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Osnabrück

Straßen endlich gerecht und sicher gestalten

+++ Update 10. November 2020 +++
Ich habe um breitere Schutzstreifen gebeten. Ich habe um Tempo 30 und Entfernung gebeten. Ich habe angeregt, die Liebigstraße mittelfristig zur Fahrradstraße umzubauen. Und was habe ich bekommen? Farbe.

+++ Update 10. November 2020 +++

Ich habe um breitere Schutzstreifen gebeten. Ich habe um Tempo 30 und Entfernung gebeten. Ich habe angeregt, die Liebigstraße mittelfristig zur Fahrradstraße umzubauen. Und was habe ich bekommen? Farbe. Die verblassten und nicht mal ERA-konformen Schutzstreifen wurden einfach neu abmarkiert. Mit viel Mühe und unter Einrechnung der Markierung und des Rinnsteins kommt man hier vielleicht so gerade auf die ERA-geforderten 1,25 Meter. Da hier aber auch noch ein Parkstreifen neben dem Schutzstreifen liegt, müsste zu parkenden Auos auch noch ein 0,25 bis 0,5 Meter breiter Sicherheitsraum abmarkiert sein. Der ist schlicht nicht vorhanden. Ist das der Anspruch einer „Top-5-Fahrradstadt 2030“?

Nachdem in die neue Straßenverkehrsordnung (ja, genau die, bei der die CSU gerade härtere Strafen für Raser blockiert) ein Überholverbot von Radfahrenden aufgenommen wurde, hatte ich bereits im Mai bei der Stadt Osnabrück angefragt, ob man die entsprechenden Schilder nicht in der Liebigstraße aufstellen könnte (will sie nicht). Sie ist der wichtigste Zubringer zum Radschnellweg, bzw. bildet die Verbindung zwischen Radschnellweg und Innenstadt. Gleichzeitig ist die Liebigstraße aber auch eine willkommene Abkürzung für Autofahrer, die sich ein Stück auf dem Wall sparen wollen.

Als Radfahrer kann ich hier fast täglich von Überholvorgängen mit viel zu geringem Abstand berichten. Daher auch die Anregung mit dem Überholverbot im Mai. Grund dafür sind u.a. miserable, weil schmale Schutzstreifen, die an die Fahrbahnseiten neben Parkstreifen gepinselt wurden – offenbar vor langer Zeit, denn streckenweise sind die Markierungen kaum noch zu erkennen.

Nachdem ich in der vergangenen Woche wieder fast ohne Abstand überholt wurde, habe ich mal nachgemessen, wie die Verkehrsfläche zwischen den Häusern dort so verteilt ist. So viel vorweg: Ich will kein Überholverbot mehr, ich will eine völlig neue Gestaltung der Straße. Denn aktuell bekommt das Auto fast alles. Die Gehwege sind viel zu schmal, denn es müssen ja zwei Parkstreifen daneben passen. Eigene Radwege gibt es nicht, lediglich 90 Zentimeter schmale Schutzstreifen – zu denen die 30 Zentimeter des Rinnsteins oft dazugezählt werden. Ich habe das hier nicht gemacht, weshalb der Straßenquerschnitt insgesamt um 60 Zentimeter breiter ist. Streetmix hat keine Rinnstein-Vorlagen.

Die Fahrbahn für Autos, die die Schutzstreifen ja befahren dürfen, ist also 6,4 Meter breit. Hinzu kommen 4 Meter für die beiden Parkstreifen. Von 13,75 gehen also 10,40 Meter ans Auto, 2,75 Meter an Fußgänger und 1,8 Meter an Radfahrer. (Bitte beim Zusammenrechnen kurz an den ersten Satz dieses Absatzes denken.) Für mich ist das ein krasses Missverhältnis, Flächengerechtigkeit sieht anders aus. Vor allem die schmalen Schutzstreifen, die Radfahrer in die Dooring-Zone schicken, sind ungenügend angelegt. Zwischen ihnen bleibt nämlich genau so viel Platz, dass zwei entgegenkommende Autos noch gerade so aneinander vorbeikommen, wenn sie dabei gleichzeitig Radfahrer überholen. Dass das nicht erlaubt ist, weil der Überholabstand zu den Radfahrern dabei nicht eingehalten wird, ist für viele irrelevant. Sie machen es einfach.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Straße besser zu gestalten. Man könnte die Parkstreifen wegnehmen und breitere (ggf. auch gesicherte) Geh- und Radwege anlegen. Mein Vorschlag wäre aber eine verkehrsberuhigte Fahrradstraße als Zubringer zum Radschnellweg. Die Fahrbahn wird verengt und ggf. verschwenkt, Radfahrer haben grundsätzlich Vorrecht, die Seitenräume könnte man grün gestalten, hier und da auch eine Parkfläche ausweisen, der abkürzende Durchgangsverkehr wäre raus und das Wohnumfeld aufgewertet. Wegfallende Parkplätze müssen natürlich privat ausgeglichen werden. Privatbesitz gehört auf Privatgelände.

Es gibt auch schnellere Optionen. Mit Tempo 30 kann man die Sicherheit für Radfahrer deutlich erhöhen. Oft überholen Autofahrer zu dicht, weil sie 50 Stundenkilometer oder noch schneller fahren wollen. Bei Tempo 30 wäre der Unterschied zu den Radfahrern geringer und der Überholvorgang ungefährlicher. David Bermbach, Juniorprofessor an der TU Berlin

So oder so muss hier was passieren – bevor was passiert. Da die Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrsordnung immer noch nicht veröffentlicht sind, kommt das oben erwähnte Überholverbot von Radfahrenden als kurzfristige Maßnahme aus Sicht der Stadt noch nicht infrage. Als Übergansphase zu grundlegenden Baumaßnahmen sollte dann wenigstens das Tempolimit von 30 km/h im oberen Abschnitt der Liebigstraße auf die ganze Länge ausgeweitet und die miserablen Schutzstreifen entfernt werden. Auch so könnten vorerst einige gefährliche Überholvorgänge unterbunden werden. Mittelfristig muss das Ziel dann aber eine gerechtere Aufteilung des Verehrsraums sein.

Die Katharinenstraße als Vorbild. Man muss die Liebigstraße nicht zur Einbahnstraße umbauen, aber der verkehrsberuhigende Charakter der Katharinenstraße erlaubt entspantes Radfahren.
Fotos: dd

16 Antworten auf „Straßen endlich gerecht und sicher gestalten“

Es wird ein schweres Stück Arbeit sein, den Platz gerechter zu verteilen, aber diesen Job müssen wir machen und dafür kämpfen. Jede/r Autobesitzer /in muss vor dem Kauf eines Autos einen Parkplatz nachweisen können, der nicht im öffentlichen Raum Platz wegnimmt. Dann ist schon viel gewonnen.

Wegfallende Parkplätze müssen natürlich privat ausgeglichen werden. Privatbesitz gehört auf Privatgelände.

Ganz genau. Dass Anwohner ihre Autos auf öffentlichen Parkplätzen abstellen können, ist ein Unding. Öffentliche Parkplätze dürfte es höchstens für Gäste/Zeitparker geben.

Naja, die meisten Fahrrädern werden ja aschon auf Privatgrund abgestellt: Im Keller, im Vorgarten, im Schuppen, in der Garage. Und die, die im öffentlichen Raum stehen, blockieren nicht annäherungsweise so viel Raum wie parkende Autos.

Hi Daniel, ja das mit dem Platzverbraucht ist schon richtig. Ich wäre nur mit solchen griffig formulierten Schlachtrufen wie „Privatbesitz gehört auf Privatgelände“ vorsichtig. Das kann schnell zum Bumerang werden.

Grüße

Bei dem Schlachtruf „Privatbesitz gehört auf Privatgelände“ sehe ich auch großes Bumerang-Potential.

Und dass mit jeder neuen Wohnung in der Regel auch ein Privat-PKW-Stellplatz gebaut werden muss, halte ich alles andere als für sinnvoll, wenn doch die Zielrichtung weniger Autos pro Haushalt sein soll/wird.

Tja… kleines Problem:
….die Stadt lässt sich seit ewigen Zeiten eine Ablöse zahlen damit die Hausbesitzer halt keine Parkplätze vorhalten müssen……

Das gleiche Problem mit den engen Radwegen ergibt sich in der Parkstraße, wo man ja sogar auf die Straße „geschubst“ wird, ohne dass herankommende Autos richtig vorgewarnt werden. An den Furten ist es so eng, dass unmöglich eigentlich die Radler neben den Autos fahren können – aber selbst das bekommen manche Autos hin – die größte Katastrophe dazu, dass die Streifen nciht mal mehr nachgepinselt werden – und eine Frau Bauer, der man dazu mails schreibt, meint, das sei alles in Arbeit – das war vor einem Jahr. Meine Strategie, ganz weit links fahren, um den Autos gar nicht zu ermöglichen, zu überholen…. es ist einfach nur stressig und gefährlich….

Stimmt, die Parkstraße ist auch so eine Straße, aus der der Durchgangsverkehr rausgenommen werden müsste. Da ist einfach kein Platz fürgute Radwege. Also müsste es Tempo 30 geben, damit alle die Fahrbahn halbwegs sicher nutzen können.

Das Mißverständnis ist, daß die Streifchen aus Sicherheitsgründen aufgepinselt wurden. In Wahrheit geht es darum, Radfahrer an den Rand zu drängen, um mehr Platz für den Kraftverkehr zu schaffen. Ist das an dem Beispiel nicht völlig offensichtlich?

Nicht zu weit links zu fahren ist vollkommen richtig. Es erhöht Sicherheit und Wohlbefinden ganz erheblich, wenn man nicht mehr im Türbereich von Stehzeugen fährt, eine bessere Sichtbeziehung zu Einbiegern und Fußgängern hat und die nachfolgenden Kraftfahrer nicht mehr zum Engüberholen einlädt.

Genau. Volle Zustimmung. Bei dieserart Anlage geht es tatsächlich nur darum, RadfahrerInnen an den Rand zu drängen. Wer einfach links der gestrichelten Linie fährt, fährt sicher und sorgt bei Gegenverkehr für faktisches Überholverbot.

Als wir noch in Osnabrück wohnten, war es für mich selbstverständlich, mich hier nicht an den Rand in die dooring zone drängen zu lassen, sondern direkt links an der Strichmarkierung entlang zu radeln. Sie markiert doch den Sicherheitsabstand zu den parkenden Autos und unverhofft sich öffnenden Autotüren ;-))
Nicht abdrängen lassen, couragiert fahren. Bis auf ganz wenige hyperaggressive PS-Strategen hat das generell gut funktioniert. Man wurde nur überholt, wenn tatsächlich kein Gegenverkehr kam.

Das Ghetto hat einen neuen Anstrich bekommen. Das ist aber nett von der Stadt! Damit muß es jetzt aber für die nächsten zehn Jahre gut sein.

Eine Möglichkeit, daß die Gefährdungsstreifen dort wegkommen gäbe es noch: man führt Querparken ein. Wegen gestiegenen „Parkdrucks“. Statt der Streifchen kann man dann Vz 240 aufstellen. Anwohner glücklich, Radfahrer glücklich. Win-win.

Nicht nur die Anwohner sind vom Virus „Auto“ infiziert, auch die Mitarbeiter im Rathaus. Das ist eine seit Jahrzehnten grassierende Pandemie, und es ist kein Impfstoff in Sicht.
Siehe auch: https://www.ardmediathek.de/ard/video/swr-retro-zeichen-der-zeit/der-autokult/swr-de/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzExNjUwNjI/

@Daniel
Ich drück dir die Daumen und wünsche dir einen langen Atem. Bei uns in München ist es aktuell so:
Autos und Autofahrer haben politischen Schutz (Danke SPD und(!) Grüne) und die Polizei ist nicht gewillt (sie wird vllt. sogar durch die Politik aktiv gebremst) Feuerwehrzufahrten, Fußwege, Fahrradwege und Kreuzungsbereiche freizuschleppen. Es gibt bei uns eine immer größer werdene Anzahl an Menschen die diese Entwicklung (zunehmender MIV) sehr kritisch sehen und eine Menge gute Lösungsvorschläge einbringen, nur es tut sich nichts, außer Farbe am Boden….

Hinzukommt, dass leider zu viele Menschen in Fahrzeugen und leider auch auf Fahrrädern sitzen, die nicht in der Lage sind ein Fahrzeug zu führen, sich wissentlich falsch und gefährdend verhalten und einfach komplett unbelehrbar sind.

Zum Thema Sanktionen im Straßen-/Wegeverkehr:
Hier braucht es keine härteren Strafen, hier braucht es kontinuierliche Kontrolle und die daraus resultierenden und angewendeten zeitnahen Sanktionen. Wer 5(+) mal im Monat ein Bußgeld zahlen muss, dabei jede Zeit verliert und ggf. sogar dann ein höheres Gerichtsverfahren bekommt, wird eventuell eher sein Verhalten ändern, als jemande, der nur einmal im Jahr 100€ zahlt und nen Punkt kassiert, weil die Kontrolldichte viel zu gering ist. Hilfreich wäre es in dem Zusammenhang auch die Strafen nicht als Fixbeträge, sondern auf Grundlage der gesamten Bruttoeinkünfte des letzten Monats/Jahres prozentuel zu berechnen. Das wäre dann vielleicht sogar „gerechter“ ;-)
Aber wenn man so was fordert ist man ja gleich ein Überwachungsstaatbefürworter….

Cheers!

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