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Osnabrück muss Durchgangsverkehr dulden

Osnabrück darf die Bundesstraße 68 nicht aus der Stadt verlegen. Ein weiteres Beispiel dafür, dass übergeordnete Stellen ihre Entscheidungskompetenzen nicht abgeben wollen und Kommunen dann mit den Folgen leben müssen. Wie schon bei der Frage nach Tempo 30.

Die B68 führt aus Bramsche kommend in südlicher Richtung durch Osnabrück und bildet vom Hasetorwall bis zur „Unfallkreuzung“ Johannistorwall/Kommenderiestraße fast 50 Prozent des Innenstadtrings. Weil eben an genannter Kreuzung in den letzten Jahren mehrere Radfahrer ums Leben gekommen und viele verletzt wurden, wollte die Stadt Osnabrück die Bundesstraße auf die A1 und A30 verlegen lassen, damit sie ein LKW-Durchfahrverbot für die Stadt einführen kann. Es wäre dann „nur“ noch Zielverkehr möglich. Sie hatte dazu bereits 2014 beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur die Umstufung der B68 in Osnabrück beantragt.

Die B68 ist blau markiert mit dem Teil des Innenstadtrings in rot. Die grüne Strecke wäre die jetzige Alternative.
Die B68 ist blau markiert mit dem Teil des Innenstadtrings in rot. Die grüne Strecke wäre die jetzige Alternative.

Diesem Vorhaben hat die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr in Hannover nun aber erneut abgesagt. In einer Ausschussvorlage der Stadt heißt es: „Die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr in Hannover teilt mit Schreiben vom 21. März 2016 mit, dass Sie nach erneuerter Prüfung der Sachlage keine neuen Erkenntnisse erlangt habe und damit von Seiten der Landesbehörde bis zur Neukonzeption des vorhandenen Straßennetzes Netzfall A33 Nord die Angelegenheit ruhen lassen wird.“

Östliche Umfahrung ja, westliche nein

Eine Umleitung über die A33 Nord wäre also machbar. Die wird aber leider nicht vor 2030 fertig sein. Sie wurde noch nicht einmal begonnen zu bauen. Und auch wenn sie im Vordringlichen Bedarf des aktuellen Bundesverkehrswegeplans ist, steht noch nicht fest, ob sie überhaupt kommen wird. Auch ist keine große Zeitersparnis gegenüber der Variante A1/A30 zu erwarten. Die Umfahrung Osnabrücks wäre nahezu gleich.

Natürlich bekäme man damit nicht alle LKW aus der Stadt. Auch wären die Gefahren für den Radverkehr noch lange nicht beseitigt. Hier spielt die Infrastruktur eine viel wesentlichere Rolle. Der Stadt würde weniger LKW-Verkehr aber in jeder Hinsicht guttun. Dass es nicht klappt, ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Land und Bund blockieren, was Kommunen eigentlich besser wissen. Wie schon bei Tempo 30 (Kann auf der Lotter Straße nicht angeordnet werden, weil sie auf dem Papier eine Landesstraße ist, in der Realität aber inzwischen einen völlig anderen Charakter aufweist.) muss es auch hier Kommunen leichter gemacht werden, wichtige Entscheidungen zu treffen.

Oberbürgermeister heuchelt Bedauern

Der Kommentar von Oberbürgermeister Wolfgang Griesert (CDU) dazu ist allerdings ziemlich verlogen: „Ich bedaure diese Vertröstung, da ich nach wie vor der Auffassung bin, dass wir kurzfristig Wege finden müssen, unnötige überörtliche Verkehre, insbesondere LKW-Verkehre und Umleitungsverkehre der Autobahnen, mit Rücksicht auf Fußgänger und Fahrradfahrer in der Stadt zu vermeiden.“ Hier will er also Verkehr vermeiden, während er aber auf Teufel komm raus versucht, die Neumarktsperrung zu verhindern, die den jetzigen Durchgangsverkehr viel deutlicher reduzieren würde. So weit her scheint es bei ihm also nicht mit der Rücksicht auf Fußgänger und Fahrradfahrer in der Stadt!

Die Ausschussvorlage:

Mit Schreiben vom 07. November 2014 wurde beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur die Umstufung der B68 in Osnabrück beantragt. Im Antwortschreiben vom 13. Mai 2015 hat die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr in Hannover der Stadt Osnabrück mitgeteilt, dass als Ergebnis ihrer Prüfung einer Umstufung nicht zugestimmt würde und die Stadt Osnabrück den Antrag auf Umstufung zunächst ruhen lassen solle, bis der Netzfall A33 Nord – d.h., die Anbindung der A33 Nord an die A1 in Wallenhorst – erfolgt sei. Diesem Vorschlag hat die Verwaltung mit Schreiben vom 23. Dezember 2015 widersprochen und um erneute Prüfung gebeten.

Die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr in Hannover teilt mit Schreiben vom 21. März 2016 mit, dass Sie nach erneuerter Prüfung der Sachlage keine neuen Erkenntnisse erlangt habe und damit von Seiten der Landesbehörde bis zur Neukonzeption des vorhandenen Straßennetzes Netzfall A33 Nord die Angelegenheit ruhen lassen wird. Das entsprechende Schreiben ist als Anlage beigefügt. Die im Zusammenhang mit den tödlichen Radfahrunfällen an der Kreuzung Johannistorwall/Kommenderiestraße durch den Oberbürgermeister angeregte Verlegung der Ortsdurchfahrt der B68 ist damit bis auf weiteres nicht möglich.

6 Antworten auf „Osnabrück muss Durchgangsverkehr dulden“

Gibt es denn Zahlen wie viel reiner Durchgangsverkehr ist? Vor Jahren war ich mal in der dortmunder Verwaltung in Zusammenhang mit dem B1-Tunnel in Dortmund und der Mitarbeiter sagte mir, ohne viel Ausfahrten würde der Tunnel keinen Sinn machen, da nur ein sehr kleiner Teil Durchgangsverkehr ist.

Komplizierte Materie.
„Nur nicht an meinem Vorgarten vorbei“ gilt ja nicht nur im innerstädtischen Bereich, sondern oft auch für ganze Städte. Was ist denn wenn die Ortsumgehungen dann fertig sind?
Wir haben jetzt den wärmsten Januar seit Beginn der Wetteraufzeichnungen hinter uns, auch den wärmsten Februar und den wärmsten März.
Wo haben Ortsumgehungen zur notwendigen Reduktion der Verkehrsleistung von MIV bzw. Strassen-Güterverkehr geführt?
In den allermeisten Fällen ist unterm Strich das alte Schema bestätigt worden: mehr Strassen schaffen mehr Verkehr. Auch die ‚Verkehrsberuhigung‘ im umfahrenen Bereich war meist nur temporär, bis am Ende sowohl mehr Fernverkehr stattfand, als auch das alte Sättigungsniveau im Ortskern wieder erreicht wurde.
Die innerörtiche Beruhigung mag ja dann (falls ein LKW-Verbot wirklich durchgezogen wird und so bleiben sollte) für den LKW-Verkehr, oder Teile davon, wirksam sein, und – bei Reisezeit-Neutralität (keine Beschleunigung durch Umgehung) – mag es auch vielleicht sein (?) dass die LKW-Verkehrtsleistung nicht zusätzlich zu den ohnehin prognostizierten Steigerungen forciert gesteigert wird, ABER der Mittel- und Langstrecken MIV wird doch tendenziell recht deutlich attraktiviert.
Ist eine vielleicht stattfindende temporäre Reduktion der Blechkisten in der Stadt es wert, dass unterm Strich dann die Verkehrsleistungen insgesamt durch die Maßnahme noch stärker (gegenüber dem Nullfall) nach oben gehen?
Der genau gegenteilige Weg war oft erfolgreicher:
ersatzose Streichung von Strecken!

Meist blieb das prognostizierte Verkehrschaos aus, die Staulage war ungefähr wie vorher, die Menschen und Güter kamen da an, wo sie vorher auch ankamen, und insgesamt sind die Blechkistenverkehre zum Erstaunen der örtlichen Verkehrsplaner zurückgegangen!
Das Phänomen von reduzierten Autoverkehren bei gesperrten Brücken, gesperrten „wichtigen“ Autobahnen usw. tritt weltweit mit steter Regelmässigkeit auf.
Auch der gegenteilige Effekt tritt weltweit auf: zusätzliche Umfahrungen schaffen zusätzliche Blechkistenverkehre.

Seltsame Ausnahmen in Osnabrück mögen aber vielleicht möglich sein?

In Dortmund soll eine Straße von 4- auf 2-spurig zurück gebaut werden. Übervorsichtig beginnt man erst mit einem Verkehrsversuch trotz kontinuierlicher Berichtersttung über die „ich-weiß-es-besser-als-die-Planer“-Bürger. Leserbrief heute: Meine Tante, die Grundschullehrerin, sagt, dass die Planer vor Weihrauchkerzen saßen. Und wenn die das sagt, kann das alles nichts taugen.“ Für mehre Lebensqualität den Verkehr einschränken, dass ist das politische Ende. Da kommt der Deutsche in Wallungen weil den Heilsversprechungen der Straßenbau- und Autolobby verfallen ist und mit Straßen Freiheit asoziert, die Unfreiheit des Autofahrens nicht erkennt. Das wird in der Bundespräsidentenstadt genau so sein. Planer haben da nur eine Chance, wenn sie den Rückbau als Kukuksei verpacken z. B. irgendeine Baumaßnahme wie eine Brückensanierung. Wenn die ein paar Jahre dauert, will keiner mehr den Verkehr zurück.

Ich kann mich nur Alfons Krückmann anschließen. Merkwürdigerweise beklatscht Daniel die Neumarktsperrung, die ich im Übrigen auch befürworte, bleibt dagegen im Garten, sprich in den Stadtgrenzen, wenn es um den Straßen außerhalb der Stadt geht:
„Eine Umleitung über die A33 Nord wäre also machbar. Die wird aber leider nicht vor 2030 fertig sein.“
Leider? Was ist mit Natur und Menschen, die dort betroffen sind? Neumarkt zu, A33-Nord auf? Nein, A33-Nord gar nicht erst bauen! Auch hier möchten die Menschen nicht durch Verkahr und dessen Emissionen belastet werden. Den Menschen in Osnabrück selbst wird die dadurch erhoffte Entlastung langfristig ebenfalls nichts bringen.
Man vergleiche nur mal Ferienzeiten und Schulzeiten in der Stadt. Ist in ersteren einigermaßen angenehmes Radfahren durch die Stadt möglich, ändert sich das schlagartig mit Schulbeginn. Ein Beispiel: Selbst die sogenannte „Fahrradstraße“ Wörthstraße ist dann mit Staus gesegnet. Als Radfahrer bleiben einem gerade mal 0,50 bis 0,75 Meter, um sich zwischen parkenden und stehenden Blechkisten hindurch zu balancieren.
Folglich ist der Verkehr in der Stadt hausgemacht, wird nicht vom Durchgangsverkehr generiert. Es geht letztlich darum, die Verkehrssituation nicht ständig durch neue Straßen zu verbessern, damit nicht noch mehr Blechlawinen, ruhende wie fahrende, produziert werden. Im Gegenteil: Autofahren in der Stadt sollte zunehmend weniger attraktiv werden.
Aber vielleicht geht es ja auch nur darum, fünf Minuten schneller von Porta in Wallenhorst zum Mediamarkt in Belm zu kommen, von einem Schnäppchen zum anderen. Sprit kostet ja nichts, und Schäden richtet er ja schon mal gar nicht an, oder?

Das war dann missverständlich. Ich bin auch absolut gegen die A33 Nord. Ich wollte damit nur die Absurdität der Begründung klar machen, dass die östliche Umfahrung zumutbar wäre, die westliche aber nicht. Dass die A33 Nord objektiv unnötig ist, kann man eigentlich nicht bezweifeln.

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