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Verkehrsgerichtstag mit 7 Empfehlungen für sicheren Radverkehr

Der 60. Deutsche Verkehrsgerichtstag hat sich in dieser Woche mit der Sicherheit des Radverkehrs beschäftigt. Herausgekommen sind sieben Empfehlungen.

Der 60. Deutsche Verkehrsgerichtstag hat sich in dieser Woche mit der Sicherheit des Radverkehrs beschäftigt. Politisch scheint mehr Radverkehr auf allen Ebenen erwünscht und mithin klar formuliertes Ziel zu sein. Bei der Umsetzung kommt aber kaum eine Kommune entscheidend voran. Und immer noch verunfallen viel zu viele Radfahrerinnen und Radfahrer – zuletzt auch wieder mit mehr Todesopfern.

Der Arbeitskreis „Mehr Radverkehr mit mehr Verkehrssicherheit – Wie schaffen wir das?“ hat nun sieben Empfehlungen erarbeitet und veröffentlicht:

  1. Eine Verbesserung der Sicherheit des Radverkehrs bedingt zwingend eine neue Aufteilung des Verkehrsraumes, unter anderem zugunsten des Fahrrades, und die Schaffung durchgängig sicher befahrbarer Radnetze.
  2. Der Arbeitskreis erwartet, dass die vorhandenen Regelwerke zur Planung und zum Bau von Radverkehrsanlagen als Mindeststandard verbindlich umgesetzt werden. Die Bundesländer werden aufgefordert, eine wirksame Qualitätskontrolle auch hinsichtlich der fehlerverzeihenden und intuitiv nutzbaren Infrastruktur zu entwickeln und zu implementieren. Dies gilt sowohl für den Neubau als auch den Bestand.
  3. Um mehr Spielraum für die Kommunen zu schaffen, wird dem Gesetzgeber empfohlen, die Ziele des StVG und den § 45 Abs. 9 StVO so zu verändern, dass präventive sowie proaktive Maßnahmen und Gestaltungen leichter möglich werden.
  4. Zur Unterbindung sicherheitsgefährdenden Verhaltens sowohl im ruhenden als auch im fließenden Verkehr müssen die personellen Kapazitäten von Ordnungsbehörden und Polizei aufgestockt und die entsprechenden Aktivitäten intensiviert und koordiniert werden. In diesem Zusammenhang beklagt der Arbeitskreis, dass die Empfehlung des VGT von 2017 zu Fahrradstaffeln bisher nur unzureichend umgesetzt wurde.
  5. Mehr Verkehrsausbildung und Fahrsicherheitstrainings sind anzubieten. Bei Kindern und Jugendlichen sollte dies auch durch die verstärkte Integration in die Lehrpläne erfolgen. Insbesondere bei Nutzenden von Pedelecs ist vor allem der Handel aufgefordert, zur Teilnahme an Trainings und zum Tragen von Helmen zu motivieren. Zusätzlich werden Bund, Länder und Kommunen aufgefordert, nachhaltige Kommunikationskonzepte und Maßnahmen für alle Verkehrsteilnehmenden entwickeln zu lassen, um das StVO-Gebot zur ständigen Vorsicht und gegenseitigen Rücksicht als tragende Säule der Verkehrssicherheit deutlich mehr ins Bewusstsein zu rücken.
  6. Der Arbeitskreis stellt fest, dass das Radfahren unter Alkoholeinfluss eine nennenswerte Unfallursache darstellt. Der Bundesgesetzgeber wird erneut aufgefordert, hierfür einen Ordnungswidrigkeitentatbestand einzuführen.
  7. Der Arbeitskreis fordert den Gesetzgeber auf, für die rechtliche Zuordnung als Fahrrad Maße und Gewichte insbesondere von Pedelecs, Lastenrädern und Gespannen zu begrenzen.

Wichtigstes und stärkstes Signal ist sicher die Forderung nach einer Neuverteilung des Verkehrsraumes zugunsten des Fahrrads. Es muss endlich Schluss sein mit handtuchschmalen Radfahrstreifen an vielbefahrenen, oft mehrspurigen Straßen. Hier muss das Auto Platz abgeben – sei es in Form von Fahrspuren oder Parkstreifen. Ebenfalls enorm wichtig ist die Forderung nach einer Änderung des Straßenverkehrsgesetzes, damit Kommunen den Radverkehr proaktiv sicherer machen können und nicht erst dann, wenn so viele Menschen verletzt oder getötet wurden, dass ein Unfallschwerpunkt nicht mehr zu leugnen ist.

Interessant finde ich auch, dass sich der Verkehrsgerichtstag an Ordnungsbehörden und Polizei wendet und konsequenteres Handeln gegen Falschparker und Raser fordert. Noch immer werden Falschparker viel zu selten sanktioniert. Und in Osnabrück in der Regel auch nur mittels Strafzettel. Die Verkehrsgefährdung wird dadurch aber nicht beseitigt. Erst durch ein Abschleppen wird die Ordnungsbehörde ihrer Verantwortung gerecht.

Bemerkenswert ist auch, dass erneut keine Helmpflicht gefordert, sondern das Tragen von Fahrradhelmen empfohlen wird. Das Thema müsste eigentlich längst abgeräumt sein, wird aber vor allem in der Sommerpause immer wieder gerne, wie zuletzt vom NDR, aufgewärmt. Was aus diesen Empfehlungen folgt, bleibt abzuwarten. Es ist aber gut, dass sich die Stimmen mehren, die mehr Platz für das Rad fordern.

12 Antworten auf „Verkehrsgerichtstag mit 7 Empfehlungen für sicheren Radverkehr“

Punkt 7 ist viel zu allgemein und im Zweifel gefährlich. Die bestehenden Regeln der StVZO sind besonders auf die Anhängerbreite nicht mehr Zeitgemäß. Eine weitergehende Beschränkung wäre für die Logistik grauenvoll. Aus dem Punkt spricht Unerfahrenheit.

Ich fass mal zusammen:
– ein weiterer Schritt (Salamitaktik) Richtung Helmpflicht
– Verhinderung von ‚Fahrrad als Auto-Ersatz‘ durch Beschränkung von Gewicht und Größe (wohl auch, damit die Radwegebenutzungspflicht nicht durch großvolumigere Fahrräder de facto ausgehebelt werden kann. Baumarkttransporte mit Großhänger oder 2 Hängern hintereinander sind damit auch aus dem Rennen, so dass die Vorhaltenotwendigkeit von Blechkisten verstärkt wird (Absatzkrise der Autoindustrie ‚beheben‘ …)
– Verstärkte Reglementierung und Deattraktivierung durch Absenkung des zulässigen Alkoholpegels (Gruß an Uber, das Taxi-Gewerbe und die kommenden ‚mobility as a service‘ Angebote der Autohersteller)
– Kinder schon früh darauf drillen das „Radwegenetz“ nicht zu verlassen und nie ohne hässliche Warnwesten und Styroporhüte aufs Rad zu steigen, damit der Übergang zum ‚Autoalter‘ ab 18Jahren attraktiv bleibt
– Mehr Fahrradstaffeln zur Kontrolle dieser Horden von undisziplinierten KampfradlerInnen
– Benutzungspflichtige Radwege auch dort (ohne Widerspruchsmöglichkeit!) ermöglichen, wo sie die Sicherheit nicht erhöhen, sondern erniedrigen und diverse Schikanen für den Radverkehr bringen, sowie natürlich überall dort wo Fahrräder auf der regulären Fahrbahn das weitere Wachstum des Autoverkehrs stören
– Aufbau separierter geschlossener Radnetze, um das Sicherheitsniveau auf niederländisches Niveau zu senken (also Todesrisiko um ungefähr den Faktor 1,5 erhöhen)

Insgesamt ein vielversprechendes Paket um die ’sytemrelevante‘ Autoindustrie mit nochmals erhöhten Stückverkäufen sicher über die Antriebswende zu bringen.

„ – Aufbau separierter geschlossener Radnetze, um das Sicherheitsniveau auf niederländisches Niveau zu senken (also Todesrisiko um ungefähr den Faktor 1,5 erhöhen)“

Die vergleichsweise hohe Zahl an tödlichen Unfällen von Fahrradfahrenden in NL ist aus meiner Sicht kein Argument gegen separierte Radwege. Erstens weil die meisten tödlichen Unfällen an Knotenpunkten auftreten, d. h. man kann etwas dagegen tun, indem man die betroffenen Knotenpunkte entschärft. Und zweitens gibt es in DK auch separierte Radweg, und dort ist die Zahl der tödlichen Unfälle deutlich niedriger als in NL.

Aus meiner Sicht kann eine Verkehrswende hin zum Fahrrad nur mit einer hohen Zahl von separierten Radwegen gelingen. Der Umsteiger vom Auto aufs Fahrrad fühlt sich nicht wohl, wenn er/sie auf die Fahrbahn mit schnellfahrenden Autos gezwungen wird. Dort wo keine separaten und baulich getrennten Radweg möglich sind muss die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h reduziert werden.

„Aus meiner Sicht kann eine Verkehrswende hin zum Fahrrad nur mit einer hohen Zahl von separierten Radwegen gelingen.“

Das ist nachweislich falsch, sie kann nur gelingen, wenn Straßenverkehr nicht mehr unter dem Primat des MIV stattfindet.
Dem MIV müssen direkte Verbindung entzogen werden, die auf KFZ -Verkehr (Zeit-) optimierten Wegebeziehungen müssen überdacht werden.

Das Topkriterium für die Wahl des Verkehrsmittels ist die Reisezeit alles andere (gefühlte Sicherheit, schöne Verbindungen) spielt eine untergeordnete Rolle.

Der Aufbau eines separierten Radweg-Netzes beschleunigt den MIV („anti-Stauprogramm“) und verlangsamt den Radverkehr (untergeordnete Vorfahrtsregelung, schlechtere Oberflächen, Umwegigkeit, geringer Wegbreite, fehlende Markierungen, etc etc).

Die (noch) allseits geforderte „Rad Infra“ bewirkt vor allem eines: Mehr MIV.
Man kann das schön rechnen, indem man Modal Split auf der Kurzstrecke als Maß nimmt („xy% aller Wege) aber die Verkehrsleistung einzelner Verkehrsmittel bildet der nicht ab.

Die Reduktion des motorisierten Individualverkehrd ist der einzige Maßstab für den Erfolg jedweder Rdverkehrsförderung.

@Götz Lipphardt: Die wirksamste Maßnahme zur Erhöhung der Sicherheit an Knotenpunkten dürfte der Rückbau von Ra(n)dverkehrsanlagen sein. Nach dieser schwedischen Studie ist das Unfallrisiko auf rechtsseitigen Radwegen auf das 3,4fache und auf linksseitigen auf das 11,9fache erhöht, wenn man eine Kreuzung auf dem Radweg statt auf der Fahrbahn quert: https://de.wikipedia.org/wiki/Radverkehrsanlage#/media/Datei:Rw-risiko.png

Zu Dänemark: ist denn das ganze Land ebenso wie die Niederlande verradwegt? Ich lese bezüglich Dänemark immer nur von Kopenhagen mit seinen knapp 650 k Einwohnern.

Eine fortschreitende Ghettoisierung und Verdrängung des Radverkehrs von der Fahrbahn ist keine „Wende“, sondern ein „Weiter so!“.

Die Forderung Radverkehrsanlagen zurück zu bauen,würde zur einer Abnahme des Radverkehrs führen!Im Mischverkehr werden dann nur noch hartgesottene Männer auftreten u. demzufolge natürlich die Unfallstatistik nach unten drücken!Ebenso könnte man Autos generell abschaffen!Beides ist unrealistisch!Meine Erfahrung in den Niederlanden sind überwiegend positiv! Ich bin nicht bereit für eine durchaus gewünschte transformation mich den Autos zum Fraß anzubieten!

Aus meiner Sicht gibt es in der Frage seperater Radwege kein Schwarz oder Weiß. Ich würde daher auch nicht von nachweislich falsch sprechen, sondern von kommt darauf an.
Das Gelingen der Verkehrswende erfordert die Reduzierung bzw. Eindämmung des MIV. Das Auto muss Flächen abgeben, v. a. in den Städten, sowohl im bewegten als auch im ruhenden Verkehr. Ersatz der Antriebsart alleine ist keine Verkehrswende.
Es ist aber unrealistisch zu glauben – und auch nicht sinnvoll – dass das Auto komplett verschwindet.
Wollen wir mehr Menschen für das Fahrrad gewinnen, dann brauchen wir attraktive Angebote. Dazu zählt aus meiner Sicht eine Reduzierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit genauso wie separierte Radwege und vernünftige Designs z. B. an Kreuzungen. Es kommt eben immer darauf an, was im Einzelfall sinnvoll ist. In Nebenstraßen mit Tempo 30 braucht man keinen separaten Radweg, v. a. wenn der ruhende Verkehr weg ist. An der Durchgangsstraße oder an der Landstraße sind separate Radwege dagegen sinnvoll. Ein besonderes Augenmerk sollte immer den Schnitt- und Begegnungspunkten gewidmet werden: Kreuzungen, Ausfahrten, Kreisel etc.
Ich persönlich bewege mich v. a. im städtischen Umfeld im Ruhrgebiet und versuche wo immer möglich dort zu fahren, wo möglichst kein oder wenig Autoverkehr ist. Nicht weil ich Angst haber, sondern weil es einfach angenehmer ist. Viele Menschen haben aber tatsächlich Angst mit dem Rad im Straßenverkehr. Deren Sorgen sollten wir ernst nehmen und aufgreifen.

Punkt 6:
irgendwie haben die „Experten“ keine Ahnung, die Promillegrenze liegt bei Radfahrern bei 1,6 Promille, ab da wird Radfahren unter Alkoholeinfluss zur Straftat.
Das der Wert so hoch ist, wundert mich auch etwas, aber selbst bei 0,3 Promille und auffälliger Fahrweise oder wenn man einen Unfall verursacht hat, gibts ne Strafanzeige.
Quelle:https://www.bussgeldkatalog.de/promillegrenze-fahrrad/

Und das nicht erst seit gestern, sondern auch schon in den 1990ern – Eigene Erfahrung ;o)

Punkt 7:
Damit werden wieder individuelle Fahrräder und Eigenbauten unterbunden. Die Regulierungswut und Erfüllung von Normen können sich nur Hersteller und Konzerne leisten. Und konztrollieren tuts hinterher eh keiner.
Laut Tamtam in der Zeitung wegen Fahrradstaffel und Kontrollen machen die hier, nur sehen tut man die radelnden Beamten schon seit bald einem Jahr nicht mehr. angebliche „Großkontolle“ mit zig Fahrradstaffel-Beamten aus ganz Deutschland, welche zu einem Seminar hier waren, gesehen hab ich keinen einzigen in echt, nur auf nem Zeitungsfoto Grinsebacke machen.
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Ach, die Helmpflicht, da fällt mir ne S-Pedelec-Fahrerin ein (Versicherungskennzeichen am Rad), welche ohne Helm auf nem Freizeitweg mit VZ 240 fuhr. Schon irgendwie lustig zu beobachten, unsere ganzen tollen „Radfahrer“, die sich dankd Hilfsmotor für was besseres halten, aber die Regeln nicht beherrschen oder bewusst ignorieren. Zeigt eigentlich auch nur, dass hier deutlich mehr kontrolliert werden muss. Auch der Zustand so mancher Pedelecs lässt mittlerweile zu wünschen übrig.
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Keine Ahnung, was die „Experten“ beim Verkehrsgerichtstag geritten hat, aber die haben schon oft versagt und alles nur noch schlimmer gemacht. Weniger ist mehr! Wenn ich mir den ganzen bunten Schilderwald, die aufgemalten Radwege und Ausnahmeregeln so ansehe wird, ist doch logisch, dass man mehr verwirrt wird, als wenn man wenige klare eindeutige Regeln hat.
Ich wette die „Experten“ sind mit dem Auto nach Goslar gefahren und haben diese enge „Kleinstadt“ mit wenigen Radwegen aber viel Tourismusverkehr gesehen und beurteilt. Das benachbarte Bad Harzburg ist für Radfahrer auch nur wenig attraktiv, sondern ein unübersictliches verkehrshindernis, mal Fußgängerzone, mal Einbahnstraße ohne Freigabe, die B4 geht im Ort zunächst auf eine Kraftfahrtstraße und dann zur Autobahn über, sehr hohe Bordsteinkanten, keine Radwege an der vierspurigen Bundesstraße durch den Harz.

Einfach nächstes Mal auch hinfahren, selber möglichst früh eigene Forderungen aufstellen, den aufmerksamkeissüchtigen Storck ignorieren … Absurd, wie da vor Ort gearbeitet wurde.

Herr Storck ist doch Lobbyist vom Verband der Zweiradindustrie, da ist doch klar wo die wahren Interessen liegen, nämlich die Umsatz- und Verkaufszahlen! Davor war er noch Bundesgeschäftsführer des ADFC… naja, das hat etwas Geschmäckle.

Ich kenne genug Leute, die Ihren Fahrradanhänger und Lastenräder selbst bauen, teilweise hat man das schon vor 40-60-80 Jahren vom Schlosser in der Werkstatt aus Stahlrohr dengeln lassen. Heute soll das Hexenwerk sein und wird Normen unterzogen? Warum eigentlich?
Ich hab nen kommerziellen Anhänger (Kugelkopfkupplung oben an Sattelstütze) mit GS-Zeichen und das Ding kippt egal ob beladen oder unbeladen ab ca 15km/h aus der Kurve oder an Schrägen. Damit kann man nur vorsichtig fahren.
Dann hab ich nen umgebauten Kinderanhänger, mit dem erreiche ich auch problemlos 30 km/h und hab schon Kühlschränke, alte CRT-Fernseher damit gezogen. Ich pfeife auf derartige Normen, GS-Zeichen und andere gekaufte „Qualitäts“- und „Prüfsiegel“.

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