Osnabrück steht – wie viele andere Städte – vor großen Aufgaben, wenn die Bürgerinnen und Bürger auch in Zukunft mobil bleiben wollen. Die Zulassungszahlen für private PKW steigen unvermindert weiter, der verfügbare Platz in der Stadt ist begrenzt. Es muss sich also etwas ändern in Osnabrück – am Verhalten der Menschen und an den Voraussetzungen, die die Stadt bietet.

Entgegen der Annahme der CDU und zwei weiterer Stadtratsmitglieder geht es bei der Mobilität der Zukunft natürlich nicht darum, das Auto zu verteufeln. Es geht darum, die Menschen in Osnabrück mobil zu halten. Setzt man hier keine neuen Anreize und Alternativen zum Auto, droht bald der Stillstand. Damit es nicht soweit kommt, wurde Ende 2016 das Projekt „MOBILE ZUKUNFT“ initiiert, hinter dem die Stadt und Stadtwerke Osnabrück stehen.

logo mobile zukunft os

„MOBILE ZUKUNFT“ entstammt dem dritten strategischen Ziel der Stadt: „Osnabrück ist 2020 auf dem Weg zu einer nachhaltigen Mobilität, die keine Bevölkerungsgruppen ausschließt und die regionale Verflechtungen im Blick hat, sichtbar vorangekommen.“ Zu diesem Ziel gehören nachhaltige Mobilitätskonzepte, die Förderung der umweltfreundlichen Nahmobilität, die Förderung der E-Mobilität, die Förderung des ÖPNV sowie die Stärkung des Radverkehrs. Hier liegt das Augenmerk auf der Verkehrssicherheit, dem Ausbau und der Qualitätssicherung der Radverkehrsanlagen sowie der quantitativen und qualitativen Aufwertung der Abstellflächen.


Katja DiehlIch habe Katja Diehl (Projektleiterin Marketing und Kommunikation) mal gefragt, was das Besondere an MOBILE ZUKUNFT OS ist.

Diehl: „Regional aber auch überregional betrachtet ist die enge Zusammenarbeit von Stadt und Stadtwerken etwas Besonderes. Ich war bei den ÖPNV-Kollegen in Hamburg und Berlin, aber auch bei Verbandsvertretern der ÖPNV-Branche und alle waren sich einig, dass man nur so erfolgreich an einer neuen, urbanen und multimodalen Mobilität arbeiten kann.

MOBILE ZUKUNFT ist eine selbstbewusste Marke der Stadt Osnabrück, unter der sich alle positiven Veränderungsschritte zur neuen Mobilität finden. Für uns als Stadt und Stadtwerke Osnabrück ist dies das erste Großprojekt, bei dem wir so eng zusammenarbeiten. Die Stadt als „Mutter“ der Stadtwerke in Sachen Infrastruktur, Radverkehr etc. und die Stadtwerke als der bereits etablierte Lösungsanbieter im ÖPNV, Carsharing und der Digitalisierung von Produkten. Organisiert ist das Projekt unter den Vorständen Frank Otte und Dr. Stephan Rolfes. Wir halten regelmäßig operative Treffen ab, sowohl zwischen unseren Häusern als auch intern in den Projektgruppen. Dabei hilft es mir sehr, dass ich (fast) alle Kolleginnen und Kollegen zuvor schon aus anderen Projekten kannte.“

Uns geht es um die Vision, dass Osnabrück wieder zu einer Stadt mit viel besserem Aufenthaltscharakter wird. Es soll nicht darum gehen, möglichst schnell die Stadt zu durchfahren, sondern sich gerne in ihr aufzuhalten.

Mit dem geplanten Parklet in der Dielingerstraße und den ersten bereits installierten Abstellmöglichkeiten für Lastenräder sind schon zwei Projekte auf dem Weg. Was hat MOBILE ZUKUNFT OS noch vor?

Diehl: „Uns geht es um die Vision, dass Osnabrück wieder zu einer Stadt mit viel besserem Aufenthaltscharakter wird. Es soll nicht darum gehen, möglichst schnell die Stadt zu durchfahren, sondern sich gerne in ihr aufzuhalten. Dabei ist die Erreichbarkeit der Innenstadt oberstes Gebot – für alle Verkehrsträger. Momentan ist dies vor allem dem MIV und dem ÖPNV vorbehalten. Durch eine neue, urbane und die Lebensqualität steigernde Mobilität sollen alle profitieren: Die Bürgerinnen und Bürger Osnabrücks, der Einzelhandel, Touristen und weitere Interessengruppen, die die Wirtschaft unserer Stadt stärken.

MOBILE ZUKUNFT will hier gemeinsam mit vielen Kooperationspartnern der Treiber dieser Entwicklung sein. Dabei liegt operativ ein langer Weg vor der Erreichung des formulierten Ziels, da vor allem die Mobilitätsketten neu gebildet werden müssen. Ich bemerke auf unserem Twitter-Account durchaus die Ungeduld und das Unverständnis, dass einige Dinge so lange Zeit benötigen. Hier bitte ich einfach um Geduld. Wir sind dran, es für alle besser zu machen, wollen dabei auch wirklich viele Meinungen und Ideen einholen. Der Straßenraum, den wir da zur Verfügung haben, ist limitiert. Umso wichtiger ist es, hier nicht in Aktionismus zu verfallen, sondern mit Bedacht Lösungen anzutreiben, die möglichst vielen Vorteile bringen. Konkret haben wir momentan zwischen Stadt, Stadtwerken und Politik zehn Projekttandems gebildet, das Parklet ist eines dieser Tandems, das auch den Parking Day im September begleiten wird. Weitere Ideen sind Radabstellanlagen am Nikolaiort, reflektierende Radstreifen am Berliner Platz und ein Pedelec-Verleihsystem.“

 

Und „Osnabrück hat autofrei“ läuft auch unter der Regie von MOBILE ZUKUNFT OS. Hättest du dir da nicht auch deutlich mehr Spielraum von der Politik gewünscht? Ich finde den Rahmen, in dem die Verwaltung arbeiten muss, ja sehr schwach.

Diehl: „Wünschen kann und darf ich mir privat vieles. In meinem Job geht es momentan um eine scheinbar nicht zu bewältigende Aufgabe: ziemlich verhärtete Fronten zwischen einzelnen Verkehrsträger-Anhängern zu öffnen und wieder zur sachlichen Kommunikation zu finden.

Auf der einen Seite finden sich da engagierte Radfahrer, die uns für die eingeschränkte Maßnahme auf knapp einem Kilometer Straße belächeln, weil andere Städte hier einen ganzen Tag autofrei schaffen. Auf der anderen gibt es Fraktionen im Rat, die diese Maßnahme als „Steuerverschwendung“, Verdrängung von Verkehr auf andere überlastete Hauptachsen und zusätzliche CO2-Belastung diffamieren.

Zwischen diesen Polen bewegen wir uns. Da denke ich mir, vielleicht ist es einfach ein Zeichen der Zeit und leider auch von Osnabrück, dass noch nicht zu viel Mut gewagt werden kann. Ich hoffe jedoch, dass sich die Atmosphäre ändert und wir uns alle hinter der Idee vereinen können, dass eine attraktive Stadt nicht nur schnell für PKW durchfahrbar sein sollte.“

Du bist bei den Stadtwerken angestellt: Wie ernst kann den Stadtwerken eigentlich die Förderung des Radverkehrs sein? Steigen nicht ÖPNV-Nutzer als erstes aufs Fahrrad um, wenn sich die Bedingungen entscheidend verbessern?

Diehl: „Da würden wir uns aus falschen Ängsten heraus ja so verhalten, wie aktuell die PKW-Fahrer. Wir wollen niemanden etwas wegnehmen, nur durch gute Änderungen dafür Sorge tragen, dass attraktive Alternativen entstehen (die es z. T. ja auch schon gibt), die eine Mobilität ermöglichen, die Lebensqualität in Osnabrück steigert. 60 Prozent aller Wege im PKW sind unter fünf Kilometern lang. Da packe ich mir an den Kopf, dass Menschen hier in Kauf nehmen, die meiste Zeit im Stau zu stehen. Rad- und Fußwege müssen dafür aber noch besser gestaltet werden, damit Ängste und Hemmschwellen keine Rolle mehr spielen. Mein Gehalt wird zwar von den Stadtwerken gezahlt, ich sehe mich aber als MOBILE ZUKUNFT – nicht zuletzt, weil ich diese irgendwie auch schon in der Gegenwart lebe. Ich wohne in der Stadt und habe noch nie ein Auto besessen. Bus, Carsharing und vor allem auch das Rad ermöglichen mir meine Wege umweltfreundlich abzubilden. Die MOBILE ZUKUNFT soll etwas sein, das völlig smart und bedarfsorientiert passiert. Eine App schlägt dir vor, wie du Wege jenseits des Alltags organisieren kannst. Denn der Alltag ist zumeist schon organisiert. Nicht zuletzt durch das Projekt denken wir da nicht mehr nur in Verkehrsträgern, sondern in Lösungen.“

Na dann bin ich gespannt, wie es weitergeht. Und Bus + Fahrrad kann ja auch eine gute Kombination sein, wenn der Weg mal etwas länger ist als fünf Kilometer.