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Radverkehr

Was wollen Radfahrende?

Das Bundesverkehrsministerium hat heute erste Ergebnisse der Bürgerbeteiligung zum Nationalen Radverkehrsplan 3.0 (NRVP) veröffentlicht. Zwischen dem 13. Mai und dem 30. Juni 2019 konnten Bürgerinnen und Bürger ihre Ideen einreichen und den Radverkehr in Deutschland laut Ministerium mitgestalten. Eines wird bei den Ergebnissen ganz deutlich: Radfahrerinnen und Radfahrer in Deutschland sind unzufrieden mit der Infrastruktur.

Wonach entscheiden Sie, ob Sie im Alltag Fahrrad fahren oder nicht? Top-Antwort: Gibt es komfortable Radwege und sichere Kreuzungen?

Was stört Sie beim Fahrradfahren? Top-Antwort: Zu wenig, fehlende oder schlechte Radwege, unsichere Kreuzungen.

Welche Erwartungen haben Sie an einen Nationalen Radverkehrsplan der Bundesregierung? Top-Antwort: Dass der Bund sich für eine flächendeckende und komfortable Radverkehrsinfrastruktur stark macht.

So sieht es denn auch bei der Priorisierung der acht Leitziele des Nationalen Radverkehrsplans aus. Mit Abstand auf Platz eins (bei Mehrfachnennung) liegt ein „lückenloser Radverkehr in Deutschland“. Das Bundesverkehrsministerium weist aber gleich darauf hin, dass die Verantwortung bei den Ländern und Kommunen liegt und der Bund lediglich „eine aktive Rolle als Moderator, Koordinator und Impulsgeber für eine bundesweite Radverkehrsförderung“ übernimmt. Schließlich sei der Bund auch nur für Radwege an Bundesstraßen zuständig. Das ist richtig, er könnte es den Kommunen aber auch leichter machen – indem er viel höhere Mittel für den Radwegbau zur Verfügung stellt. Neben dem fehlenden Mut in den Kommunen sind die fehlenden Mittel – finanziell und personell – nämlich ein Haupthindernis beim Ausbau guter Radverkehrsinfrastruktur. Und das wäre auch möglich, wie ein Rechtsgutachten zeigt, dass die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen in Auftrag gegeben wurde. Der Bund hat mehr Handlungsspielraum, als er nutzt.

Die Ergebnisse der Online-Beteiligung werden nun im anstehenden Fachdialog, dem sogenannten Dialogforum, aufgegriffen und fließen anschließend in den Erstellungsprozess des neuen NRVP 3.0 ein. Es bleibt also abzuwarten, wie viel Bürgerbeteiligung am Ende im NRVP ist. Und der beste Plan nützt auch nur dann was, wenn er umgesetzt wird. Und wie schreibt ein Teilnehmer der Online-Befrageung so schön: „Statt die 100. Studie durchzuführen, jahrelang auf Machbarkeit zu prüfen und doch nur zu verzögern: Schaut nach Kopenhagen, schaut nach Amsterdam! Kopiert die Konzepte, die sich dort als praxistauglich und realisierbar erwiesen haben! Holt die dänischen bzw. niederländischen Experten in unsere Städte und nehmt deren Vorschläge auf, profitiert von deren Erfahrung.“

7 Antworten auf „Was wollen Radfahrende?“

Eine Sache fehlt noch : Schaft dann auch Tiefbauer ran die eine Ahnung von dem haben was sie da tun . Teilweise werden aus neuen bzw reparierten Radwegen Teststrecken für MTB , weil die Jungs schlicht und ergreifend pfuschen , bzw die Behörden bei der Abnahme pennen ….

Dem kann ich mich anschließen, vor kurzem las ich in einem lokalen Meldeportal der hiesigen Stadtverwaltung eine Meldung über einen schadhaften Geh- und Radweg. Die Antwort der Verwaltung war der Wegs sei vor zwei Jahren erneuert worden.
Ich hab mir das vor Ort angesehn, die in Frage kommenden Wege haben eine mindestens 20-40 Jahre alte Asphaltschicht mit Wurzelhuckeln, Rissen, Ausbrüchen und vereinzelten Flickstellen, lssen sich aber mit mäßiger Geschwindigkeit noch befahren, nur Rennräder hätten wohl Probleme.

Ein anderer Weg, der zu unserem lokalen Leuchturmprojekt Ringgleis gehört wurde kürzlich auf eben solche Art „saniert“, hier und da ne Schippe Asphalt hingekippt, kurz breit gewalzt, die Schäden links, rechts, davor, dahinter einfach übersehen. Ziemlich lieblos das Ganze, aber eben billig.

Da sind m.E. keine Radfahrer in Positionen, die diese Baumßnahmen zu verantworten haben oder die Strecke mal komplett abfahren.

Hier wurde vor einiger Zeit mal eine jährliche Schwerpunktradtour mit Lokalpolitikern und Verwaltungsangestellten ins Leben gerufen um Probleme aufzuzeigen, vielleicht wäre das auch ein Ansatz für andere Städte.
Allerdings ist das hier auch wieder ein wenig eingeschlafen.

Da das eh nicht repräsentativ ist, habe ich mir nicht mal die Mühe gemacht gehabt, das anzuschauen. Der Nutzen solcher Beteiligungensformate ist eher gering oder gar negativ, wenn sie nur Einfluss vorgaukeln oder Politik sich damit vor drücken will, Entscheidungen zu treffen und dazu zu stehen.

Was kam nun an neuen Erkenntnissen raus? Nix. Alles wie erwartet.

Warum gab es keine Antwortmöglichkeit wie „Ich werde weder durch andere Verkehrsteilnehmer*innen noch durch die Straßenverkehrsbehörde auf (benutzungspflichtige) Schrottradwege oder den Gehweg verdrängt.“ oder „Auf der Strecke gibt es keine besondere Gefahrenlage, die ich an den Benutzungspflichten erkenne.“

Natürlich gibt es ein weitgendend lückenloses Netz für den Radverkehr – ohne was über die Qualität zu sagen. Lücken wie die Sperrung der B 10 in der Pfalz sind doch außerhalb der Autobahnen (noch) selten.

http://dschneble.tssd.de/blog/?tag=b-10

Wenn man nicht beim Autoverkehr ansetzt, wird man auch in Zukunft auf der ersten und letzten Meile weiterhin auf gute Rahmenbedingungen treffen, die man aufgrund des ungebändigten Autoverkehrs nur eingeschränkt nutzen kann.

„Schaut nach Kopenhagen, schaut nach Amsterdam! Kopiert die Konzepte, die sich dort als praxistauglich und realisierbar erwiesen haben! Holt die dänischen bzw. niederländischen Experten in unsere Städte“

Ja, das ist zweifellos das herrschende Narrativ in der neuen Radwegbau-Bewegung geworden. (‚one-voice-marketing‘ scheint zu funktionieren!)

Die Radewegbau-Bewegung dürfte wohl auch fast die einzige Echokammer sein, die überhaupt was von der Existenz dieser Umfrage mitgekriegt hat.

„Alles wie erwartet“, ja da schliesse ich mich an. Null Erkenntnisgewinn bei einer definitiv nicht ansatzweise repräsentativen Umfrage bzw. Online-Befragung.

Was den Dauerjubel zu den Niederlanden und Kopenhagen angeht dürfte es wohl auch am ‚one-voice-marketing‘ liegen, dass konsequent die Tatsache unterschlagen wird dass dort der Autoverkehr ANSTEIGT.

Keine ‚Meinung‘, sondern schlichte und gesicherte empirische Daten.
WARUM genau sollen nun ausgerechnet die Konzepte kopiert werden, die nachweislich mit „mehr Autoverkehr“ enden ???

Prof.Christian Holz-Rau (Verkehrswissenschaftler, TU Dortmund) formulierte diesbezüglich:
„Es scheint sogar plausibel, dass eine Stärkung des Radverkehrs in Städten die Bedingungen für den Umland-Stadt Verkehr mit dem PKW verbessert.“

Kontext: der innerstädtische Kurzstreckenverkehr trägt nur sehr geringfügig zum CO2 Ausstoss bei. Das zentrale klimaproblem liegt bei den mittleren und langen Distanzen.

Sowohl theoretisch (konstantes Reisezeitbudget, induzierter Verkehr), als auch empirisch ist also eine hohe Wahrscheinlichkeit gegeben, dass diese ganzen Separationskonzepte mit ‚Liveable-City‘ auch in Deutschland eine weitere Stärkung der Autoverkehrsleistung nach sich ziehen werden.

Im 20.Jhd. mag das tolerabel gewesen sein (zu der Zeit wurden diese Konzepte ja auch entwickelt mit Zielsetzung ‚guter Rad- und Autoverkehr‘), fürs 21.Jhd. brauchen wir zwingend einen Paradigmenwechsel.
Statt noch mehr Flächenversiegelung, schwachem ÖPV und noch mehr Autoverkehr (NL-Modell) brauchen wir einen konsequenten Shift „weg vom Autoverkehr“ mit gestärktem Umweltverbund und Verkehrsvermeidung.
Auch beim Klimaweltmeister DK fällt ausgerechnet der Verkehrssektor mit deutlichen Autoverkehrssteigerungen raus aus der positiven Bilanz.

Bis auf weiteres sind Vielen diese Fakten zu Zusammenhänge „egal“, das ist mir durchaus klar, und es wird wohl erst auch hierzulande die Phase mit separaten Radwegen und stark steigendem Autoverkehr + ‚liveable Innenstadt‘ eintreten müssen, bevor es aufhören kann mit dem Jubel über das NL-Modell der „autogerechten Radverkehrsförderung“.

Wir kennen das ja schon vom Biosprit: erst als es empirisch offensichtlich wurde, dass die Bilanz ökologisch klar negativ ist (Regenwaldabholzung, vom Acker in den Tank etc.) wurde das Kindergartenniveau (TOLL, nachwachsender nachhaltiger Sprit, Verkehrswende, …) aufgegeben und die Realitäten anerkannt.
Da wars aber bereits zu spät, wie wir heute wissen.

Bei Verkehrsinfrastruktur und Raumplanung sind ökologische Fehlplanungen noch gravierender, da das Zeugs für viele Jahrzehnte in der Landschaft stehenbleibt und dabei vor allem eines erzeugt:
Autoverkehr, Autoverkehr, Autoverkehr …

Weiterer Punkt der konsequent ignoriert oder bestritten wird:
ist der angestrebte Ausbau realistisch durchführbar?
Das überregionale Strassennetz besteht – ohne Autobahnen – aus ca. 200.000 KM und stellt meist die kürzesten A zu B Verbindungen zur Verfügung, sowie eine möglichst günstige Trassierung/Ausbau (Steigungsvermeidung, Neigung, Radien, glatte Oberflächen, etc.).
Was kostet ein Radwegekilometer in der von der Radwegbaubewegung versprochenen ‚Premium-Qualität‘?
Wenn wir halb so teuer bauen wie die NL-Radschnellwege (also sehr deutliche Abstriche bei „Premium“, aber besser als die heutigen Schrottwege), liegen wir bei ca. 750.000 EUR pro KM.
Macht 150 Mrd. EUR (und für echtes „Premium“ dann 300 Mrd) plus laufende Unterhaltskosten.
Theoretisch zwar machbar, aber in Relation zum Verkehrsetat (ca. 30Mrd. p.a. beim Bund) reichlich unrealistisch.

Wo liegt der zeitliche Horizont zur Fertigstellung, und wo liegt demgegenüber das Zeitfenster (Klimaumbruch) für eine echte ökologische Verkehrswende?
Und vor allem: WIE HOCH IST REALISTISCH BETRACHTET IM „ERFOLGSFALL“ DAS EINSPARPOTENTIAL VON CO2 (incl. des einzuberechnenden Flächenverbrauchs für die Radwege)?
Woraus lässt sich ableiten, dass ÜBERHAUPT CO2 Einsparung (Rückgang des MIV) eintritt?
Die Zahlen aus NL zeigen uns einen deutlichen kontinuierlichen Anstieg der MIV-Fahrleistung parallel zu Radwegebau.

Auch zu klären: was macht das anempfohlene Konept von Gehl (Kopenhagen) eigentlich mit den Mieten/Immobilienpreisen?
Gehl selbst sagt, dass der Immobiienwert bei ‚liveable‘ relevant steigt.
Sollen wir das wollen? Immerhin verstärkt das die soziale Spaltung und führt zu verstärktem Stadt/Umlandverkehr.

Ich vermute aber, dass all solche nervigen Fragen und Zusammenhänge (‚autonome Autos‘ kämen eigentlich noch dazu) zu kompliziert sind und es viel entspannter zugeht einfach mal den Zauberlehrling zu geben und „lets go dutch“ in die Runde zu rufen.
Allgemeines Nicken ist dabei schlisslich – bis auf weiteres – von Grünen bis CSU, von TAZ bis BILD gesichert.

„Keine ‚Meinung‘, sondern schlichte und gesicherte empirische Daten.
WARUM genau sollen nun ausgerechnet die Konzepte kopiert werden, die nachweislich mit „mehr Autoverkehr“ enden ???“

Weil es in diesen Konzepten keine Toten Radfahrer gibt.

Wir wurden die Teilnehmer dieser Umfrage ausgewählt? Wie wurde sichergestellt, daß es sich tatsächlich um Radfahrer handelte und nicht um Leute, die gerne mal Fahrrad führen, aber das aus Gründen nicht tun? Oder Menschen, die sich als Autofahrer vor allem daran stören, daß sie die Straße mit Radlern teilen müssen?

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