Einen schönen Zwischenstand, wie es um die Verkehrswende „auf dem Land“ steht, bekommt man gerade aus dem niedersächsischen Melle. Die Stadtratsfraktion von Bündnis/90 Die Grünen hatte einen Antrag gestellt, der die Verwaltung der Stadt beauftragt, ein „Förderprogramm zur Anschaffung von Lastenfahrrädern bzw. Elektrolastenfahrrädern sowie Fahrradanhängern für Kinder“ zu entwickeln. Das Ziel ist klar: Auch im ländlichen Raum können viele Wege mit dem Rad zurückgelegt und somit auf Autofahrten verzichtet werden, wenn man das passende Zwei- oder auch Dreirad hat. Zwar passen 80 Prozent unserer Einkäufe in einen Fahrradkorb, aber mit einem Lastenrad dürfte der eine oder die andere dann doch ein sicheres Gefühl haben, alle Besorgungen nach Hause zu bekommen. (Es sind dann sogar 94 Prozent aller Einkäufe.)

Die Förderrichtlinie wäre sicher kein Hexenwerk, denn bereits der Antrag weist darauf hin, dass man sich am Förderprogramm der Stadt Osnabrück orientieren solle. Man könnte also viele Passagen einfach abschreiben. So einfach ist es für CDU, FDP und UWG allerdings nicht, wie das Meller Kreisblatt berichtet. Die Argumente hingegen sind der Alptraum für jeden Radverkehrsbeauftragten.

Der Antrag passt nicht zu Melle, weil unsere Radwege für Lastenräder großenteils ungeeignet sind.

„Der Antrag passt nicht zu Melle, weil unsere Radwege für Lastenräder großenteils ungeeignet sind“, so die UWG. Dass Lastenräder dann einfach die Fahrbahn nutzen dürfen, scheint keine Option zu sein – oder zumindest eine, die man unbedingt verhindern will. Auch bei der FDP: „Auch auf schmalen ländlichen Straßen können Autos und Trecker die breiten Fahrräder nicht überholen und müssen ein bis zwei Kilometer langsam hinter ihnen herfahren.“ Breite Fahrräder? Auch bei Lastenrädern ist der Lenker in der Regel das Breiteste. Es macht für überholende Autos gar keinen Unterschied, ob sie ein herkömmliches Fahrrad oder ein Lastenrad überholen. Um den vorgeschriebenen Abstand (außerorts zwei Meter) einzuhalten, müssen sie so oder so auf die Gegenfahrbahn ausweichen. Das ist also mitnichten ein Argument.

Ausgerechnet die CDU, die seit etlichen Jahren die Zweit- und Drittautos gutsituierter Menschen über Abwrack-, Umwelt- und Wasweißichnichtallesfür-Prämien fördert, die zum Teil höher sind, als ein Lastenrad überhaupt kostet, spricht bei diesem Förderprogramm von „Reichenförderung“. Das kann man wirklich nicht ernstnehmen. Und was ebenfalls schwer erträglich ist: Die Partei, die im ländlichen Raum seit Jahrzenten das Sagen oder erhebliche Mitsprache hat, verweist nun auf die (von ihr mitverursachten) „Mängel in der Infrastruktur, schmalen und teils kaputten Radwege“, die gegen eine Förderung von Lastenrädern sprechen würden. Zukünftige Radverkehrsförderung macht keinen Sinn, weil die bisherige Radverkehrsförderung auch schon vernachlässigt wurde? Ein Armutszeugnis.

Die UWG fordert dann noch ein „Gesamtkonzept“ für den Radverkehr, bevor man eine Lastenradförderung beschließt. Das ist der argumentative Klassiker, wenn man eigentlich gar nichts machen will. Sollte sich Melle tatsächlich an der Qualität der Radwege orientieren, und schaut man sich die Ausbaugeschwindigkeit wirklich guter Radwege in Deutschland an, dürfte es in Melle in den nächsten 50 Jahren kein Förderprogramm geben. Schade.

Fahrzeuge für Reiche?
Foto: dd