Am vergangenen Dienstag hat der EU-Verkehrsausschuss weitreichende Empfehlungen zum Ausbau des Radverkehrs beschlossen. Er fordert die EU-Kommission auf, durch eine Europäische Radverkehrsstrategie und erhebliche Investitionen in geschützte Radwege bis 2030 die Zahl der mit dem Rad zurückgelegten Kilometer EU-weit zu verdoppeln. Das Fahrrad müsse als vollwertiges Verkehrsmittel anerkannt und gefördert werden, um die Ziele des Green New Deal zu erreichen, so der Ausschuss.
Die ADFC-Bundesvorsitzende Rebecca Peters begrüßt die Empfehlungen und kommentiert: „Der EU-Verkehrsausschuss bestätigt das, was der ADFC auf nationaler Ebene seit Jahren vertritt: Es gibt keinen klimafreundlichen Verkehr, es gibt keine nachhaltige Wirtschaft ohne das Fahrrad. Deutschland muss Fahrradland mit 30 Prozent Radverkehrsanteil werden und dafür kürzere Autofahrten im großen Stil auf das Fahrrad verlagern. Und Europa muss Fahrrad-Kontinent werden und dafür in sichere Radwege, gute Fahrradparkhäuser, bessere Fahrradmitnahme in Bahnen und leicht verfügbare Leihräder investieren. Im Sommer haben wir bei der Welt-Fahrradkonferenz Velo-city die ganze Welt zu Gast in Leipzig. Dann werden wir Bundesverkehrsminister Wissing daran erinnern, dass nicht nur in Deutschland, sondern auch auf europäischer Ebene der Druck wächst, das Fahrrad als Verkehrsmittel endlich ernst zu nehmen.“
Die EU will also bis 2030 eine Fahrradstrategie vorlegen, die best practice aus den Mitgliedstaaten zu Leitempfehlungen zusammenfasst. Ganz ehrlich, was soll das bringen? Wir warten weitere sieben Jahre auf Empfehlungen, die sich dann sowieso niemand anschaut, weil sie zu nichts verpflichten? Die Idee des EU-Verkehrsausschusses ist zwar nett. Aber mangels Verbindlichkeit ist das leider reine Schaufensterpolitik. Die Mitgliedstaaten könnten auch heute schon alles machen. Strategien, Empfehlungen und Konzepte gibt es genug. Und abgucken von Dänemark und Holland wäre auch jetzt schon kein Problem.
Unsere Städte sind weiterhin Autostädte, weil es bundespolitisch so gewollt ist, nicht weil es an Ideen fehlt. Und solange die Bundesregierung nicht das Straßenverkehrsgesetz ändert und Städten und Gemeinden mehr Entscheidungsfreiheit gibt, wird sich daran auch nichts Entscheidendes ändern. Da kann die EU Empfehlungen noch und nöcher abgeben…
4 Antworten auf „Keine Zeit für Schaufensterpolitik“
Amen.
Es scheitert ja deutschlandweit nahezu überall schon an einem flächendeckenden ERA-Standard, und die ist ja wenigstens so halb verpflichtend… außer natürlich, man müsste dafür den MIV einengen.
Länder wie Spanien oder Italien sind von einer Verkehrswende noch viel weiter entfernt als wir. Diese Sonntagssprüche kann sich der Verkehrsausschuss wirklich sparen.
Was für ein Irrsinn!
Der EU-Verkehrsausschuss nimmt (immerhin) die Fahrkilometer ins Visier, was ja schonmal einen kleinen Fortschritt gegenüber dem üblichen Gerede vom ‚Radverkehrsanteil‘ (Einwohner-Wege-modal-Split) darstellt, und promt kommt das ZK des Bundes-ADFC bzw. die ADFC PR-Abteilung daher und bringt die klimafeindliche Position von „Rad ist für Kurzstreckenverlagerung“ wieder ins Rennen.
Kein Wunder, dass der Bundes ADFC weit offene Türen längst auch bei der Autoindustrie, den automobil orientierten Mitte-Parteien und sonstigem umweltfeindlichem ‚Gesocks‘ vorfindet.
Stattdessen bräuchten wir eine klare, stabile und wissenschaftlich fundierte Ausrichtung auf eine wirksame Reduktion von CO2-Emissionen, also Reduktion von Autodichte und vor allem endlich eine sehr deutliche Reduktion der Fahrleistung des MIV.
Die berühmten vom Bundes-ADFC wieder und wieder als Zielsetzung propagierten Kurzstreckenverlagerungen im städtischen Raum dagegen (s.a.: Flächeneffizienz des Radverkehrs) reduzieren vor allem – autogerecht – die Schnittstellenstaus, erweitern damit den Erreichbarkeitsradius des MIV und erhöhen so (Backfireeffekt) den CO2 Ausstoß des Verkehrssektors eher, als dass dieser damit gesenkt werden könnte.
Das ist ja alles nicht neu, sondern seit Jahren als Implikation von ‚induziertem Verkehr‘ gut erforscht.
Die ernüchternden Zahlen aus NL und CPH belegen das zudem seit etlichen Jahren eindrucksvoll.
Würde die vom Bundes-ADFC propagierte Ausrichtung positive Effekte haben, dann müsste sich das längst in den MIV-Zahlen (Dichte und Fahrleistungen) aus NL und CPH gezeigt haben, also zu sinkendem MIV geführt haben.
Das Gegenteil ist bekanntlich der Fall.
Sowas macht halt allenfalls in rural-areas einen – wenn auch recht kleinen – positiven Effekt, da Rebounds dort nicht zu befürchten sind.
Das Hauptproblem besteht aber doch nicht im Kuhdorf zu Kuhdorf Verkehr, sondern längst in den Metropolregionen und der dort ansteigenden Neo-Suburbanisierung mit immer mehr Stadt-Umland-MIV des Berufs- und Freizeitverkehrs.
Wann hört der Bundes-ADFC endlich auf diese wissenschaftsfeindliche Desinformation bzw. Desorientierung zu verbreiten und berücksichtigt die sehr zeitkritischen globalen ‚Megaprobleme‘ Klimaschutz und Ökologie in angemessenem Umfang?
Passend dazu:
ADFC stellt sich im Rahmen der Bundestagsdebatte voll hinter das verkehrspolitische Programm der klima- und verkehrspolitischen Totalversager CSU/CDU bzw. hinter deren Forderungen:
https://www.adfc.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/fahrrad-debatte-im-bundestag-cdu-fordert-dass-deutschland-fahrradland-wird