Der Wallring in Osnabrück ist aus Radfahrersicht eine ziemliche Katastrophe. Die Infrastruktur für den Radverkehr ist eine Ansammlung sämtlicher Führungsformen, die in den vergangenen Jahrzehnten ausprobiert wurden. Ich habe das hier schon mal dokumentiert. Mal fährt man auf einem schmalen Hochbordradweg, dann geht es runter auf einen Radfahrstreifen, dieser schlängelt sich hier und da zwischen Abbiegespuren und einmal sogar durch einen „Tunnel“ zwischen Bordstein und Parkstreifen hindurch.

Neuerdings gibt es aber auch einen richtig guten Abschnitt. Er ist zwar noch recht kurz, zeigt aber, was möglich ist. Wem der Radverkehr und die Sicherheit der Radfahrenden nichts wert sind, mag ihn für zu teuer erachten. Dem ist aber nur zu entgegnen, dass gute Radverkehrsinfrastruktur auch Geld kostet. Warum auch nicht?! Wir sollten uns da nicht am unzulänglichen und billigen Standard aus der Vergangenheit orientieren.

Weil die Radwege am Wallring so schlecht sind und wirklich von jeder Osnabrückerin und jedem Osnabrücker kritisiert werden, sollen sie nun überplant werden. In der nächsten Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt wird es eine erste Skizze geben, was möglich ist. Demnach favorisiert die Verwaltung „Radverkehrsanlagen, die sich von der Fahrbahn baulich abtrennen lassen. Diese können auf Fahrbahnniveau liegen oder als Hochbordanlage gebaut sein. Angestrebt werden zweistreifige zu befahrende Radverkehrsanlagen (die ein Nebeneinanderfahren und Überholen ermöglichen), d. h. neben dem Sicherheitstrennstreifen zur Fahrbahn hin entsteht eine mindestens 2,25m breite Radverkehrsanlage, analog zur Ausführung am Heger Tor-Wall, wo (einschließlich 75 cm Sicherheitstrennstreifen) eine 3,00m bis 3,25m breite Radverkehrsanlage realisiert wurde.“

Das bisher einzige wirklich sicher und komfortabel zu befahrene Stück Wall.

Ob Fahrbahn- oder Bordniveau soll – bei gleicher Sicherheitseinschätzung – der jeweilige Aufwand entscheiden. Die Verwaltung bevorzugt aber grundsätzlich eine Hochbordführung, da „der Ausweichraum zum Gehweg hin, die Anfahrbarkeit von Zielen im Seitenraum sowie die außerhalb liegende Entwässerungseinrichtung für einen höheren Komfort sprechen“ würden. Ein Bordstein wäre darüber hinaus ein kleines Hindernis für Falschparker. Hinter dem Radweg liegende Kfz-Stellplätze, die ein Überfahren des Radweges erfordern würden, scheiden aus Sicht der Verwaltung aufgrund zu hohen Konfliktpotentials aus.

So weit, so gut. Ein Satz aber entlarvt die in Deutschland immer noch vorherrschende Denkweise der Verkehrsplanung und lässt mich zweifeln, wie sicher und komfortabel die Neuplanungen wirklich werden:

Die Planung auf konzeptioneller Ebene betrachtet die zur Verfügung stehenden Verkehrsflächen und legt unter dem Ansatz einer Mindestbreite der Gehwege und der Erhaltung der Vierstreifigkeit für den Kfz-Verkehr auf den Streckenabschnitten fest, welche Formen von Radverkehrsanlagen möglich sind.

Die Straße wird also weiter von innen nach außen geplant anstatt von außen nach innen. Der Radverkehr bleibt letztes Glied in der Kette: Es wird eine Mindestbreite für Gehwege festgelegt (was ich grundsätzlich erst mal richtig finde) und die Vierstreifigkeit für den Kfz-Verkehr ist auch in Stein gemeißelt. Was dann noch übrigbleibt, dürfen Radfahrerinnen und Radfahrer nutzen. Nach fahrradfreundlicher Neuplanung hört sich das nicht an. Obwohl die Ausschussvorlage ja schon sehr treffend anerkennt: „Im Radverkehrsplan ist der Wallring einer der wichtigsten Handlungsbereiche. Obwohl der Wallring auf ganzer Länge mit Radverkehrsanlagen (Radfahrstreifen und Radwege) versehen ist, sind die Mängel offenkundig. Der größte Teil der Radverkehrsanlagen ist zu schmal und entspricht nicht den aktuellen Ansprüchen, sowohl die objektive wie die subjektive Verkehrssicherheit sind schlecht.“

Hier und da sind fahrradfreundliche Maßnahmen zwar realisierbar. Für den südlichen Wallabschnitt sei aber bereits jetzt festzustellen, „dass bei Erhalt der Vierstreifigkeit wenig Gestaltungsmöglichkeiten gegeben sind. Die lokale Kompensation entfallender Baumstandorte wird ein herausforderndes Thema der Planung werden. Ein großes Konfliktfeld stellen auch die am Wallring befindlichen Kfz-Stellplätze dar. Zum einen fehlen häufig die notwendigen Flächen für einen breiten Radweg, wenn Parkstreifen erhalten bleiben sollen. Zum anderen sollte das Kreuzen der Radwege durch parkende Fahrzeuge konsequent ausgeschlossen werden, da davon auszugehen ist, dass die Radverkehrszahlen mit der Qualitätserhöhung deutlich steigen werden und sich damit Konflikte erhöhen.“

Ich bin also gespannt, wie die Politik, die in jüngerer Vergangenheit ja überraschend einstimmig für gute Radwege am Wall war, hier entscheiden wird. Gottgegebene Vierstreifigkeit für KFZ, deren Reduzierung nicht mal gedacht werden darf, das regelmäßig sehr emotional diskutierte Thema Bäume (Ich bin auch kein Fan davon, Bäume zu fällen. Aber wenn Ersatzpflanzungen und dafür sichere Radverkehrsinfrastruktur möglich sind, darf das kein Hinderungsgrund mehr sein.), wegfallende Parkplätze (das parkende Auto ist leider häufig immer noch wichtiger als der fahrende Radfahrer) und die Kosten für sichere Radwege bergen sicher noch hohes Konfliktpotenzial – zumal bei diesem wirklich großen Projekt. Hinzu kommen die verschiedenen Interessen von Anwohnern verbunden mit der allgemeinen Abneigung gegenüber Veränderungen jeglicher Art. Aber wie heißt es so schön? Stillstand ist Rückschritt. Und damit muss endlich Schluss sein. Wir brauchen Flächengerechtigkeit unter den Verkehrsteilnehmern und sichere Voraussetzungen für den Radverkehr. Damit Osnabrückerinnen und Osnabrücker auch morgen noch mobil sein können.