Nachdem sich der ADFC schon gestern zum Koalitionsvertrag geäußert hat, folgt heute der VCD. Er betrachtet das Verhandlungsergebnis der Ampelparteien als nicht ausreichend für eine sozial-ökologische Verkehrswende. Es würden zwar viele richtige Ziele genannt, aber das Instrumentarium zur Erreichung dieser Ziele sei viel zu vage.
Prof. Dr. Stefan Bajohr, VCD Bundesvorsitzender: „Das Instrumentarium, auf das sich die drei Parteien bei der Mobilität verständigt haben, trägt kaum dazu bei, das Klimaziel von Paris zu erreichen. Ohne Tempolimits, ohne ein klares Aus für Straßenneubau und Verbrenner, ohne absoluten Vorrang für den Umweltverbund aus Bahn, Bus, Rad und Fußgänger*innen scheitert die Verkehrswende. Der neue Verkehrsminister muss mehr tun, als Absichtserklärungen zu verwalten.“
In Bezug auf den Radverkehr begrüßt der VCD zwar Ansätze wie die Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans und eine Verstetigung der finanziellen Mittel bis 2030. Er vermisst aber konkrete Ziele zur Größenordnung. Immerhin liefere der Entwurf erstmalig ein ein klares Bekenntnis für den Fußverkehr, der mit einer eigenen Strategie unterstützt werden soll.
Ein #Verkehrswende-Ministerium wird es wohl nicht… pic.twitter.com/mB8yYa4LzB
— Daniel (@SecretCoAuthor) November 25, 2021
Weiterhin sei zu begrüßen, dass die aktuellen Projekte der Bundesverkehrswegeplanung auf den Prüfstand kommen und künftig auf Basis neuer Kriterien im Rahmen eines Bundesmobilitätsplans 2040 auf den Weg gebracht werden. Dies biete die Chance, die Verkehrsplanung endlich integriert über alle Verkehrsmittel hinweg an Nachhaltigkeitszielen auszurichten.
Positiv bewertet der VCD auch, dass das Straßenverkehrsrecht um Klima-, Umwelt- und Gesundheitsziele ergänzt werden soll. Damit würden Kommunen endlich einen größeren Spielraum erhalten, um neue Ansätze nachhaltiger Mobilität wie z.B. Pop-up-Radwege, das Einrichten von Begegnungszonen und Spielstraßen dauerhaft und ohne langwierige verwaltungsrechtliche Prozesse umsetzen zu können.
Das Thema Tempolimit muss auf Wiedervorlage.
Michael Müller-Görnert, verkehrspolitischer Sprecher VCD: „Absolut widersprüchlich ist der Koalitionsvertrag beim Thema Verkehrssicherheit. Die Ampelkoalition will zur Umsetzung der Vision Zero, also des Ziels Null Verkehrstote, das Verkehrssicherheitsprogramm fortschreiben. Nur einen Satz später wird ein generelles Tempolimit abgelehnt – die vielleicht sichtbarste und schnell umsetzbare Maßnahme für sicherere Straßen. Hier zeigt sich das Dilemma, unterschiedliche Positionen und ideologische Widerstände unter einen Hut kriegen zu müssen. Das Ergebnis sind unklare Ziele und mutlose Maßnahmen. Dabei darf es nicht bleiben. Das Thema Tempolimit muss auf Wiedervorlage.“
Beim Autoverkehr setze die Ampel laut VCD wie die Vorgängerregierung auf die Antriebswende, lässt aber noch ein Schlupfloch für Verbrenner offen, die mit E-Fuels betrieben werden können. Statt eines nationalen Ausstiegsdatums für Verbrenner wird lediglich auf die CO2-Gesetzgebung der EU verwiesen. Der aktuelle EU-Vorschlag sieht vor, ab 2035 nur noch emissionsfreie Pkw zuzulassen. Wie es im Zusammenhang mit der CO2-Regulierung funktionieren kann, dass auch nach diesem Stichdatum Verbrenner zugelassen werden können, wenn sie nachweislich mit E-Fuels betrieben werden können, ist aus Sicht des VCD ein Rätsel. Faktisch könnten bereits jetzt alle Verbrenner mit E-Fuels betrieben werden, in der Realität werden sie aber auch künftig mit normalem Sprit fahren, weil E-Fuels ineffizient und teuer sind und es nicht die nötigen Mengen geben wird. Auch Plug-In-Hybride sollen weiterhin gefördert werden, allerdings soll zusätzlich der Nachweis der tatsächlichen elektrischen Fahrleistung mit herangezogen werden. Der VCD fordert dagegen ein komplettes Ende dieser Förderung.
VCD fordert komplettes Ende der Plug-In-Hybrid-Förderung.
Mutlos seien die Koalitionäre auch beim Abbau weiterer klimaschädlicher Subventionen. Während E-Autos ab 2025 bei der Dienstwagensteuer teurer werden und die Umweltprämie auslaufen soll, ändert sich bei Verbrennern nichts. Der Abbau des Dieselsteuervorteils wird mit Verweis auf die anstehende Reform der Energiesteuerrichtlinie auf die EU-Ebene verschoben und diesbezüglich bereits eine Anpassung der Kfz-Steuer zugunsten von Diesel-Pkw angekündigt.
Das Fazit des VCD: „Jetzt müssen die Ampelkoalition und vor allem Verkehrsminister Wissing beweisen, dass sie auch im Verkehrsbereich Fortschritte auf den Weg bringen und mutig die Verkehrswende angehen. Der VCD wird beratend zur Seite stehen.“