrund der im Verkehrsmittelvergleich attraktivierten mittleren und längeren Distanzen. Es sei denn es gibt moderierende Variablen, wie z.B. Kostensteigerung (das Gegenteil ist der Fall), Wertewandel (Radfahren ist zwar in, aber es gibt eine unverminderte Orientierung zum Premium SUV, ggf. mit Radheck-Träger), … .
Ist hier vielleicht H.Müller angebracht: „Optimismus ist nur ein Mangel an Information“?
Im Übrigen ist immer zu bedenken, dass Umfragen immer auch ein idealisiertes Selbst abfragen.
Natürlich wollen alle den kleinen Tante Emma Laden nebenan, und natürlich würden alle auch gern dort einkaufen.
Tut nur kaum jemand, ausser mal den – beim Discouter vergessenen – Liter Milch, und deshalb sind diese Läden auch in den meisten Fällen ausgestorben, auch wenn es in einigen (Altersstruktur) Dörfern eine Renaissance der Dorfläden gibt, die oft mit BürgerInnen Engagement betrieben werden.
Das ändert aber nichts am Trend: die Discounter dominieren den Einzelhandel (Premium Nischen ausgenommen), und der Autoverkehr dominiert die Mobilität mit steigender Kilometerleistung.
Die Miv-Verkehrsleistung in D wird weiter ansteigen, und weltweit wird sich der Autoverkehr in den nächsten Jahrzehnten mindestens verdoppeln.
OB Lewe (CDU) aus Münster: ohne den hohen Radverkehrsanteil in der Innenstadt wäre Münster längst nicht mehr mit dem Auto erreichbar.
Recht hat er.
Resultat: DEUTLICH steigender Autoverkehr (Verkehrsleistung) in Münster!
Die Gretchenfrage lautet: wie hältst Du es mit den mittleren Distanzen.
Erst wenn da die Reisezeiten optimiert werden und zugleich der ruhende MIV konsequent domestiziert wird, begibt sich die automobilisierte Gesellschaft vielleicht auf den langen Weg der Genesung.
Naja, ein hoher Radverkehrsanteil und das Umdenken einer Stadtbevölkerung kann dann aber bei der Einführung moderierender Variablen helfen. Wenn dann nur noch MIV von außen die Stadt blockiert, sind diese Variablen leichter durchsetzbar. Denn rechtfertigen muss man sie in erster Linie vor den eigenen BürgerInnen.