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Berichterstattung bleibt autozentriert

Welches Bild zeichnen deutsche Tageszeitungen von urbaner Mobilität? Für eine Studie vom Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) hat ein Team ausgewählte Artikel daraufhin untersucht, wie sie vom jetzigen und künftigen städtischen Verkehr berichten.

Welches Bild zeichnen deutsche Tageszeitungen von urbaner Mobilität? Für eine Studie vom Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) hat ein Team ausgewählte Artikel daraufhin untersucht, wie sie vom jetzigen und künftigen städtischen Verkehr berichten. Selten wird eine Verkehrswende hin zu nachhaltigen Mobilitätsformen skizziert, lautet ein Fazit der Untersuchung. Auch das Thema Klimaschutz findet im Zusammenhang mit Mobilität wenig Raum. Was sich jedoch beständig hält, ist das Bild der autogerechten Stadt.

Das Bild der autogerechten Stadt hält sich in Tageszeitungen beständig.

Zu den Klimaschutzzielen Deutschlands zählt, die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor bis zum Jahr 2030 um bis zu 42 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Der Verkehr verursacht knapp ein Fünftel aller deutschen Treibhausgasemissionen. Rund 95 Prozent der Verkehrsemissionen stammen aus dem Straßenverkehr, der zu 76 Prozent aus privat motorisiertem Individualverkehr besteht. Zwar haben sich die Emissionen auf den zurückgelegten Kilometer gerechnet seit den 1990er-Jahren verringert. Die zurückgelegten Kilometer haben sich seit den 1950er-Jahren in Deutschland allerdings um ein Zehnfaches gestiegen. Dies hebt laut Umweltbundesamt die durch technische Verbesserung erreichten verringerten Werte denn auch wieder auf – bis zur nötigen Treibhausgasreduktion ist es darum noch ein weiter Weg. Nachhaltige Alternativen zur „autogerechten Stadt“ sind aber nicht nur angesichts der Klimakrise nötig: Viele Städte leiden ebenso unter gesundheitsgefährdenden Konzentrationen von Stickoxiden und Feinstaub, zu hohen Lärmpegeln, ständigen Staus und einem Mangel an freien Flächen.

Wie „mobil“ sind Deutschlands große Tageszeitungen?

Doch wie wird beispielsweise in deutschen Medien darüber berichtet? Für die qualitative Analyse „Status Quo statt Verkehrswende“ hat das IASS 75 Artikel aus den sechs auflagenstärksten Tageszeitungen Deutschlands auf die darin vorkommenden Narrative urbaner Mobilität hin untersucht. Die Zeitungen waren BILD, Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Tageszeitung (taz), Die Welt und das Handelsblatt. Daneben wurden von Welt und taz jeweils zusätzlich die Regionalteile analysiert. Das Ganze wurde über ein Jahr lang beobachtet – vom 3. November 2017 bis zum 3. November 2018.

Ein Fazit des IASS: Eine nachhaltige urbane Mobilität wurde nur fragmentarisch thematisiert. Zum motorisierten Individualverkehr, dem Auto, würden kaum Alternativen aufgezeigt. „Überraschend selten war Klimaschutz ein Thema im Zusammenhang mit Mobilität“, sagt Studienautorin Theresa Kallenbach – „in neun von zehn Artikeln kam Klimaschutz gar nicht vor, wenn dann lediglich als Schlagwort und ohne auf konkrete klimapolitische Maßnahmen im Verkehrsbereich einzugehen.“

Eine nachhaltige urbane Mobilität wurde nur fragmentarisch thematisiert. Zum motorisierten Individualverkehr, dem Auto, würden kaum Alternativen aufgezeigt.

Viel berichtet wurde hingegen über die gegenseitigen Verantwortungszuweisungen bezüglich des Diesel-Skandals und über Innovationen, um wirtschaftliche Gewinne zu erzielen oder das Autofahren effizienter zu gestalten. „Das Thema Luftqualität kam im Zusammenhang mit zu hohen Werten der Stickoxide sehr häufig vor, jedoch ging es dabei eher darum, weiter überall Auto fahren zu können und Fahrverbote zu vermeiden oder um technische Details, als um die Gesundheit der Menschen“, konnte Kallenbach feststellen. „Immerhin vereinzelt konnten wir die Forderung nach verbesserten Radwegkonzepten wiederfinden. Interessant war für uns, dass sich hierbei im Mediendiskurs ganz klar das Thema Sicherheit durchgesetzt hat, also etwa die Gefährdung von Radfahrenden durch rechtsabbiegende LKW, und nicht die Aspekte einer gerechten Verteilung des öffentlichen Raums oder der möglichen Reduktion von Treibhausgasen durch eine Förderung des Radverkehrs.“

Wie sich die Debatten im Jahr 2019 entwickeln, könnten Kallenbach zufolge nur spätere Analysen klären: „Möglich wäre etwa, dass Klimaschutz durch die starke Resonanz der Fridays-for-Future-Demonstrationen auch die Debatten über städtische Mobilität stärker prägen wird.“

Die Studie „Status Quo statt Verkehrswende. Narrative urbaner Mobilität in Deutschland.“ mit allen Einzelheiten gibt es hier.

Foto: dd

5 Antworten auf „Berichterstattung bleibt autozentriert“

Schon die Begriffe, die in den Medien verwendet werden, sind zum Teil extrem diskriminierend und ärgerlich.

Selbst ADFC-Sprecher und grüne Verkehrspolitiker sprechen von „Autostraßen“, obwohl die Straßen bekanntlich für alle Verkehrsteilnehmer und die Fahrbahnen für alle Fahrzeuge da sind. Sie ordnen sich durch die eigene Sprachwahl der Autolobby unter.

Auch die grün-nahe und ökologisch orientierte Taz verwendet immer wieder den Begriff Fahrradautobahn statt Fahrradschnellweg. D.h. selbst dedizierte Fahrradinfrastruktur wird sprachlich und gedanklich noch dem Autowahn untergeordnet.

Kommt es zu einem Crash zwischen Auto und Fußgänger/Radfahrer, so hat laut Polizeipressestellen der Autofahrer immer den Fußgänger/Radfahrer „übersehen“ (kann ja jedem mal passieren), während nicht-motorisierte Verkehrsteilnehmer prinzipiell „nicht auf den Verkehr geachtet haben“, also Tölper (jaywalker) sind.

In den USA haben schon einige Medien aufgehört, den verharmlosenden und oft nicht korrekten Begriff „Unfall“ (accident) zu verwenden, sondern schreiben neutraler und korrekter von „Zusammenprall“ (crash, collision). In Deutschland schreiben Polizeipressestellen und Zeitungen leider immer noch „Unfall“. (Der Tagesspiegel in Berlin ist eine positive Ausnahme, dort wurde in letzter Zeit mehrfach das Wort Unfall vermieden.)

Es wundert mich sehr, dass der ADFC (und grüne Verkehrspolitiker) von Autostraßen sprechen. Wenn dann vielleicht unter Betonung, wie ungerecht oder Absurd die Situation ist.

Die Fahrbahn ist eigentlich auch erstmal für alle da. Erst wenn es einen Gehweg existiert, müssen die meisten Fußgänger auf diesem gehen. Wenn der Fußgänger aber einen großen Karren oder anderes zu sperriges Gepäck führt und damit, den Fußgängerweg für andere blockieren würde, muss dieser auf der Fahrbahn gehen. Reiter gehören grundsätzlich auf die Fahrbahn.

Als letztes, traut sich kaum jemand, eine Fahrbahn zu benutzen, auf der mehrere Autos mit großer Geschwindigkeit unterwegs sind. Die Straße mag für Pferde, Fußgänger und Radfahrer freigegeben sein. Wenn es aber irgendwie vermieden werden kann, nehmen diese Verkehrsteilnehmer, eine andere ruhigere Strecke oder verzichten auf die Reise mit dem gewünschten Verkehrsmittel. Dadurch sind diese öffentlichen Straßen, obwohl für alle freigegeben, inoffiziell Autostraßen. Nicht aus rechtlicher Sicht, aber weil sie zu 99,9 % nur von Autos benutzt wird, ist dies aus Gewohnheit, Angst oder andere Gründe, eine Autostraße. Um dies zu betonen, können theoretisch auch der ADFC und grüne Politiker diesen Ausdruck benutzen. Ich wüsste daher gerne, in welchem Kontext der ADFC oder die Grünen, das Wort Autostraße benutzen.

Helfen kann da nur massive Maßnahmen, die die Höchstgeschwindigkeit reduzieren und den Überholabstand unterstützen. Aufklärungskampanien, Kontrollen und entsprechende Strafen wären nötig. Erst dann würde man sich einigermaßen wohl fühlen, wenn Autos in der Nähe sind. Erst danach könnten die öffentlichen Straßen von allen genutzt werden. Und so würde sich das öffentliche Bild, für wen Fahrbahnen gemacht sind, ändern.

@Andreas
Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, in welchem Kontext es war. Nur daran, daß ich mich geärgert habe, daß Straßen, die keine Autostraßen (in Deutschland: Kraftfahrstraßen und Autobahnen) sind, einfach sprachlich den Autofahrern „geschenkt“ wurden. Der ADAC dankt. Richtig wäre es, immer wieder darauf zu insistieren, daß Straßen uns allen gehören, auch Radfahrern, (kreuzenden) Fußgängern usw.

Die Zeitungen sind im Endeffekt nur Handlanger der Autolobby. Es wird ab und an mal was zum Thema „Fahrrad“ in den Zeitungen bedient. Der Grund ist ganz einfach. Es ist gerade schick und Fahrräder verkaufen sich sehr gut – vor allem Elektroräder.
Aber eine langfristige Sache möchte man dann doch lieber nicht. Interessant hier auch die ZEIT. Nachdem Frau Reidl eine Zeit lang eine Art „Rubrik“ hatte, war der Bereich „Fahrrad“ verschwunden. Jetzt schreibt sie wieder als freie Redakteurin: https://www.zeit.de/autoren/R/Andrea_Reidl/index.xml

Das Foto dieses Artikels oben aus Berlin zeigt doch eindeutig wie weit Deutschland im Bereich „Fahrrad“ ist. Es gibt halt kaum ein Industrieland das sich so gegen den Fortschritt entschieden hat wie Deutschland. Das mag daran liegen, dass die Entscheidungsträger aus der Politik ein Durchschnittsalter von 60 Jahren und aufwärts ungefähr haben. Oder daran, dass man alle poliischen Ressorts im Bundestag (außer dem juristischen) mittlerweile fachfremd besetzt hat. Beste Voraussetzung für ein Mißgelingen.

Ich hab auf meinem Blog dazu auch gerade mal geschrieben: https://fahrradstattauto.de/2019/08/12/vergessene-verkehrskonzepte-zurueck-in-die-zukunft/

Nicht nur die Politiker sind m.E. häufig fachfremd und setzen sich nur aufs Rad, wenn irgendwo in eine Kamera gelächelt werden soll.

Ich zweifele auch an der Fachkompetenz der Verwaltungen und auf Eingaben oder Mängelmeldungen wird mit Ignorieren oder Abwimmeln geantwortet.

In meiner Stadt werden neuerdings VZ237/240/241 vor eine Einmündung gesetzt, dass entspricht nicht der Verwaltungsvorschrift zur STVO und bedeutet im Prinzip, dass diejenigen Radfahrer, die aus den Seitenstraßen kommen eben keine Benutzungspflicht hätten, weil das blaue Schild hierfür nicht zu sehen ist. Es gibt noch mehr Dinge, die nicht so ganz den Vorschriften entsprechen, verwirrend oder gefährlich sind.

Und wehe der gemeine sachkundige Bürger begehrt dagegen auf und wagt es den Verwaltungsangestellten zu widersprechen, dann ist man Querulant. Leider sind auch die örtlichen Radverkehrsinteressenvertreter wie ADFC-KV und zwei weitere bei sowas keine guten Ansprechpartner, die Antworten sind sinngemäß „ach lass uns mit so nem Kleinkram in Ruhe und werde lieber zahlendes Mitglied und machs dann selber“.

Was mir dabei immer wieder auffällt ist, dass die Radverkehrsanlagen und deren Beschilderung in jeder Stadt, jedem Landkreis irgendwie anders gestaltet sind, sogar innerhalb von den Städten aufgrund des Alters einfach mal so gelassen werden und damit nicht den aktuellen Regeln und Verwaltungsvorschriften angepasst werden.

Und die Medien, Zeitungen berichten gerne über die tollen Fortschritte bei dem einen oder anderen „Leuchtturm“-Projekt, welches von lokalen Größen angestoßen wurde, aber wehe man bemängelt einen benachbarten Weg, der seit gefühlt 50 Jahren nicht mehr saniert wurde und nur noch aus Matsch- und Schlaglöchern besteht.

Eure Blogs zum Thema find ich Klasse, aber ist nicht mein Ding, wer seine Meinung so öffentlich macht, kriegt sicherich auch mal die eine oder andere unschöne Nachricht oder Email. Weitermachen! ;-)

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