Der ÖPNV hat in Zeiten von Corona nicht den besten Ruf, weil Mindestabstände oft nicht eingehalten werden können. Das wirkt sich auch auf Schulbusse aus. Ein ungutes Gefühl, ob man sich bei Mitschülern anstecken könnte, fährt häufig mit. Nachdem erste Landkreise die völlig irrsinnige Idee eines Kilometergeldes für Elterntaxis ins Spiel gebracht haben, wählen Stadt und Landkreis Osnabrück einen anderen Ansatz und möchten alle Schülerinnen und Schüler dabei unterstützen, auf dem Schulweg – wenn möglich – mit dem Fahrrad zu fahren. Denn auf dem Rad sei man unabhängig von Corona-Mindestabständen und könne zusätzlich das Klima schützen, indem zusätzliche Fahrten mit Bus oder Auto vermieden werden.

Im Rahmen der „Bike to School“-Aktion können Schülerinnen und Schüler seit Montag eine kostenlose App auf ihre Smartphones laden und in Teams Punkte sammeln, wenn sie den Schulweg mit dem Fahrrad zurücklegen. Ziel ist, die eigene Schule im Ranking der Challenge bis zum 6. November nach vorne zu bringen. Am Ende locken Prämien für die Schule in Höhe von bis zu 1.500 Euro.

Auf dem Flyer zur Aktion heißt es, dass sich Eltern „zusammen mit Ihrem Kind im Vorfeld einen sicheren und angenehm zu fahrenden Weg zur Schule“ suchen sollen. Und da könnte es für viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer schon schwierig werden. Durchgehend angenehme Wege dürften zumindest in der Stadt schwierig – wenn nicht gar unmöglich – zu finden sein.

Noch wichtiger ist die Sicherheit der Strecken. Und dazu habe ich bereits eine Zuschrift eines Lesers bekommen, der die Aktion insgesamt zwar gut findet, aber als Vater von zwei Töchtern, die eine weiterführende Schule in Osnabrück besuchen, von der Stadt wissen möchte, „welche besonderen Maßnahmen es zur Erhöhung der Sicherheit für diese SchülerInnen gibt, die hier zum Wohle der Allgemeinheit mit dem Rad in der dunklen Jahreszeit zur Schule fahren sollen“.

Gut gedacht, schlecht gemacht. Das geht so nicht.

Ideen hat er der Stadt gleich selbst unterbreitet: Pop-up-Radwege, verstärkte und gezielte Wege- und Geschwindigkeitskontrollen durch den Verkehrsaußendienst auf den Schulwegen, konsequentes Abschleppen von Fahrzeugen, die auf den Radwegen stehen, LKWs für Schulstrecken grundsätzlich sperren, die Sanierung maroder Radwege auf Schulwegen und mehr. All das sieht die Stadt Osnabrück allerdings nicht vor. Man hatte eine sehr kurze Vorlaufzeit für Konzeption und Vergabe. Infrastrukturverbesserungen und Veränderungen des Verkehrsregelungen seien nicht in einem so kurzen Zeitraum abzustimmen und umzusetzen. „Gut gedacht, schlecht gemacht“, so der Familienvater. „Meine Töchter und alle anderen SchülerInnen sollen dafür sorgen, dass die Busse in den Spitzenzeiten nicht zu „Corona-Multiplikatoren“ werden. Im Gegenzug ist die Stadt aber nicht bereit oder in der Lage, auch nur minimale Anstrengungen zu unternehmen, damit sie im Aktionszeitraum auf dem Schulradweg sicherer zur Schule kommen.“ Sein Fazit: „30 Jahre fahre ich nun schon mit dem Rad zur Arbeit und kenne den Verkehr in Osnabrück. Das geht so nicht.“

Es ist ein Problem, mit dem Osnabrück nicht allein ist und die Medaille Radverkehrsförderung hat zwei Seiten. Natürlich muss man Menschen motivieren, aus Routinen auszubrechen und mit dem Fahrrad zu fahren. Andererseites muss man ihnen dafür auch etwas bieten. Und dieses Etwas sind in erster Linie sichere und komfortable Rahmenbedingungen. Speziell bei dieser Aktion kann man sich für jedes Teilstück auf dem Weg zur Schule die Kardinalfrage stellen: Würde ich meine Kinder hier fahren lassen? Es scheint noch ein weiter Weg, bis hier ein durchgängiges Ja als Antwort kommt.

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