Auf den Tag genau drei Monate hat es gedauert, bis die CDU Osnabrück verdrängt hat, dass sie die Ziele des Radentscheides Anfang Juli unterstützt und einem entsprechenden Antrag zugestimmt hat. Oder ist es spontaner Gedächtnisverlust, der mit der Landtagswahl am kommenden Sonntag zu tun hat, für die man noch schnell ein paar (Anwohner-) Stimmen einfangen will?

Die Ellerstraße in der Dodesheide muss dringend saniert werden und die Verwaltung möchte das zum Anlass nehmen, den radverkehrstechnisch schlechten Zustand zu verbessern. Laut Radentscheid muss sie das ja auch. Also sollen, wo sich heute auf der einen Seite noch ein für den Radverkehr freigegebener Gehweg und auf der anderen Seite ein sogenannter Schutzstreifen befinden, weitestgehend zwei Meter breite Radwege entstehen. Natürlich gibt es von Anwohner*innen Protest dagegen. Veränderungen bedeuten heutzutage immer Protest. Im Kern geht es wohl um Straßenausbaubeiträge und vor allem um den Wegfall eines Parkstreifens.

Ein Argument der CDU: Bei wegfallendem Parkstreifen würden Fahrbahnparker den ÖPNV ausbremsen. Tun sie aber auch heute schon…

Die Bürgerinitiative schreibt in einer Stellungnahme, dass die Wegnahme des Parkstreifens unzulässig sei, „da so die Nutzungsansprüche des motorisierten Individualverkehrs und der Anwohner nicht mehr angemessen berücksichtigt werden und erforderliche Parkflächen verloren gehen“. Da ist es wieder, das vermeintliche Grundrecht auf kostenlose Parkplätze. Passt der Zweit- oder Drittwagen nicht mehr aufs eigene Grundstück oder ist einem der Vorgarten zu schade fürs Abstellen eines Autos (was ich sehr gut verstehen könnte, aber das muss man sich halt vorher überlegen), hat die Allgemeinheit also für Parkraum zu sorgen. Und Fußgängerinnen und Radfahrer teilen sich dafür bitte den Platz der übrig bleibt.

Wirklich erstaunlich ist, wie der CDU-Fraktionsvorsitzende hier trotz eigener Unterstützung des Radentscheides mit einstimmt: „Die überdimensionierte Straßenplanung für die Ellerstraße passt nicht mehr in die neue Zeit. (…) Parkplätze komplett beseitigen und Fahrradwege, die gegenüber den heutigen sehr viel Geld kosten: all das führt zu massiven Anliegergebühren und deutlich höheren Kosten für die Stadt.“ Seine Stellvertreterin und Landtagsabgeordnete – auch sie hat dem Radentscheid und seinen Zielen zugestimmt – pflichtet ihm bei: „Es ist eine völlig weltfremde Planung, einer ganzen Straße alle Parkplätze wegzunehmen!“

Da ist man erst mal sprachlos. Natürlich kosten die Radwege mehr als die bisherigen. Denn bisher gibt es ja nicht mal welche. Ein für den Radverkehr freigegebener Gehweg und ein bisschen Farbe auf der Fahrbahn sind alles, aber keine Fahrradwege. Das sind nachträglich hingemogelte Alibis, weil man den Radverkehr bei der vergangenen Straßenplanung einfach ignoriert hat. Und die Begriffe „überdimensioniert“ und „weltfremd“ in Bezug auf zwei Radwege mit einer Breite von zwei Metern zeigen die komplette Abneigung der CDU gegenüber dem Radverkehr.

Weiter heißt es von der CDU: „Auch die Fahrradfahrer seien auf der Ellerstraße in einer guten Situation. Auf der einen Straßenseite teilten sich Fußgänger und Radfahrer ohne Probleme einen gemeinsamen Weg. Auf der anderen Straßenseite gebe es einen Fahrradweg, der von der Straße mit Markierungen abgetrennt sei, genauso wie an der gerade fertiggestellten Knollstraße.“

Bei aller Liebe: Wie soll man auf diesem Gehweg zügig und sicher Fahrrad fahren? Der ohnehin begrenzte Platz wird auch noch von Pollern weiter eingeschränkt, weil sonst offenbar auch noch Falschparker drauf stehen…

Die CDU hält einen Schutzstreifen, das meint sie mit „Fahrradweg, der von der Straße mit Markierungen abgetrennt sei“, also für gut. Das ist eine radverkehrspolitische Bankrotterklärung. Und wer sich an der einen Stelle (zurecht) über Konflikte zwischen Fußgänern und Radfahrerinnen aufregt, befürwortet an der anderen Stelle einen für den Radverkehr freigegebenen Gehweg. Auf dem auch noch Laternen und Bushaltestellen stehen. Das passt nicht zusammen. Genauso wenig wie im Übrigen auch die Argumentation der Bürgerinitiative an dieser Stelle. Zum Überholen würden Radfahrer den neuen 2 Meter breiten Radweg verlassen und den Gehweg (2 Meter) befahren, was zu Konflikten führen würde. Die es auf dem aktuellen und wohlgemerkt schmaleren freigegebenen Gehweg (3 Meter) aber nicht gibt?

Laut CDU teilen sich Fußgänger und Radfahrer (und offenbar auch ÖPNV-Nutzer) hier problemlos den Gehweg.

Natürlich kommen auch wieder Bäume ins Spiel. Denn davon müssten welche gefällt werden. Und das ist in der Tat keine einfache Abwägung. Da gibt es keinen Königsweg. Für die CDU dürfe das „bei der Planung von Fahrradwegen nur im größten Ausnahmefall geschehen, wenn es keine Alternative gibt“. Geht es um den Radverkehr findet die CDU aber immer eine Alternative. In diesem Fall heißt sie Farbe. Aber Farbe ist keine Infrastruktur!

Die CDU meint es also nicht ernst mit den Zielen des Radentscheids. Die Verwaltung schon, das zeigen die Empfehlungen für den Umbau der Straße. Bleibt abzuwarten, wie sich die Ratsmehrheit von Grünen, SPD und Volt entscheidet. Der Umbau der Ellerstraße ist also auch ein erster interessanter Stimmungstest für den Radetnscheid.

Update 8. Oktober

Jetzt schießt die CDU wirklich den Vogel ab. Obwohl auch sie im Stadtentwicklungsausschuss dafür gestimmt hat, mit dem Planungsvorschlag der Verwaltung in die Anliegerbeteiligung zu gehen, fordert sie jetzt in einem Antrag, dass „Parkplätze für Unternehmen und private Haushalte vorgehalten werden- z.B. in Form von Parkstreifen“. Warum, frage ich mich, soll der Radverkehr auf sichere Wege verzichten, damit Privatmenschen ihr Privateigentum kostenlos im öffentlichen Raum abstellen können?

Und dann frage ich mich noch, ob die CDU überhaupt mal vor Ort war. Weiter fordert sie nämlich, dass „bergaufwärts sich auch weiterhin Radfahrer und Fußgänger den Weg teilen“. Das tun sie aber nicht mal heute. Bergaufwärts, also stadtauswärts, gibt es einen Radfahrstreifen. Stadteinwärts gibt es einen freigegebenen Gehweg. Die Begründung des Antrages zeigt dann, dass der CDU der Radverkehr offenbar wirklich egal ist: „Die Sanierung der Ellerstraße ist zweifelsohne notwendig. Nicht notwendig sind allerdings die vielen Maßnahmen, die der Straße ein ganz neues Gesicht geben sollen und die Anwohnerinnen und Anwohner unnötig belasten.“

„Die Bienen brauchen die Bäume“ steht auf einem Schild vor zwei komplett versiegelten Grundstücksfronten, wo die Bienen nichts mehr finden.