ZEIT Online berichtete am Wochenende, dass Supermärkte den Abbiegeassistenten als Chance für gute PR nutzten. Demnach rüsten gerade verschiedene Unternehmen ihre LKW mit dem Warnsystem aus oder haben dies bereits getan. Zu den Vorreitern gehöre Edeka Südbayern. Schon 2015 habe „das Unternehmen einen eigenen Assistenten entwickelt und damit begonnen, seine gut 150 Lkw mit einem kamera- und sensorbasierten Warnsystem auszustatten. Inzwischen sollen alle Fahrzeuge über die nur rund 1.000 Euro teure Technik verfügen.“
Ich hatte kurz nach dem Treffen von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und Vertretern der Speditionsbranche Anfang Juli die Sicherheitspartner dieser „Aktion Abbiegeassistent“ (Alba Group, Aldi Nord, Aldi Süd, DB Schenker, Dekra, Edeka/Netto-Marken Discount, Lidl) angeschrieben und gefragt, wie viele LKW es in den jeweiligen Fuhrparks gibt und wie viele davon mit einem Abbiegeassistenten ausgerüstet sind.
Antwort habe ich von fünf Unternehmen bekommen. DB Schenker bewegt demnach europaweit rund 3.500 LKW als eigene Flotte. „Bislang ist die Ausrüstung mit Abbiegeassistenten kein Standard.“ Im Rahmen der Sicherheitspartnerschaft mit dem BMVI sollen aber „ab sofort alle neu anzuschaffenden Lkw, das sind bis zu 500 pro Jahr, mit dem Abbiegeassistenten“ ausgestattet werden.
EDEKA sieht sich bei diesem Thema als „Vorreiter und Pionier im gesamten deutschen Handel. So hat EDEKA Südbayern bereits 2015 eine innovative Lösung entwickelt und die komplette Flotte von 300 LKW mit diesem Sicherheitssystem ausgestattet: Durch eine in der Zugmaschine des Fahrzeugs installierte Kamera kann der tote Winkel eines LKW voll eingesehen werden. Ein Bildschirm im Fahrerhaus ist mit der Kamera verbunden und zeigt den entsprechenden Bereich an. Darüber hinaus erzeugen Sensoren an der rechten Seite des Lkw – analog zum Rückfahrassistenten eines PKW – ein akustisches und visuelles Signal.“ Die anderen EDEKA-Großhandlungen in ganz Deutschland haben beschlossen, jedes Neufahrzeug mit einem Abbiegeassistenten auszustatten. „Diese Beschlüsse reichen zum Teil bis ins Jahr 2016 zurück. Hier kommen sowohl die Lösung aus der EDEKA-Region Südbayern als auch ein von Daimler entwickeltes System zum Einsatz. Aktuell sind bereits über 600 LKW mit einem Abbiegeassistenten ausgestattet, am Jahresende sollen es über 900 sein.“ Insgesamt sind rund 3.500 LKW für die EDEKA-Gruppe unterwegs.
Von Lidl heißt es: „Lidl selbst betreibt keinen LKW-Fuhrpark, jedoch legen wir Wert darauf, dass die für uns tätigen Speditionen sukzessive auf Fahrzeuge mit dieser Technik umrüsten.“ Eine Abfrage bei den Logistikpartnern hinsichtlich der ausgestatteten LKW werde noch einige Zeit in Anspruch.
Die ALBA Group hat zurückgemeldet, dass „eine Abfrage bei den Fuhrparkleitern unserer regionalen Gesellschaften gestartet“ wurde. Eine weitere Rückmeldung gab es bisher nicht.
Die Rolle des DEKRA e.V. als Sicherheitspartner unterscheidet sich etwas von der, die die anderen Beteiligten bei der „Aktion Abbiegeassistent“ spielen. „Für uns als unabhängige Sachverständigenorganisation steht weniger der (mehr als überschaubare) eigene Lkw-Fuhrpark im Mittelpunkt, sondern vielmehr unser Engagement in Sachen Verkehrssicherheit mit der Expertise und Kompetenz unserer DEKRA Unfallforschung, die sich seit vielen Jahren unter anderem dem Thema Abbiegeunfälle widmet“, heißt es aus der Pressestelle. Dass man sich den Vereinsmitgliedern gegenüber aber nachdrücklich für den Einsatz von Abbiegeassistenten ausspreche, verstehe sich von selbst.
Aldi Nord und Aldi Süd haben auf die Anfrage nicht reagiert.
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Update 10. August 2018
Aldi Süd hat mir nun doch noch geantwortet. Man bittet um Verständnis, „dass wir Ihnen keine konkreten Zahlen zu unserem Fuhrpark nennen möchte“ und verweist auf eine Pressemitteilung, wo es heißt, dass man zukünftig den elektronischen Abbiegeassistenten in neuzugelassenen LKW einsetzen wolle.
20 Antworten auf „„Aktion Abbiegeassistent“ – Was machen die Sicherheitspartner?“
Die gleiche Diskussion wurde schon bei der Helmpflicht und bei der Warnwesten-Debatte geführt. Aber der Abbiege-Assistent ist die bisher deutlichste Metapher für das Scheitern der naiven Utopie eines gemeinsamen Verkehrsraums, der von allen genutzt werden kann.
Was ist, wenn der Abbiege-Assistent eingeführt ist, gibt es dann als Nächstes einen Anti-Dooring-Assitenten, einen Assistenten, der Abstand und korrekte Einhaltung der Geschwindigkeit durchsetzt, einen Aufmerksamkeits- und Anti-Doping-Assistenten, der bei Ablenkung, Tabletteneinfluss oder Handy am Steuer eingreift? Welcher Assistent ersetzt den Fahrlehrer bei unerfahrenen und übermütigen Fahranfängern in getuneden 3er BMWs bei illegalen Rennen durch die Innenstadt, bei denen jährlich dutzende Menschen unter die Räder kommen?
Im Klartext: Die Assistenten-Ideologie ist Schmuck am Nachthemd der autofreundlichen Stadt, die sich über jeden positiven Beitrag zu Shared-Space-Träumereien am besten mit technischer Hilfsmitteln in’s Fäustchen lacht, weil sich en passant dadurch noch schön der Kaufdruck für Neu-Kfz verdichten lässt. Chapeau!
Das Problem das dahinter steckt, lässt sich weder mit Assistenten noch mit Kampagnen lösen. Menschliches Verhalten vor allem aber menschliche Unzulänglichkeiten, lassen sich nicht weg-assistieren und schon gar nicht normativ bestimmen – sie lässt sich nachhaltig nur baulich beeinflussen.
Nutznießer einer Forderung nach Abbiege-Assistenten sind letztlich Politik und Verwaltungen, die sich dem andauernden Erhaltungsdruck der autofreundlichen Stadt nicht aussetzen müssen und die Schuld bei schweren Abbiegeunfällen bequem auf LKW-Fahrer oder dann eben wahlweise Speditionen abschieben können.
Schlecht getrennte Fahrspuren und Kreuzungen mit Autobahnkreuzartigen-Kurvenradien kommen in der öffentlichen Diskussion schon gar nicht mehr vor, weil der Fokus von planerischer auf individuelle Verantwortung weggeschoben wird. Dass nun gerade die UDV einen Abbiege-Assistenten fordert und ein CSU-Verkehrsminister sich als aktuell größter Fürsprecher für Abbiege-Assistenten geriert ist bezeichnend dafür.
Willst du überall Brücken und Tunnel haben, damit sich Rad und Kfz bloss nicht begegnen?
Ich verstehe Deine Polemik nicht so ganz, was ist denn Dein Problem mit Brücken oder Tunnelbauwerken für den Radverkehr?
Da wo (in NL) Tunnels/Brücken gebaut werden, ist nicht selten aus verkehrlicher Sicht ein Kreisverkehr oder eine geschützte Kreuzung wegen des hohen Verkehrsaufkommens sinnvoll bzw. möglich. In den meisten Fällen werden aber Brücken exklusiv für Radfahrende gebaut, um deren Weg ggü. dem motorisierten Individualvekehr zu verkürzen. Sie sind zum ganz großen Teil also kein Vision Zero-Thema sondern ein Hebel zur Bevorrechtigung des Radverkehrs (Neviobrug, Amsterdam oder Daphne Schippersbrug in Utrecht).
Im Klartext: Vision Zero hat in etwa genauso viel mit Brücken- und Tunnelfetisch zu tun, wie Mischverkehr mit inklusiver Raumplanung. Welche Maßnahmen gibt es denn, die sehr einfach und effektive Kreuzungspunkte entschärfen? Kreisverkehre statt Kreuzungsanlagen zu errichten, würde mir da als allererstes einfallen (sehr effektiv bei der Reduzierung der Konfliktrate). Als nächstes könnte man sich, da wo das nicht möglich ist, über Ampelschaltungen (Google: Tegenlijk groen z.B.) und engere Kurvenradien (s. Nick Falbo Protected Intersection) unterhalten. Dann gäbe es noch tangierend die Möglichkeit, Radfahrende per Induktion Vorrang einzuräumen und die Rotlichtdisziplin mit Timern zu verbessern.
Wenn sich die Cycling Advocates hierzulande abseits der Radwegeführungsdebatte wenigstens mal darauf committen könnten, gegen diesen Aspekt der Verkehrsplanung (Kreuzungsdesign) mit einer Stimme zu sprechen, wäre mMn schon wirklich viel gewonnen.
Ich versteh euch beide nicht ;-)
Wieso dieses entweder oder? Kreuzungen umbauen, Brücken und Unterführungen, aber auch Assistenzsysteme haben alle ihre Berechtigung, so wie sie ihre Vor- und Nachteile haben. Klar, baulich getrennte Wege wie in Holland oder Kopenhagen, Radschnellwege vom Umland in die City, die mit Hilfe von Brücken oder Unterführungen kreuzungsfrei verlaufen, und damit ohne ständiges Abbremsen und wieder beschleunigen müssen ein zügiges Vorwärtskommen ermöglichen haben ihre Berechtigungen. Da können die Radler schnell und sicher zugleich unterwegs sein. Das solche Wege angenommen werden und dann ihren Teil zu einem anderen Verkehr beitragen sieht man in den genannten Gegenden. Nur, wenn hierzulande jemand auch nur darüber nachdenkt, irgendwas zu ändern, was ein anderer dann als Beschränkung des Autofahrens empfindet, dann geht gleich wieder das Geschrei los. Dementsprechend mühselig und langwierig ist es, Änderungen im Straßenraum vorzunehmen. Was jetzt kein Grund sein soll, das gleich bleiben zu lassen, nur es braucht eben seine Zeit. Daher ist es sinnvoll, das Problem mit den rechtsabbiegenden LKW und den viel zu vielen Menschenleben, die das kostet, von mehreren Seiten anzugehen. Wenn Edeka und Co. ohne gesetzlichen Zwang aus Imagegründen passende Systeme einbauen, dann geht das nunmal wesentlich schneller als anderes (was kein Hinderungsgrund für den Gesetzgeber sein darf, da endlich mal tätig zu werden).
Bauliche Maßnahmen und die passenden Systeme in den Fahrzeugen arbeiten nicht gegeneinander. Dem Radfahrer, der nicht überfahren wurde dürfte es herzlich egal sein, ob das jetzt einer umgebauten Kreuzung oder einer Elektronik im LKW zu verdanken ist. Jeder einzelne Schritt kann Leben retten, daher ist es wenig sinnvoll, sich nur auf eine Methode zu beschränken. Je mehr unterschiedliche Ansätze umgesetzt werden desto weniger Menschen verlieren ihr Leben.
Ich verstehe dich so, dass du Abbiegeassistenzsysteme ablehnst und Trennung willst. Die würden ja auch außerhalb der Kreuzungen z. B. bei Grundstückseinfahrten, auf Parkplätzen, auf Firmengeländen, … bei Gefahrensituationen warnen. Da du Assistenzsysteme ablehnst bleibt
a) Unfälle hinnehmen
b) Brücken bauen
und zwar auch außerhalb der Kreuzungen. Und ganz davon abgesehen, finde ich die Vorstellung, überall Brücken zu haben, wenig sexy für eine Stadt. Und Brücken brauchen Platz und es braucht Zeit die zu bauen. Also wird es mit ziemlicher Sicherheit immer auch normale Abbiegevorgänge wie bisher geben. Mal ganz abgesehen, dass das ein Baustein der autogerechten Stadt war, überall Brücken zu bauen.
Nein Norbert, ich lehne Assistenzsysteme minichten per Se ab, sondern sehe sie als ergänzenden Baustein im Vision Zero-Konzept.
Assistenzsysteme als Mittel zum Zweck der Unfallreduktion sehe ich aber äußerst kritisch, denn die wirkmächtigen und bereits für gut befundenen baulichen Maßnahmen treten bei der Debatte, wie sie hierzulande geführt wird, in den Hintergrund.
Dass bauliche Maßnahmen eben gerade nicht in der Hauptsache Brücken und Tunnel sind, habe ich in meinem Beitrag ja drei Absätze lang (!) intensiv ausgeführt. Das dann in der Antwort nicht zu würdigen bzw. schlicht zu ignorieren, finde ICH wiederum persönlich nicht sehr sexy bzw. aufmerksam..
Mit Deiner Meinung über die Ästhetik von Brückenbauwerken stehst Du überdies sehr wahrscheinlich ziemlich alleine da. Cykelslangen und Hovenring gehören mittlerweile zu den Touristenattraktionen vor Ort und wer nach San Francisco fährt, wird sich sehr wahrscheinlich vornehmen, auf die Golden Gate Bridge zu gehen ;)
Und wieviele Brücken in Deutschland sind Touristenattraktionen? Mir fällt da so spontan keine einzige ein. Die übliche Brücke ist nun mal ein profaner Zweckbau, der mal mehr und mal weniger optisch gelungen ist. In Düsseldorf hat man erst kürzlich die Zweite-Ebene-Brücke abgerissen, mit der man mal den Autoverkehr schnell und sicher führen wollte. Auch die typische NL-Brücke für den Radverkehr ist ein profaner Zweckbau.
Aber was ist der Sinn von Abbiegeassistenzsystemen, wenn nicht Unfälle zu verhindern?
@bicycle Repairman
Gewagte These bezüglich der
„naiven Utopie eines gemeinsamen Verkehrsraums“.
Rein theoretisch ist natürlich ein zwei Etagen Verkehr möglich, der dann aber (neben der absurd höhen Kosten) das Problem der Zu- und Abfahrten hat.
Ansonsten ist an den zwangsläufig sich einstellenden Knotenpunkten – ob mit oder ohne ’separate Führung‘ – stets ein gemeinsamer Verkehrsraum vorhanden. Dito bei Ein-Ausfahrten.
Realistisch gesehen wird sowas leider – wenn schon Zwei-Etagen-Verkehr – eher so aussehen:
https://www.klimareporter.de/verkehr/mit-dem-aeh-flugtaxi
Auch solche
https://www.fosterandpartners.com/projects/skycycle/
Projekte sind m.E. komplett unsinnig und dienen nur dazu dem Autoverkehr noch stärkere Fahrbahnprivilegien zu verleihen.
Nicht nur in Münster sind die tödlichen Abbiegeunfälle in ursächlichem Zusammenhang mit separater Radwegeführung aufgetreten.
Zwar gibt es diese Unfälle auch gelegentlich im Mischverkehr, da stellen sie aber eher ‚Exoten‘ dar.
Was die schnellen Abbiegespuren angeht bin ich ganz Deiner Meinung. Menschenverachtend, dass es diese abseits von Autobahnen überhaupt gibt, und vorsätzlich mörderisch, dass diese immer noch gebaut werden.
Ähnlich bei konflikthaften vs. konfliktfreien LSA Schaltungen.
Leistungsfähigkeit für den MIV und Strassengüterverkehr geht in D immer noch klar vor Menschenleben.
Beim ’shared spae‘ allerdings bin ich ganz und gar nicht Deiner Meinung.
Zwar ist dies keinesfalls ein Rezept für alles oder ein Allheilmittel, aber dort wo es sinnvoll möglich ist funktioniert es recht gut und führt neben der Verringerung von Unfallgefahr auch ein wenig zur notwendigen Entschleunigung des MIV sowie zur (räumlich begrenzten) Aufweichung des Fahrbahnprivilegs für Autos/LKW. Shared space an ungeeigneter Stelle allerdings verfestigt u.U. das ‚Recht des Stärkeren‘, sofern sich die autogerechte Legislative und die Judikative weiterhin weigern neue artgerechte Akzente setzen.
Klar dürfte zumindest sein, dass eine ursachenbezogene Lösung der Problematik nur in einer sehr drastischen Verminderung von MIV und LKW-Verkehr bestehen kann?
Die üblichen autogerechten Separationslösungen ala NL oder DK oder D oder … … … jedenfalls haben bei der Verringerung des Wachstums des Autoverkehrs kläglich versagt und werden den aktuellen Menschheitsherausforderungen nicht gerecht.
https://www.deutschlandfunk.de/klimawandel-droht-eine-weltweite-heisszeit.697.de.html?dram:article_id=424865
Auch wenn in NL seit ca. 2014 (BIP stagniert allerdings parallel!)
ein Plateau auf hohem Niveau bei der Verkehrsleistung des MIV eingetreten ist:
von Ansätzen der Abkehr einer autogerechten Verkehrsplanung durch Separation des Radverkehrs kann nicht ernsthaft geredet werden.
Im Gegenteil wird auch in NL das Autobahnnetz intensivst erweitert und es wird weiteres Wachstum gerade bei den überregionalen Strassenverkehren (Rotterdam gen Osten und Süden) angestrebt.
Interessant wären Daten ob der LKW Abbiegeunfall in NL durch anderes Kreuzungsdesign trotz weitgehender Separation zurückgehen konnte und welche weiteren Faktoren bei diesem Unfalltyp dort eine Rolle spielen.
Die Anzahl der Radtoten im separierten Radnetz der NL steigt jedenfalls und überstieg 2017 mit nunmehr 206 unfalltoten Radfahrenden erstmals sogar die Zahl der MIV-Unfalltoten.
Wo ist mehr als technokratisch autogerechte Flickschusterei zu erkennen?
Gent könnte einen Lösungsansatz bieten (LKW Lieferverkehr in der Stadt einfach mal verbieten und durch e-Lastenräder ersetzen), sehr deutliche Erhöhung der Logistikkosten mit fairer Einpreisung der Umwelt- und Gesundheitsschäden könnte helfen um die Politik der langen Wege einzudämmen (leider kein Beispiel), Entschleunigung des MIV mit mehr Mischverkehr und ggf. dualer Wegführung für den Radverkehr (Fahrbahn erlaubt und gut ausgebauter Radweg optional nutzbar) könnte helfen (leider kein Beispiel) …
Vielleicht hat ja jemand positiv Beispiele und kann sie hier mitteilen?
Die weltweiten neuen Rekorde bei den Absatzzahlen der Automobilindustrie stimmen skeptisch.
Ich begrüße dennoch die Abbiegeassistenten, unter anderem deshalb, weil ich im persönlichen Bekanntenkreis erlebt habe, wie verheerend dieser Unfalltyp mit separiertem Radweg und abbiegendem LKW sich auswirkt, auch wenn das Opfer nicht in die Unfalltotenstatistik eingeht, sondern ’nur‘ schwersteverletzt ist (bzw. bleibt).
Mich selbst hats auch schon mal fast erwischt, obwohl ich genau um diesen Unfalltyp weiss. Benutzungspflichtiger MS-Radweg hinter parkenden Autos plus von mir nicht registrierte Einfahrt, in die der LKW einbog.
Dummerweise war ich wegen schlechter Radwegoberfläche mit Klinkern und Wurzelaufbrüchen recht langsam unterwegs. Im peripheren Sichtfeld scheint alles o.k. zu sein, und plötzlich taucht der LKW vor (!) dir auf und bewegt sich mit seiner Flanke auf dich zu. Notbremsung reicht da leider NICHT mehr aus! Rentner, Kind oder Träumer wären ziemlich sicher unter die Zwillingsreifen geraten.
Und ja, subjektiv habe ich mich bis wenige Millisekunden vor dem Beinahe-Exitus zwar durchgeschüttelt und ausgebremst aber durchaus sicher ‚gefühlt‘.
Aber erkennt so ein Abbiegeassistent einen hinter den Autos?
Alfons, ich kenne Deine Haltung gegenüber Hochbord-Radwegen mittlerweile, aber ich vermute, dahinter steckt die – sehr wahrscheinlich berechtigte – Abneigung gegen eine „Münsterisierung“ der deutschen Radinfrastruktur, davon sind wir hier in Deutschland aufgrund fehlender nationaler Standards sowieso meilenweit entfernt. Wie ich anderer Stelle schon mal versucht habe aufzuzeigen, ist die Extrapolation der Schutzwirkung bestehender Hochbordinfra auf bestmöglich umgesetzte bauliche Separationslösungen nicht aussagekräftig, das sieht man schon daran, dass mangelhafte Hochbordradwege nach wie vor nicht schlechter abschneiden, als ERA-konforme Pinselstrichseparation.
Ich gehe mit Dir mit, zu sagen, dass der (Noch!)Großteil der NL-Infra, also die mittlerweile teils über vierzig Jahre alten Radwegeanlagen kein Positivbeispiel abgeben, aber schlicht und einfach nur deshalb, weil sie nicht mehr dem Verkehrsaufkommen gewachsen sind, das sie durch ihre Qualität erst induziert haben. Deswegen ist es auch einfach nicht angemessen, die für NL zur Zeit ungewöhnlich hohe Fatality-Rate an allein an der Infra festzumachen.
Warum? Den Holländern darf man eines nicht vorwerfen, nämlich dass sie ihr System nicht ständig weiterentwickeln und vor allem dafür hochwertige nationale Standards in der CROW festlegen, die von allen Kommunen akzeptiert sind. Nur so kann sich überhaupt mittelfristig gute und vor allem überall gleichartige, also intuitiv erfahrbare Infrastruktur entfalten.
Dass in den NL es gerade mehr Fatilities bei Radfahrenden als bei den auch dort immer besser geschützten Autofahrern gibt, ist in eben genau diese Kategorie zu subsummieren, denn wo liegt für den neutralen Betrachter die Überraschung, wenn man sich die Entwicklung der letzten vier Jahrzehnte vor Augen führt? Natürlich ist es nicht anders zu erwarten, dass wenn die Anzahl der Wege mit dem Rad kontinuierlich aufgrund bequemer und schneller Radbeziehungen zunimmt (die Hauptgründe für das Rad in Städten), dann auch folgerichtig mehr schwere Unfälle geschehen – ganz unberührt von der in NL noch viel rasanteren Zunahme von Pedelecs durch den Radschnellwegebau.
Irgendwann treffen sich die Graphen eben, wenn dieser Zuwachs zulasten der MIV-Verkehrsleistung geht. Genau das ist aktuell der Fall, die Art und Weise, wie die Niederländer damit umgehen, unterscheidet sich aber deutlich von der hierzulande, wo man lieber nach Assistenzsystemen ruft, statt die Unfallursachen anzugehen.
Dass die NL nicht auch wie jedes andere Land auf funktionierende Mobilität angewiesen ist, steht doch außer Frage, genauso wie der Umstand, dass aufgrund der in westeuropäischen Ländern verbreiteten Sprawling-Politik der letzten Jahrzehnte das Auto darin noch für Jahrzehnte der Transition eine zentrale Rolle spielen MUSS. Es gibt aber zwei Kennzahlen, um die Du bei der Bewertung der von Dir gewünschten Verkehrsleistung nicht herum kommst und die deutlich aufzeigen, dass gerade die NL den Turnaround hinkriegen. Das ist einerseits die Zulassungsquote privater PKW, die in NL 1:2 in D 1:1,3 Fahrzeug je Personen beträgt (also ein Drittel wenigr als hierzulande!). Zum anderen die Verkehrsleistung mit dem Fahrrad, die in NL national bei fast 1000 Kilometer pro Jahr und Einwohner in Deutschland bei gerade mal um die 400 liegt. Insofern ist es sicherlich keine Ansichtssache, wenn man darin eine klare Verbesserung sieht, die ganz offensichtlich durch Separation begünstigt wird. Eine dauerhafte Reduzierung des MIV/Lastverkehrs und der zugelassenen PKW haben bisher nur NL/DK erreicht, der Zusammenhang ist also nicht von der Hand zu weisen.
Wir sind uns auch einig, dass man um Mischverkehr in einem modernen Velotop nicht herumkommen wird – warum auch? Schon heute sind 60% bis 80% der Straßen in deutschen Großstädten Tempo 30-Zonen. Ganz im Gegenteil, sie macht sogar einen Großteil der Wege aus, ABER: Die Akzeptanz durch Autofahrende unterscheidet sich deutlich von der in niederländischen Woonerfs oder in spanischen Superillas, EBEN WEIL auch hier wieder bauliche Maßnahmen, das unabdingbare A und O bei der Umsetzung von Tempolimits sind. Das kostet Geld und zahlt sich aber auch aus in Akzeptanz und Nutzungs-Qualität.
Meine Formulierung, dass Mischverkehr naiv sei, ist zugegeben etwas zu scharf, daher nehme ich sie hiermit wieder zurück! Trotzdem ist die Vorstellung gemeinsamer Verkehrsräume mMn ein Anachronismus, dass man in der Mitte der Straße alle – immer extremer hinsichtlich Gewicht, Geschwindigkeit und Volumen divergierenden Verkehrsarten jemals wieder zusammen bringen kann. Ein Schwerlaster neben einem Kinder-Dreirad, das kann nicht ohne Konflikte abgehen, oder anders Eltern werden dieses „Angebot“ zurecht niemals ernst nehmen. Eine vernünftige Separation, auf Straßen mit höheren Geschwindigkeiten und/oder Straßen, die trotz Limit schneller befahren werden (können), ist praktisch unumgänglich, um Radfahren für alle attraktiv zu machen – nicht vorrangig hinsichtlich der Sicherheit, sondern hinsichtlich der Wegequalität. Das ist in Holland so und in DK nicht anders.
Der wichtigste Schlüssel zur Akzeptanz von Mischverkehr ist aber ohnehin der diskriminierungsfreie Rollenwechsel und der hängt wiederum zusammen mit der Art und Weise, wie man Radfahren in der Öffentlichkeit wahrnimmt. Eine halbe Rad-Spur neben zwei überbreiten MIV-Spuren oder die Aufhebung der Benutzungspflicht neben einem verwahrlosenden Hochbordradweg – euphemistisch sonstiger Radweg genannt – erzeugt eben nicht das Gefühl, dass man als Verkehrsteilnehmer mit Rad sehr ernst genommen wird. Insofern ist bauliche Separation und das eine oder andere Leuchtturm-Projekt wie z.B. der Hovenring eine deutliche Einladung für Radfahrende, das Rad in den Alltag zu integrieren. Diejenigen, die Radfahren sowieso schon als Lebensinhalt begreifen, wird man damit nicht einfangen können, aber man schafft Anreize für die in der Regel unreflektierte Alltags-Mobilität, weil neben qualitativer Verbesserung der Radbeziehungen dadurch ein gewisser Prestigezuwachs für die Nutzung mit dem Rad erzeugt wird.
Es geht bei der Separation also nicht vorrangig darum, die Rolle des MIV zu zementieren, sondern darum Radfahren durch intelligente Separation und vor allem darum durch attraktive unterbrechungsfreie Wege den Stellenwert zu geben, den es für eine nachhaltige innerstädtische Nahmobilität braucht, indem man Geld in die Hand nimmt und ein Grid also ein exklusives Netz aufspannt, mit dem Radfahrende einfängt. Dieses Netz wird zum größten Teil aus Mischverkehr bestehen, aber trotzdem eben baulich angepasst und mit vielen Details (Vorrangschaltungen, Haltestangen, von mir aus auch geneigte Mülleimer, usw.) Radfahrenden signalisieren, dass sie auf den Straßen mindestens gleichwertig sind. Als zentrales Motiv für Cycling Advocacy in Deutschland sehe ich für die nächsten Jahre daher nicht die Radverkehrsführung als solche, sondern die sichere Kreuzungsgestaltung an, denn hier besteht sicher das größte Handlungspotenzial und der größte Konsens. . Ich denke, dass wir da alle sehr ähnlich ticken.
> Wie ich anderer Stelle schon mal versucht habe aufzuzeigen, ist die Extrapolation der Schutzwirkung bestehender Hochbordinfra auf bestmöglich umgesetzte bauliche Separationslösungen nicht aussagekräftig,
Gilt das nicht genauso für das Gegenteil, dass man nicht vom Ist-Zustand auf einen bestmöglich umgesetzten Mischverkehr schließen darf? Im bestumgesetzten Mischverkehr werden Güter möglichst mit der Bahn transportiert und der LKW-Fahrer für die Feinverteilung hat genug Zeit, um auch mal hinter einem Kind zu warten, bis es zwei Ecken weiter in seine Wohnstraße eingebogen ist. Da gibt es andere Strafsätze für Verkehrsverstöße und es gibt wieder einen Verkehrspolizisten, der auch mal am Sonntag morgen Falschparker in Wohnvierteln büßt. Kinder sind nämlich gerne früh unterwegs. :-) Und wer sagt, dass man dann mit Führerscheinklasse B überhaupt noch SUV fahren darf in der Stadt? Warum soll nicht 25 km/h die tatsächliche Höchstgeschwindigkeit innerorts werden auf den Hauptstraßen und die Wohnstraßen werden zu Begegnungszonen nach schweizer Vorbild? Bezüglich der gemeinsamen Nutzung der Fahrbahn gibt es noch viel Optimierungsbedarf und der ist im Vergleich zu einer Voll-Separation an allen Hauptstraßen schneller und billiger.
Will sagen: So zu tun, als ob Gemeinsam nur im Ist-Zustand möglich ist, Separation aber auch in anderer Form, ist nicht plausibel. Den Ist-Zustand von Gemeinsam mit dem Soll-Zustand von Trennung ist zwar beliebt, aber wenig überzeugend. Dann doch bitte den Soll-Zustand von beidem vergleichen.
> das sieht man schon daran, dass mangelhafte Hochbordradwege nach wie vor nicht schlechter abschneiden, als ERA-konforme Pinselstrichseparation.
Wer sagt, dass die bisher nur in der Theorie existierenden besseren Radwege wirklich Unfälle verhindern? Dass sie bequemer sind, ist wahrscheinlich, aber über die Unfallzahlen kann man schlicht noch keine Aussagen machen. Für die typischen Rechtsabbiegeunfälle wird es ziemlich egal sein. ob der Radweg nun 1, 2 oder 3 Meter breit ist.
> Ich gehe mit Dir mit, zu sagen, dass der (Noch!)Großteil der NL-Infra, also die mittlerweile teils über vierzig Jahre alten Radwegeanlagen kein Positivbeispiel abgeben, aber schlicht und einfach nur deshalb, weil sie nicht mehr dem Verkehrsaufkommen gewachsen sind, das sie durch ihre Qualität erst induziert haben. Deswegen ist es auch einfach nicht angemessen, die für NL zur Zeit ungewöhnlich hohe Fatality-Rate an allein an der Infra festzumachen.
Das zeigt aber ein Problem auf – es sei denn man findet es sinnvoll, andauernd alles umzubauen. Ökologisch ist das eine Katastrophe. Das ist aber eine andere Ebene als die der Verkehrssicherheit.
> Den Holländern darf man eines nicht vorwerfen, nämlich dass sie ihr System nicht ständig weiterentwickeln und vor allem dafür hochwertige nationale Standards in der CROW festlegen, die von allen Kommunen akzeptiert sind.
… aber nicht konsequent umgesetzt werden:
https://nationaler-radverkehrsplan.de/de/aktuell/nachrichten/viele-kommunen-ignorieren-leitlinien-fuer
> Zum anderen die Verkehrsleistung mit dem Fahrrad, die in NL national bei fast 1000 Kilometer pro Jahr und Einwohner in Deutschland bei gerade mal um die 400 liegt
Wurden die Zahlen auch gleich erfasst? Gerade für Dt. gibt es doch gar keine vernüftigen Erhebungen dazu.
Und wie sehen die Zahlen aus, wenn man berücksichtigt, dass Deutschland einige Gebirge hat, die nachvollziehbarer Weise weniger Radanteil haben? Es wäre da zielführender Norddeutschland mit den NL zu vergleichen. Und dann darf man nicht außer acht lassen, dass die Bevölkerungsdichte in den NL doppelt so hoch ist wie in Deutschland.
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/440766/umfrage/bevoelkerungsdichte-in-deutschland/
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/214114/umfrage/bevoelkerungsdichte-in-den-niederlanden/
Wo die Bev-Dichte höher ist, wird mehr Rad gefahren. Deshalb ist der Radanteil in den Städten höher und da in den Innenstädten höher als in den Vororten. Einfach mal in einen Vorort von Münster oder Freiburg fahren. Da ist man ziemlich alleine unterwegs auf dem Rad.
Also die höhere Fahrleistung allein auf Seperation zurück zuführen ist nicht zielführend. Und ich halte es für methodisch schwierig bis unmöglich, dass wirklich klar zu bestimmen, da der Radverkehrsanteil von sehr vielen Faktoren beeinflusst wird.
> Es geht bei der Separation also nicht vorrangig darum, die Rolle des MIV zu zementieren, sondern darum Radfahren durch intelligente Separation und vor allem darum durch attraktive unterbrechungsfreie Wege den Stellenwert zu geben, den es für eine nachhaltige innerstädtische Nahmobilität braucht, indem man Geld in die Hand nimmt und ein Grid also ein exklusives Netz aufspannt, mit dem Radfahrende einfängt. Dieses Netz wird zum größten Teil aus Mischverkehr bestehen, aber trotzdem eben baulich angepasst und mit vielen Details (Vorrangschaltungen, Haltestangen, von mir aus auch geneigte Mülleimer, usw.) Radfahrenden signalisieren, dass sie auf den Straßen mindestens gleichwertig sind. Als zentrales Motiv für Cycling Advocacy in Deutschland sehe ich für die nächsten Jahre daher nicht die Radverkehrsführung als solche, sondern die sichere Kreuzungsgestaltung an, denn hier besteht sicher das größte Handlungspotenzial und der größte Konsens. . Ich denke, dass wir da alle sehr ähnlich ticken.
Das ist im Kern der deutsche Ansatz der letzten Jahre. Die Erfolgsbilanz ist ja bekannt. „Angebote schaffen und den Autoverkehr nicht antasten“. Das steht so oder indirekt in (fast) allen deutschen Plänen zur Radverkehrsförderung. Aber ging es in den NL nicht auch damit los, dass man die Wohnquartiere für den Autoverkehr unattraktiv machte und die Leute sich umstellen mussten und genau dann, wenn sich was ändert im Leben der Leute (neuer Wohnort, neue Stelle, Sperrung der bisher genutzten Straße), besteht eine kurze zeitliche Spanne, in der Leute andere Dinge wirklich und nicht nur in Umfragen in Frage ziehen und sogar ausprobieren. Zeigt die Mobilitätsforschung immer wieder auf. Glaub da sind die NL auch manchmal schlauer als Dt. Man muss die Radverbindung als erstes und nicht als letztes schaffen. Land auf Land ab werden die Ziele nicht erreicht, die man damit erreichen will. Der von mir nicht überprüfbaren Legende nach, hat in Kopenhagen irgendwann mal jemand angefangen, die Zahl der Parkplätze zu reduzieren. Das schafft veränderte Rahmenbedingungen, die sich negativ auswirken, und nur die führen – s. o. – dazu, dass man Veränderung wirklich in Erwägung zieht. Nur weil man aus dem Auto sieht, dass der Gehweg nun schmaler ist, um einem Radweg oder PBL Platz zu machen, steigt die Mehrheit nicht auf’s Rad um sondern ärgert sich höchstens, dass man daraus keine zweite Autospur gemacht hat.
Thomas Schlüter hat auf https://radunfaelle.wordpress.com/vergleich-de-nl/ mal einen Vergleich der Unfallrisiken für Radfahrer errechnet. Da schneidet NL trotz des baulich guten Radwegenetzes nicht gut ab.
Ich habe mich in letzter zeit nochmal intensiver mit Methodik befasst und dabei ist mir nochmal deutlicher geworden, dass diese Vergleichsuntersuchung Korrelationen finden können, aber keine Kausalitäten. Vielleicht hängt die höhere Zahl der Radkilometer und tödlichen verunglückten Radfahrer in den NL auch von einer dritten Größe ab und hat gar nichts mit Separation zu tun. Oder es ist schlicht Zufall.
@Markus Krossmann, ganz genau hinschauen:
1. Die Zahlen von TS sind trotz angeblicher Überarbeitung alleine aus methodischen Gesichtspunkten extrem zweifelhaft, da sie aus ganz unterschiedlichen Quellen mit teils völlig unterschiedliche Erhebungsmethoden stammen und vom Autor auf eigentümliche Weise „normiert“ werden. (s. dazu https://velocityruhr.net/blog/2016/12/25/postfaktisch/)
2. Trotz angeblich aktualisierten Zahlen bleibt der Hauptkritikpunkt weiter bestehen, nämlich die für die Auswertung wichtige Kennzahl der Fahrleistung ist nach wie vor zweifelhaft berechnet und daher viel zu hoch angesetzt mit 39,75 Mrd. statt 25,8 Mrd. PKM (Quelle: Destatis für das Jahr 2015). Bei Annahme von 25,8 Mrd Personenkilometer sähe das Ergebnis schon gleich deutlich realistischer aus (NL: 11,73; D: 14,85), dann hätte man nämlich gleich eine um über ein Viertel höhere Mortalität deutscher Infrastruktur!
3. Abgesehen davon, verteilt sich die Fahrleistung zudem in D auf weniger und mehr erfahrenere Fahrradfahrerinnen.
4. Den Vorwurf mit seinem Sample über Zehnjähriger Verkehrsteilnehmer die Zahlen massivst zu verfälschen, kann er nicht entkräften (TS auf seiner Website: „Da das Fahrrad aber offensichtlich auch in Deutschland einen wesentlichen Beitrag zur Alltagsmobilität der Kinder leistet, wäre diese komplette Subtraktion unredlich.“). Die Verkehrsleistung deutscher Schulkinder auch nur annähernd mit der niederländischer zu vergleichen ist schon sehr hanebüchen (aber sie passt deshalb gut in das scheinbare Schema seiner Berechnungen).
5. Weiter verzerrende Faktoren wie unterschiedliche Nutzung des Fahrrads für Alltags- und Freizeitmobilität werden praktisch nicht angemessen berücksichtigt.
6. Diese Zahlenspielerei sagt so oder so nichts aus über die Schutzwirksamkeit von baulicher Radinfrastruktur, denn auch in NL wird ein Großteil des Radverkehrs im MV abgewickelt (Woonerfs, Fietsstraat, Schutz- und Radstreifen, etc.). Bei genauer Betrachtung der Datenquelle fällt dementsprechend auf, dass fast die Hälfte der Fatalities auf Fahrbahnen registriert wurden.
Kurz und knapp: Vergiss die Zahlen möglichst ganz schnell wieder ;)
@Norbert P., Danke für die ausführliche Antwort, aber Deine Argumente erscheinen mir eher ein teilweise unschlüssiger Denialism-Stakkato zu sein, in dem Du Dich etwas verzettelst mit Deinen Gegenargumenten auf die man nur schwer griffig eingehen kann, weil sie teils subjektiv und teils spekulativ sind. Beispiele:
Du schreibst, die Niederlande haben nur deshalb einen so hohen Anteil an gefahrenen Kilometer pro Einwohner, weil sie eine höhere Einwohnerdichte haben. Welchen wissenschaftlich relevanten monokausalen Zusammenhang zwischen Einwohnerdichte und Fahrradnutzung gibt es Deiner Meinung nach konkret?
Folgerichtig müsste ja dann der Radanteil zur Bevölkerungsdichte in Ballungsräumen proportional ansteigen. In Mumbai (36.228 Einw./km²) wird aber deutlich weniger mit dem Rad gefahren als in Berlin mit 4.039 Einw. je km². Es scheint also doch mindestens einen anderen maßgeblichen Einfluss zu geben, insofern ist dieser Einwand rein wissenschaftlich betrachtet schon mal verkehrt.
Da Du selber weiter aufgrund angeblich mangelnder Datenlage anzweifelst, dass ERA-konforme Radwege sicherer seien, müsstest Du konsequenter Weise Deine Aussagen bezüglich Mischverkehr ebenfalls anzweifeln, denn für Deutschland gibt es nach wie vor keine wissenschaftliche Vergleichsstudie hinsichtlich MV und Separation (Vergleich Vorher-Nachher) Hier bewegst Du Dich im Bereich der Spekulation und Vermutung, wohingegen es schon internationale Studien gibt, die die Schutzwirksamkeit guter Radinfra gegenüber MV nahelegen.
http://cyclingincities-spph.sites.olt.ubc.ca/files/2012/10/BICEstudyBrochure.pdf
Die Notwendigkeit zum Umbau von Radwegen ist infolgedessen, aber zwingend:
…Das zeigt aber ein Problem auf – es sei denn man findet es sinnvoll, andauernd alles umzubauen. Ökologisch ist das eine Katastrophe. Das ist aber eine andere Ebene als die der Verkehrssicherheit…
Du findest es also aus ökologischen Gründen sinnvoller, veraltete und gefährliche Verkehrsinfra bestehen zu lassen, statt sie zur Erhöhung der Verkehrssicherheit nach neuestem RASt/EFA/ERA-Stand anzupassen?
Dein letzter Absatz lässt Annäherung zu, zeigt aber wiederum wie unrealistisch die Umsetzung der VC-Idee gegenüber Separation praktisch ist:
… Im bestumgesetzten Mischverkehr werden Güter möglichst mit der Bahn transportiert und der LKW-Fahrer für die Feinverteilung hat genug Zeit, um auch mal hinter einem Kind zu warten, bis es zwei Ecken weiter in seine Wohnstraße eingebogen ist. Da gibt es andere Strafsätze für Verkehrsverstöße und es gibt wieder einen Verkehrspolizisten, der auch mal am Sonntag morgen Falschparker in Wohnvierteln büßt…
Das ist eine – zugegebenermaßen ganz nette – Utopie, aber auch nicht wesentlich mehr, denn es geht bei der Unfallprävention im Straßenverkehr nun mal nicht nur um die wünschenswerte Überwachung und Einhaltung von Vorgaben, sondern auch und ganz zentral um die Verhinderung von (unbeabsichtigter) Nichteinhaltung (!) und dafür hat MV keine aber auch wirklich keine vernünftige Lösung parat.
Auf der anderen Seite kann durch Separation mit verhältnismäßig geringem Aufwand schon bedeutend mehr Verkehrssicherheit in relativ kurzer Zeit erreicht werden.
Mich wundert, dass die methodische Kritik immer nur für die Gegenseite gilt, nicht aber für eigene Überlegungen. Außer auf der von dir gescholtenen Webseite habe ich noch nie gelesen, dass man versucht, die Kritik der Gegenseite anzunehmen. So wird die Diskussion sich weiter im Kreis drehen.
> 3. Abgesehen davon, verteilt sich die Fahrleistung zudem in D auf weniger und mehr erfahrenere Fahrradfahrerinnen.
Da du ja hier Belege einforderst, wäre es ganz sinnvoll, die selber auch anzuführen, oder? :-)
> 4. Den Vorwurf mit seinem Sample über Zehnjähriger Verkehrsteilnehmer die Zahlen massivst zu verfälschen, kann er nicht entkräften (TS auf seiner Website: „Da das Fahrrad aber offensichtlich auch in Deutschland einen wesentlichen Beitrag zur Alltagsmobilität der Kinder leistet, wäre diese komplette Subtraktion unredlich.“). Die Verkehrsleistung deutscher Schulkinder auch nur annähernd mit der niederländischer zu vergleichen ist schon sehr hanebüchen (aber sie passt deshalb gut in das scheinbare Schema seiner Berechnungen).
Wer macht das wo?
> 6. Diese Zahlenspielerei sagt so oder so nichts aus über die Schutzwirksamkeit von baulicher Radinfrastruktur
… und genauso wenig bzgl. des Mischverkehrs. Wenn, findet man, wie oben gesagt, höchsten Korrelationen.
@Norbert P., Danke für die ausführliche Antwort, aber Deine Argumente erscheinen mir eher ein teilweise unschlüssiger Denialism-Stakkato zu sein, in dem Du Dich etwas verzettelst mit Deinen Gegenargumenten auf die man nur schwer griffig eingehen kann, weil sie teils subjektiv und teils spekulativ sind.
Sag doch einfach, dass du nicht diskutieren willst.
> Du schreibst, die Niederlande haben nur deshalb einen so hohen Anteil an gefahrenen Kilometer pro Einwohner, weil sie eine höhere Einwohnerdichte haben. Welchen wissenschaftlich relevanten monokausalen Zusammenhang zwischen Einwohnerdichte und Fahrradnutzung gibt es Deiner Meinung nach konkret?
Das hat was mit Entfernungen zu tun. Es macht nun mal einen Unterschied, ob Supermarkt, Schule, Kino im Umkreis von 4 km liegen oder im Umkreis von 40 km.
> Folgerichtig müsste ja dann der Radanteil zur Bevölkerungsdichte in Ballungsräumen proportional ansteigen. In Mumbai (36.228 Einw./km²) wird aber deutlich weniger mit dem Rad gefahren als in Berlin mit 4.039 Einw. je km². Es scheint also doch mindestens einen anderen maßgeblichen Einfluss zu geben, insofern ist dieser Einwand rein wissenschaftlich betrachtet schon mal verkehrt.
Wer sagt, dass Radverkehrsanteile allein von der Bevölkerungsdichte abhängig sind? Ich nicht. Kultur und Geschichte spielen eine Rolle. Und die ist da wohl etwas anders als hier. Dann gibt es noch die Topografie usw. usf.
> Da Du selber weiter aufgrund angeblich mangelnder Datenlage anzweifelst, dass ERA-konforme Radwege sicherer seien,
Die Aussage bezog sich auf den Vergleich zwischen Radwegen jetzt und den angeblich sicheren Radwegen.
> müsstest Du konsequenter Weise Deine Aussagen bezüglich Mischverkehr ebenfalls anzweifeln, denn für Deutschland gibt es nach wie vor keine wissenschaftliche Vergleichsstudie hinsichtlich MV und Separation (Vergleich Vorher-Nachher) Hier bewegst Du Dich im Bereich der Spekulation und Vermutung, wohingegen es schon internationale Studien gibt, die die Schutzwirksamkeit guter Radinfra gegenüber MV nahelegen.
> http://cyclingincities-spph.sites.olt.ubc.ca/files/2012/10/BICEstudyBrochure.pdf
Studien der Art gibt es für Deutschland auch und dienen bekanntlich mal der einem und mal der anderen Seite als Beleg.
Wie du sagst, gibt es da nichts umfassendes für Dt. Also bleibt die Frage ungeklärt,wie man in Deutschland die Radverkehrssicherheit maximieren kann.
> Die Notwendigkeit zum Umbau von Radwegen ist infolgedessen, aber zwingend:
Die Notwendigkeit ergibt sich nun woraus? Weil im 2 %-Radverkehrsanteilland Kanada jemand was beobachtet hat? Weil du nicht an einer andere StVO glaubst?
> Du findest es also aus ökologischen Gründen sinnvoller, veraltete und gefährliche Verkehrsinfra bestehen zu lassen, statt sie zur Erhöhung der Verkehrssicherheit nach neuestem RASt/EFA/ERA-Stand anzupassen?
Nein. Mir ging es vor allem um den ganzen Bestand ohne soetwas.
> Dein letzter Absatz lässt Annäherung zu, zeigt aber wiederum wie unrealistisch die Umsetzung der VC-Idee gegenüber Separation praktisch ist:
VC ist – der Entstehung nach – eine Überlebensstrategie für Radkurriere in NY und Leuten, die unter ähnlich schlechten Bedingungen Rad fahren. Diese Community ist als historisch der Wegbereiter für alle heutigen PBL-Verfechter, weil sie das Rad überhaupt erst wieder mit einem postiven Image besetzt haben „Das ist was für harte Jungs“ und dann wollten andere auch als harte Junges gelten, aber irgendwie nicht immer um ihr Leben bangen. Aber VC ist doch keine Konzept für eine Weiterentwicklung. Und die davon abgeleitete Variante, dass alles gut wird, wenn wir alle auf der Fahrbahn fahren bei ansonsten gleichen Rahmenbedingungen, ist auch keine Lösung. Und PBL-Befürworter denken genauso wenig über das Verändern der Rahmenbedingungen nach, sondern halten mal mehr, mal weniger intensiv daran fest, dass man eigentlich nichts ändern kann. Damit will ich jetzt Tendenzen beschreiben und nicht sagen, dass alle in Schubladen denken. Aber die Erfahrung sagt, dass man bei kritischen Rückfragen oder Zweifel immer gleich in die Schublade VC (aus Sicht von PBL) oder PBL (aus Sicht von VC) gesteckt wird.
> Das ist eine – zugegebenermaßen ganz nette – Utopie, aber auch nicht wesentlich mehr, denn es geht bei der Unfallprävention im Straßenverkehr nun mal nicht nur um die wünschenswerte Überwachung und Einhaltung von Vorgaben, sondern auch und ganz zentral um die Verhinderung von (unbeabsichtigter) Nichteinhaltung (!) und dafür hat MV keine aber auch wirklich keine vernünftige Lösung parat.
Interessante These angesichts von verkehrsberuhigten Bereichen, in denen man nicht rasen kann. Ein Restrisiko bleibt. Aber das bleibt auch bei jedem PBL. Wenn nämlich ein Auto mal so richtig außer Kontrolle gerät, bringen Plastikpoller und Co. nichts mehr.
Auch PBL kann man zuparken (oder man nimmt eine Sperrwirkung für den Fußverkehr in Kauf), mit Mülltonnen zustellen etc. Auch da lauern Gefahren, durch nicht regelkonformes Verhalten. Auch Radfahrer können sich falsch verhalten und jeder Poller, jeder Blumenkübel erschwert es, auf das Fehlverhalten zu reagieren.
Um es nochmal deutlicher zu sagen: Mich stören vor allem die falschen Heilsversprechen und Vereinfachungen sowie das wortwörtliche Zementieren des Status-Quo.
> Auf der anderen Seite kann durch Separation mit verhältnismäßig geringem Aufwand schon bedeutend mehr Verkehrssicherheit in relativ kurzer Zeit erreicht werden.
Geringer Aufwand, wenn man deutschlandweit alle innerörtlichen Hauptstraßen umbaut? Angesichts dessen, dass die Städte nicht mal mit dem Unterhalt hinterher kommen, ist das mindestens genauso utopisch.^^
Die Schlüter-Zahlen kann als hinfällig betrachten, denn wenn schon die Zahlen verkehrt sind, auf deren Annahme sie beruhen, erübrigt sich jede weitere Diskussion über die Methodik..
ZITAT: Mich wundert, dass die methodische Kritik immer nur für die Gegenseite gilt, nicht aber für eigene Überlegungen. Außer auf der von dir gescholtenen Webseite habe ich noch nie gelesen, dass man versucht, die Kritik der Gegenseite anzunehmen. So wird die Diskussion sich weiter im Kreis drehen.
Welche Kritik meinst Du konkret? Etwa die Kritik aus dem völlig verkorksten Versuch niederländische Radinfra mit invaliden Zahlen zu verunglimpfen. Ich persönlich erkenne da keine Kritik sondern nur Hilflosigkeit und argumentative Schwäche. Aber wenn Du nicht gut findest, dass sich die Argumentation im Kreis drehst, warum behauptest Du dann zum Beispiel folgendes ohne einen Beleg dafür liefern zu können?
ZITAT: das hat was mit Entfernungen zu tun. Es macht nun mal einen Unterschied, ob Supermarkt, Schule, Kino im Umkreis von 4 km liegen oder im Umkreis von 40 km.
oder:
ZITAT: Wer sagt, dass Radverkehrsanteile allein von der Bevölkerungsdichte abhängig sind? Ich nicht. Kultur und Geschichte spielen eine Rolle. Und die ist da wohl etwas anders als hier. Dann gibt es noch die Topografie usw. usf.
Doch Du selbst hast genau das vor zwei Tagen geschrieben ;)
ZITAT: Wo die Bev-Dichte höher ist, wird mehr Rad gefahren. Deshalb ist der Radanteil in den Städten höher und da in den Innenstädten höher als in den Vororten. Das hat was mit Entfernungen zu tun. Es macht nun mal einen Unterschied, ob Supermarkt, Schule, Kino im Umkreis von 4 km liegen oder im Umkreis von 40 km
Diese Aussage lässt sicher keinen anderen als einen monokausalen Zusammenhang erkennen und ist in ihrer logischen Einfachheit zu kurz gedacht, denn wenn es stimmen würde, müsste der RVA im Flächenland Baden-Württemberg niedriger sein, als in der Landeshauptstadt Stuttgart, das ist nicht der Fall..
Topografie und Geschichte als Unterschied zweier benachbarter und kulturell fast identischer Regionen als verallgemeinernde Begründung einer krass divergierenden Entwicklung in Sachen Radverkehr ebenso. Nur Interessehalber: Warum ignorierst Du beispielsweise das meerseitige Klima mit häufigen starken Böen und bauliche Hürden durch sichere Radinfra (Brücken und Tunnel). Auch hier gibt es genügend Gründe das Rad aus Bequemlichkeit stehen zu lassen, trotzdem fahren die Niederländer mindestens doppelt so viel Rad wie die Deutschen im Schnitt.
ZITAT: Um es nochmal deutlicher zu sagen: Mich stören vor allem die falschen Heilsversprechen und Vereinfachungen sowie das wortwörtliche Zementieren des Status-Quo.
Als an der aktuellen Diskussion beteiligter hättest Du eigentlich mitbekommen können, dass in 9 von 10 Handlungsfeldern größtenteils Einigkeit besteht hinsichtlich der Frage wann und wo bauliche Infrastruktur sinnvoll ist und wo eher nicht, bwz wie man Mischverkehr organisieren kann bzw. sollte, damit er maximale Sicherheit entfaltet. Um das zu erfahren lohnt praktisch immer ein Blick über die Grenze in die benachbarten Niederlande, wo – trotz von einigen Kommunen nicht immer stringent eingehaltener Bauvorgaben – die Wahrscheinlichkeit auf dem Rad zu verunglücken, dank Unfallforschung seit Jahren stetig abgenommen hat in Relation zu gefahrenen Personenkilometern. Die um ein Viertel niedrigere Mortalitätswahrscheinlichkeit, kann man schlecht bestreiten, indem man sichere Radinfra in die Nähe von Heilsversprechungen fabuliert..
ZITAT: Die Notwendigkeit ergibt sich nun woraus? Weil im 2 %-Radverkehrsanteilland Kanada jemand was beobachtet hat?
Jaja die triviale Whataboutism-Strategie kennt man ja schon aus anderen Beiträgen von Dir, aber die BICE-Studie stammt ja nun nicht gerade von einem Rentner, der tagsüber am Fenster den Verkehr mit einer Strichliste beobachtet hat, sondern von der University of British Columbia, die im weltweiten Ranking unter den Top 30 der Wissenschaftsstandorte rangiert, aber ganz offensichtlicht hast Du mit dem Ergebnis sehr viel größere Probleme als mit der Methodik, die unbestreitbar wissenschaftlich ist, wie auch die Untersuchung von Pucher und Buehler aus dem Jahr 2010 bestätigt, wonach Toronto in Sachen Radwegesicherheit weltweit hinter Amsterdam, Kopenhagen und Vancouver auf Platz vier rangiert..
> Die Schlüter-Zahlen kann als hinfällig betrachten, denn wenn schon die Zahlen verkehrt sind, auf deren Annahme sie beruhen, erübrigt sich jede weitere Diskussion über die Methodik..
????
Ich soll dir beweisen, dass es für die Menschen ein Unterschied ist, ob sie 4 oder 40 km fahren müssen und dass die Mehrheit der Bevölkerung nicht willens ist 40 km mit dem Rad zum Supermarkt zu fahren?
> ZITAT: Wer sagt, dass Radverkehrsanteile allein von der Bevölkerungsdichte abhängig sind? Ich nicht. Kultur und Geschichte spielen eine Rolle. Und die ist da wohl etwas anders als hier. Dann gibt es noch die Topografie usw. usf.
> Doch Du selbst hast genau das vor zwei Tagen geschrieben ;)
Ja, wenn man durch deine „Der darf und kann nicht recht haben“-Brille guckt, ja.
> Als an der aktuellen Diskussion beteiligter hättest Du eigentlich mitbekommen können, dass in 9 von 10 Handlungsfeldern
Aha. Dafür gehst du mich ganz schön im Schutze der Anonymität an.
> ZITAT: Die Notwendigkeit ergibt sich nun woraus? Weil im 2 %-Radverkehrsanteilland Kanada jemand was beobachtet hat?
> Jaja die triviale Whataboutism-Strategie kennt man ja schon aus anderen Beiträgen von Dir, aber die BICE-Studie stammt ja nun nicht gerade von einem Rentner, der tagsüber am Fenster den Verkehr mit einer Strichliste beobachtet hat, sondern von der University of British Columbia, die im weltweiten Ranking unter den Top 30 der Wissenschaftsstandorte rangiert, aber ganz offensichtlicht hast Du mit dem Ergebnis sehr viel größere Probleme als mit der Methodik, die unbestreitbar wissenschaftlich ist, wie auch die Untersuchung von Pucher und Buehler aus dem Jahr 2010 bestätigt, wonach Toronto in Sachen Radwegesicherheit weltweit hinter Amsterdam, Kopenhagen und Vancouver auf Platz vier rangiert.
Wieso verwendest du so viel Aufwand darauf, jemand von etwas überzeugen zu wollen, obwohl du der festen Überzeugung bist, dass ich eh ideologisch verblendet bin? Ach scheiße, dass ist ja jetzt bösester Whataboutism. War trotzdem eine ernst gemeinte Frage, woher du die Übertragbarkeit nimmst.
Jaja, der Pucher, der schreibt Münster wäre so toll zum Radfahren.
Scheinbar hast Du ja kein Interesse auf die Gegenargumente einzugehen, wenn man sie auf dem Silbertablett serviert, deswegen bleibt einem halt oft nur die Sarkasmus- oder die Polemik-Karte zu ziehen.
Und da es ja hier im Beitrag ganz vorrangig um die Sinnhaftigkeit der Einführung von Assistenzsystemen geht und weniger darum, ob bauliche Radinfra ökologisch oder schön anzusehen sind, musst Du jetzt nicht gleich in die Opferrolle schlüpfen, wenn man Dich darauf hinweist, dass solche Beiträge eben nicht gerade sonderlich viel zur Beantwortung der o.g. Fragestellung beitragen können.
Deswegen liegt es mir auch fern, Dich von irgendetwas überzeugen zu wollen, sondern vielmehr darum, diffuse Vorbehalte, die hier als Gegenargumente gegen Radinfra herhalten müssen, solange zu kommentieren wie ich es für sinnvoll und angebracht halte. Es wäre doch schade, wenn die Schlüter-Zahlen zum Beispiel ein völlig falsches Bild von der niederländischen Radlerhölle projizieren.
Ich halte es für unplausibel, grundlegend sagen zu können, die Art von Verkehrsinfrastruktur ist überall auf der Welt immer besser als die. Das Gleiche gilt erst Recht, wenn ich die Betrachtung auf das Thema Sicherheit verkürze, wie das beim Thema Radverkehr aktuell der Fall ist. Dafür ist das alles komplex. Es macht z. B. einen Unterschied, ob auf einem baulich gleichen Radweg noch Mofas und Rollstuhlfahrer unterwegs sind und alles damit leben können oder ob das nicht zulässig ist und Radfahrer Revierverhalten an den Tag legen. Es macht ein Unterschied, wie Radverkehr öffentlich wahrgenommen wird. Usw. usf.
Von mir aus glaub doch daran, dass alles gut wird, wenn wir alles bepömpeln. Ich habe nur was dagegen, dass das alles bewiesene, naturgesetzliche Lösung verkauft wird – wobei häufig gar nicht klar ist, was überhaupt das Ziel ist. Mehr Radverekhr um des mehr Radverkehrswillens finde ich wenig überzeugend. Aber ich bin mir nicht mal sicher, ob das wirklich bei dieser PBL-Diskussion wirklich immer das Ziel ist. Nein, ich behaupte auch nicht, dass das Gegenteil beweisen wäre. Mir geht es gar nicht darum, sondern immer noch primär um die politische Frage: „Wie wollen wir leben“. Und da gibt es kein richtig und falsch. Wer erst einsetzt bei dieser Sicherheitsdebatte, hat schon längst die zugrundeliegenden politischen Fragen beantwortet und sich dafür entschieden, dass der Autoverkehr weiterhin die Rolle in den Städten haben wird und weiterhin bevorzugt wird und dass er das Konkurrenz-Denken befürwortet („meine Fläche – Deine Fläche“ aka Flächengerechtigkeitsdebatte.). Aber das sind für mich keine attraktiven Vorstellung für die Städte und Dörfer der Zukunft. Ich hätte gerne eine minimierte Verkehrsfläche, Straßen, die überall keine besondere Gefahren für Fuß- und Radverkehr haben und vor allem fußverkehrsfreundliche Städte aufgrund ihrer vielen Vorteile und eine starke Reduzierung des Autoverkehrs.
Harald Welzer bemerkte die Tage in einem Interview an:
https://perspective-daily.de/article/596/YOstsGI0
„Ich verstehe nicht, warum die Millionen an Helikoptereltern, die ihre Kinder in Warnwesten über die Straße bringen, nicht jeden Tag in der Invalidenstraße vor dem Wirtschaftsministerium von Herrn Altmaier demonstrieren. Es gab noch nie eine solche Hysterie um das Wohlergehen von Kindern. Ja, Rufus-Theodor wird wahrscheinlich für immer leben, dem macht der Klimawandel nichts, aber dem macht es was, ohne Warnweste über die Straße zu gehen? Statt dass sie mal auf die Idee kommen, gegen Autos zu demonstrieren. Das ist wahnsinnig.“
Genauso kann man fragen, wie so paternalistische Radaktivisten Oma Erna die ganze Zeit mit PBL schützen wollen anstatt gegen das grundlegende Problem vorzugehen. Und wer meint, es wäre realistisch, unsere Großstädte alle mit PBL zu versehen, kann kaum sagen, dass wäre unrealistischer. Weniger Autos ist ohne reihenweise Enteignungen möglich, um dann Häuserzeilen abzureisen, um Straßenquerschnitte zu bekommen, bei denen ich 2 Fahrbahnen, 2 PBL, 2 breite Gehwege und die ganzen Trennungen rein bekomme. Nicht überall habe ich Straßenquerschnitte wie in Berlin. In der Provinz musste man enger bauen.
Ich weiß nun leider wirklich nicht mehr, was ich noch schreiben soll, weil du mir nicht zugestehen magst, dass man skeptisch sein kann – und das auch noch, ohne damit für die Gegenseite Partei zu ergreifen. Und das dann diffuse Vorbehalte nennen, führt halt auch nicht weiter.
Und zurück zum Thema Abbiegeassistenten: Ist natürlich sinnvoll, aber verhindert nicht, dass die Anzahl an Konflikpunkten im Kreuzungsdesign bei Radwegen deutlich höher ist, als wenn man auf Mischverkehr setzt. Und die lösen auch nicht, dass wir viel zu weiträumige Güterströme haben und die dann auch noch vergleichsweise wenig stadt-/dorfverträglich abwickeln. Wie verrückt ist es, dass es einfacher ist, direkt in China Backformen zu bestellen als in einer deutschen Großstadt in einer Handwerkstöpferei eine Tonbackform zu erwerben. Solang man all das ausblendet, kratzt diese ganze Debatte, die Nachdenken über’s Radfahren auf Sicherheit fokussiert und sich dann auf Symtombehandlung beschränkt, nur an einer Oberfläche. Aber all das kann man nun nicht in 160 Zeichen und ein Foto packen. Da muss man nachdenken, sich in Frage stellen usw. usf. Daher verstehe ich, wenn Leute das nicht machen und lieber Bilder bei Twitter teilen in ihrer Peer-Group. Aber damit gehört man nicht zu den 5 % mit Avantgarde-Denken, von denen Welzer spricht, die es braucht, um Dinge zu verändern. Wer die Unveränderlichkeit der Relevanz und des Stellenwertes des Autos nicht in Frage stellt, gehört zum Gegenteil, wenn er auch noch drauf beharrt, dass es so bleiben muss. Und mal mehr und mal weniger intensiv steckt genau diese Denke in vielen Separation-Phantasien drin. Davon, dass das eine Übergangstechnologie sein soll, spricht nämlich keiner ihrer Verfechter. Also wird bewusst oder unbewusst angenommen, dass das mehr an Radverkehr nicht zu einer Reduktion von Autoverkehr führt. Angesichts des immer weiter steigenden Verkehrsaufkommens vielleicht gar nicht so realistisch, wenn man man nichts grundlegend ändern will.
[Zitat Norbert]Von mir aus glaub doch daran, dass alles gut wird, wenn wir alles bepömpeln.
Dass man das Thema bauliche Trennung noch immer, trotz der vielen positiven – auch nationalen! – Verkehrsunfall-Studien als Glaubensfrage verkaufen kann (oder will) ist das Eine, dass man aber aus dem sehr sicherheitswirksamen Radförderungsinstrument ganz offensichtlich despektierlich eine Pömpelarie macht, grenzt schon nicht mehr nur an Verunglimpfung, denn Pömpel oder Protected Bikelanes sind nur ein winzig kleiner Aspekt beim Thema Vision Zero.
Es geht dabei aber nicht nur um Unfallvermeidung, sondern vor allem (!) darum, die Exposition von Luftschadstoffen auf ein Minimum zu reduzieren. Meistens wird genau das ganz gerne vom FC Mischverkehr großzügig ausgeklammert, obwohl nach wie vor in etwa zehnmal mehr Menschen jährlich vor allem in den Städten an den Folgen der Luftverschmutzung sterben, als an Verkehrsunfällen.
Was wiederum das (lokal-)politische Ziel von Radverkehrsförderung letztlich auch immer ist, hängt von den jeweiligen Gegebenheiten ab. Aus Bürgersicht kann man es aber auf einen ganz, ganz einfachen Nenner bringen: Am Ende des Tages möchte man in einem möglichst risikoarmen Umfeld leben, wo man weder durch Abgase noch durch Unfälle in seiner Gesundheit bedroht wird.
Für beides liefert Mischverkehr die jeweils schlechteste Blaupause ab. Einerseits indem es die Verkehrsarten auf eine Ebene zwängt ohne die verschiedenen Bedürfnisse der unterschiedlichen Geschlechter von 8 bis 80 Jahren und deren Leistungspotenziale zu berücksichtigen und andererseits, weil es dadurch Menschen vom Radfahren praktisch überall auf der Welt abhält. Ganz schön und aktuell dazu der Artikel des Tagesspiegel zum Thema, der es auf den Punkt bringt:
[Zitat]Der Radverkehr in der Stadt steigt seit 1972 konstant an. Fragt man Interessenverbände und Ottonormalberliner, was sie als größte Gefahr beim Radfahren empfinden, hört man immer wieder: Den Überholabstand von Autos. „Das macht Menschen einfach Angst“, sagt Lara Eckstein vom ADFC: „Durch knappes Überholen entsteht ein Unsicherheitsgefühl auf der Straße, wegen dem sich viele Menschen nicht aufs Rad trauen.“
In der Realität kann MV/VC einfach nicht die nötige Distanz zum verbrennungsmotorisierten MIV herstellen, um vernünftigen Gesundheitsschutz zu gewährleisten. Eine minimale Vergrößerung der Abstände zum motorisierten Verkehr verringert nicht nur die subjektive Sicherheit, sondern in aller Regel ganz erheblich die Schadstoffbelastung – ganz besonders für junge Radfahrende. Daher ist es nicht nur unsinnig zu sagen, dass man auf der Strecke MV präferiert, sondern höchst ignorant den noch nicht radfahrenden gegenüber.
https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/luftverschmutzung-auf-dem-rad-abstand-halten-um-abgase-zu-vermeiden
So oder so ist es nur polemisch zu behaupten. bauliche Trennung sei lebenserhaltend für das Auto in der Stadt. Andersrum passt der Schuh: In erster Linie schafft man es nur durch die Forderung nach bauliche Transformation der Städte, dem MIV Gelder abzugraben. Warum? Wenn von Radinfra die Rede ist, kann man sich ja schon vorstellen, dass die Investitionen in bauliche Radwegeanlagen, neue Kreuzungen, Brücken und Tunnelbauwerke, etc. pp. eine ganze Stange Geld kosten wird. Wenn ich aber alle Radfahrerinnen wieder als lebende Hindernisse auf die Straßen schubsen möchte, bringt das im Endeffekt auf Dauer nolens volens den Nachteil, das gewachsene Infrastruktur nicht mehr finanziert werden muss. Wohin das eingesparte Geld im Endeffekt wandert, kann sich jeder selber denken..
Aber ganz abgesehen davon, wird Mischverkehr in der Praxis sowieso seltenst in der Form realisiert, wie er meist stimmungsvoll als hippieskes Begegnungsmodell idealisiert wird, sondern eben doch als Separation von im künstlerischen Sinne dadaistischer Fraktionierung der Radwegeverbindungen – und das in aller Regel eben vollständig ohne Nachteil für die Autofahrenden oder Anreize zum Umsteigen auf das Rad.
Zweitens führt bauliche Separierung an Hauptstraßen – und dort wo Radfahren aus emotionaler Perspektive gefährlich ist (Das kann man sehr gut messen)- zu mehr Radverkehr. Das beantwortet en passant auch Deine Frage, wozu Radverkehrsförderung eigentlich gut sein soll, wenn sie nicht nur Selbstzweck werden soll.
Einfache Antwort: Bauliche Infra führt zu Perspektivwechsel und zu deutlich weniger Autoverkehr durch mehr positive Erfahrungen auf dem Rad. Das wiederum begünstigt, dass mehr Menschen, das Rad in ihren Alltag integrieren. In Summe fahren dadurch mehr Menschen häufiger mit dem Rad, was die Zulassungsquote letztlich nach unten schraubt. Proven in the NL!
Beweise doch das Gegenteil oder zeige eine Stadt auf der Welt, die das ohne Radinfra geschafft hat – Ich bin gespannt! Bisher hat aber genau an diesem Punkt jede Diskussion über die Notwendigkeit von sicheren RWA noch immer abrupt ein Ende gefunden..