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Unfallforschung fordert elektronischen Abbiegeassistenten für LKW

Fast 500 Menschen sterben jedes Jahr durch Unfälle mit LKW, über 3.200 weitere werden schwer verletzt. Eine Analyse der Unfallforschung der Versicherer (UDV) hat ergeben, dass viele dieser Unfälle mit den heute verfügbaren technischen Maßnahmen vermeidbar wären oder glimpflicher ablaufen würden.

Fast 500 Menschen sterben jedes Jahr durch Unfälle mit LKW, über 3.200 weitere werden schwer verletzt. Eine Analyse der Unfallforschung der Versicherer (UDV) hat ergeben, dass viele dieser Unfälle mit den heute verfügbaren technischen Maßnahmen vermeidbar wären oder glimpflicher ablaufen würden. Untersucht wurde dabei auch das Unfallgeschehen zwischen LKW und Radfahrer. Hier sind die Unfallfolgen regelmäßig besonders schwer.

Tragisch verlaufen demnach Unfälle zwischen rechtsabbiegenden LKW und Radfahrern, die meist innerorts und an Kreuzungen oder Einmündungen passieren – und das trotz Ampel oder Radfahrerfurt. „Häufig werden die Radfahrer vom Lkw überrollt. Deshalb ist auch der Anteil der getöteten Radfahrer bei diesen Unfällen sehr hoch.“



Die UDV fordert daher einen wirksamen elektronischen Abbiegeassistenten für Lkw, der den Fahrer bei Anwesenheit eines Radfahrers neben dem LKW warnt. Er könnte laut UDV in über 60 Prozent aller Unfälle zwischen LKW und Radfahrer den Unfall verhindern oder zumindest abschwächen. Er sollte auch für Fahrzeuge der Bau- und Entsorgungswirtschaft, die mehr als die Hälfte der relevanten Unfälle verursachen, vorgesehen werden.

  • Ein Abbiegeassistent muss für alle Lkw vorgeschrieben werden.
  • Systeme mit warnender Funktion sind gut; Systeme mit Notbremsfunktion wären besser.
  • Abbiegeassistenten auch für Bau- und Entsorgungsfahrzeuge
  • Als Übergangslösung für bestehende Fahrzeuge können Kamera-Monitor-Systeme den Lkw-Fahrer unterstützen.
  • Radwege müssen im Einmündungsbereich direkt an der Fahrbahn geführt werden.

Mit einem solchen System könnten laut UDV jährlich etwa 28 Unfälle mit getöteten und 160 mit schwer verletzten Radfahrern durch rechtsabbiegende LKW vermieden oder die Unfallfolgen deutlich gemildert werden. Zumindest der letzte Punkt ist strittig, denn es gibt auch eine andere Herangehensweise.

In Osnabrück ist Mitte Oktober wieder eine Radfahrerin von einem rechtsabbiegenden LKW getötet worden. An anderer Stelle in der Stadt kamen bereits drei Radfahrer ums Leben, weshalb die Stadt die Ampelschaltung so geändert hat, dass geradeausfahrende Radfahrer nicht mehr mit dem rechtsabbiegenden Verkehr Grün haben. Da das nicht überall möglich ist, wären technische Assistenzsysteme sicher hilfreich. In Osnabrück wird darüber hinaus eine Lösung gesucht, große LKW generell aus der Stadt rauszuhalten. Dafür gibt es momentan aber noch keine rechtliche Handhabe. Insbesondere nicht für die Speditionen, die ihren Sitz auf dem Stadtgebiet haben. Hier kann man nur an die Spediteure appellieren, immer die nächste Autobahnauffahrt anzusteuern. Eine Selbstverpflichtung gibt es bereits. LKW sieht man trotzdem so zahlreich durch die Stadt fahren, dass die Unabhängige Wählergemeinschaft (UWG) sich gerade zu einer Zählung getroffen hat. Das Ergebnis steht noch aus…

Foto: dd

3 Antworten auf „Unfallforschung fordert elektronischen Abbiegeassistenten für LKW“

Das Problem zu hoher Abbiegegeschwindigkeiten können Abbiege-Assistenten mMn auch nicht lösen. Und selbst wenn ein autonomer Assistent bei einer drohenden Kollision in den Bremsvorgang eingreift, kann es bei den meist viel zu hohen Abbiegeschwindigkeiten auch zu sehr gefährlichen Verkehrssituationen um den LKW herum kommen.

Jahrelang wurden innerstädtisch Kreuzungen mit Abbiegeradien von bis zu 12m (!) geplant. Wer wundert sich da noch, dass Radfahrende und Fußgänger bei Abbiegeschwindigkeiten von bis zu 30km/h (9m Bremsweg bei PKW!) extremen Gefährdungen ausgesetzt sind?

Das Thema Vision Zero sieht deshalb Kreuzungsanlagen vor, die Fehler verzeihen. Dazu gehören enge Kurvenradien, Getrennte oder besser Vorrangschaltungen für Radfahrende und sehr klare Verkehrsführungen. Abbiegeassistenten können aber selbst bei einer Notbremsung nur in den wenigsten Fällen etwas bewirken, denn bei niedrigen Abbiegegeschwindigkeiten, können Radfahrende meist selber noch reagieren.

Nein, die Städte/Kommunen stehen ganz klar in der Verantwortung die Todeszonen durch bauliche Maßnahmen zu entschärfen und das betrifft ausnahmsweise mal nicht (nur) die Art der Verkehrsführung sondern ganz grundlegende strukturelle Aspekte. Die Geschwindigkeit an (gefährlichen) Kreuzungen muss (mindestens für LKW) auf 30km/h beschränkt werden, Abbiegeradien dürfen nicht mehr als 6m betragen und bei getrennter Ampelsteuerung müssen Radfahrende bzw. FußgängerInnen Vorrang bekommen.

Die Abbiege-Assis und anders gestaltete Kreuzungen schließen sich doch nicht gegenseitig aus, im Gegenteil, im Idealfall ergänzen die sich. Wenn Kreuzungen ge- oder umgebaut werden, dann läßt sich da schon manches anders machen, aber mal eben alle Kreuzungen überarbeiten ist auch nicht drin. Die passende Elektronik läßt sich wesentlich schneller integrieren, und damit manches Leben retten. Nur darf das nicht dazu führen, das die notwendigen Umbaumaßnahmen deswegen ausbleiben. Als ersten Schritt Assistenzsysteme verpflichtend machen, gleichzeitig damit beginnen, Kreuzungen umbauen, und zudem Möglichkeiten entwickeln, Verkehr umzulagern, zu verringern, anders zu organisieren… Durch die Kombi verschiedener Maßnahmen läßt sich dem Ziel der Null Verkehrstoten am ehesten näher kommen.

Natürlich schließen sich Abbiegeassistenten und veränderte Kreuzungsdesignmuster nicht aus! Die konkrete Fragestellung bei Vision Zero muss aber sinnvollerweise darauf fokussieren wie möglichst gezielt eine Verringerung bei Unfallhäufigkeit und -Schwere an möglichst vielen Kreuzungen erreicht werden kann.

Erfolgversprechender als Abbiegeassistenten sind dabei ganz sicher bundesweit, besser europaweit einheitlich umgesetzte Design-Pattern, die möglichst intuitiv von allen Verkehrsteilnehmern erfasst werden können. Warum sollte man sich dabei auf Lösungen versteigen, die in der Praxis bisher noch keine statistische Signifikanz haben, aber auf bewährte Systeme nicht zurückgreifen?

Die Intention von Vision Zero ist es ja gerade, das tödliche Risiko individuellen Fehlverhaltens zu minimieren, indem man baulich und strukturell Vorsorge trifft. Die freiwillige Nutzung von Abbiegeassistenten, deren Praxiserprobung zudem weitere Probleme nach sich ziehen kann (und je nach Ausführung auch wird), gehört sicher nicht in diese Kategorie.

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