Die Stadt arbeitet aktuell am „Radverkehrsplan Osnabrück 2030“ (RVP), dem Nachfolger des Radverkehrsplans 2005. Auch beim Runden Tisch Radverkehr war der RVP zuletzt Thema und wurde auf breiter Ebene diskutiert. So unterschiedlich die TeilnehmerInnen, so unterschiedlich waren auch die Vorstellungen von Radverkehrsförderung. Radweg oder Fahrbahn, Shared Space oder Alternativrouten usw. Im März hat der Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt einstimmig die am Runden Tisch formulierten Ziele und Handlungsfelder des RVP beschlossen. Im nächsten Schritt wird die Planung des Radverkehrsnetzes erfolgen.
Hier mal ohne Wertung die Ziele und Handlungsfelder des „Radverkehrsplan Osnabrück 2030“:
I. Ziele des Radverkehrsplans Osnabrück 2030
Der Radverkehrsplan Osnabrück 2030 verfolgt im Wesentlichen drei Ziele:
1. Steigerung des Radverkehrsanteils auf 30%
Der Radverkehrsanteil (Modal Split des städtischen Verkehrs) soll von derzeit etwa 20% (Wert laut SrV 2013) auf 30% bis 2030 ansteigen. Die zusätzlichen Verkehrsanteile sollen im Wesentlichen vom Kraftfahrzeugverkehr kommen. Die positive Verkehrsentwicklung im Radverkehr soll nicht zu Lasten des ÖPNV gehen und auch die Nahmobilität zu Fuß nicht beeinträchtigen.
2. Weniger Radverkehrsunfälle trotz steigender Radnutzung
Die Zunahme des Radverkehrs in Osnabrück ist leider einhergegangen mit einer Zunahme der Radunfälle: von 2012 auf 2014 erfolgte eine Zunahme um fast 20%! Dem muss entgegengewirkt werden. Die Zunahme des Radverkehrs muss von der Unfallentwicklung entkoppelt werden. Ziel muss insbesondere ein deutlicher Rückgang der schweren Unfälle sein (Vision Zero).
3. Konsens „pro Radverkehr“
Der Radverkehrsplan Osnabrück 2030 soll eine Mobilitätswende hin zu umweltgerechter und stadtverträglicher Mobilität einleiten. Dies setzt einen Konsens „pro Radverkehr“ in der Stadtgesellschaft voraus, da die weitere Förderung des Radverkehrs ohne Einschränkungen für den Kraftfahrzeugverkehr nicht erreichbar sein wird.
II. Handlungsfelder und Maßnahmenpakete des Radverkehrsplanes Osnabrück 2030
Die programmatischen Ziele sollen durch eine Strategie erreicht werden, die Einzelmaßnahmen stärker als bisher bündelt und den Radverkehr als System begreift, bei dem infrastrukturelle Maßnahmen, Serviceaspekte rund ums Rad und Maßnahmen des Marketing zusammenwirken.
Radverkehrsnetz
Ziel ist ein hierarchisch gestuftes Netz mit einer guten Erschließungsqualität. Für die Hauptstrecken des Radverkehrs sind Alternativrouten parallel zum Hauptstraßennetz zu entwickeln. Der Umwegfaktor soll dabei nicht größer als 1,2 sein. Außerdem sollen die Alternativrouten höhere Reisegeschwindigkeiten als entlang der Hauptverkehrsstraße aufweisen.
- Ausbau attraktiver Verbindungen zwischen den Stadtteilen und der Innenstadt
- Ausbau paralleler Routen zu Hauptverkehrsstraßen und zum Wall als Alternativrouten
- Ausbau der Radschnellverbindungen in das Umland und auf Strecken mit mittlerer und langer Distanz
Strecken
Die Radverkehrsführungen entlang von Strecken sollten einen hohen Ausbaustandard aufweisen und den Radfahrenden schnell und komfortabel zum Ziel führen. Folgende Aspekte sind dabei zu beachten:
- Regelkonforme Radverkehrsanlagen an allen Hauptstrecken des Radverkehrs und an Hauptverkehrsstraßen
- Bei Flächenkonkurrenz stärker als bisher das Parken, Mittelinseln, Grünstreifen, überbreite Gehwege, Fahrstreifen in Frage stellen: Abwägung zu Gunsten des Radverkehrs, wenn sonst Mindestmaße entstehen oder die Sicht behindert wird
- Ausweisung von Fahrradstraßen zur bereichsweisen Bevorrechtigung des Radverkehrs
- Geschwindigkeitsbeschränkung im Kraftfahrzeugverkehr (Tempo 30) bei Strecken mit Mischverkehr für ein verträgliches Miteinander
- Bei Mischverkehr duale Führungsformen als Alternative prüfen
- Stärkere Durchmischung der Verkehrsarten im Bereich der Stadtteilzentren (Verkehrsberuhigte Geschäftsbereiche/Shared Space)
- „Umweltverbundstraße“ oder Bussonderfahrstreifen mit Freigabe für den Radverkehr
Verbesserungen für den Radverkehr sollen nicht zu Lasten des ÖPNV gehen. Es muss immer ein Kompromiss zwischen den Verkehrsträgern des Umweltverbunds gefunden werden, wobei die Flächenkonkurrenz nicht gegeneinander, sondern im Zweifel zu Lasten von Flächen des motorisierten Individualverkehrs aufgelöst werden sollte. Die Ansprüche des ÖPNV, wie sie im Nahverkehrsplan definiert sind, sind daher in der Netzplanung und der Planung konkreter Maßnahmen besonders zu beachten. Bei Zielkonflikten und Nutzungskonkurrenzen muss ggf. eine politische Entscheidung getroffen werden.
Knotenpunkte
Ziel der Radverkehrsplanung ist es, ein Angebot für alle Nutzer zu schaffen, damit diese möglichst sicher, schnell und komfortabel über einen Knotenpunkt fahren können. Dabei müssen gestalterische und signaltechnische Aspekte berücksichtigt werden:
- Stadtverträgliche Umlaufzeiten an Lichtsignalanlagen zur Verbesserung der Verkehrsqualität im Fuß- und Radverkehr sowie Einbeziehung des Fußgänger- und Radverkehrs in die Bewertung des Verkehrsablaufs an Knotenpunkten anhand der Qualitätsstufen des HBS (max. Wartezeit von 70 s bei QSV D)
- Aufgeweitete Radaufstellstreifen (ARAS) und gestaffelte Haltelinien an allen wichtigen Knotenpunkten
- Durchsignalisierung an allen Knotenpunkten bei zwei Furten
- Eigene Lichtzeichen für den Radverkehr
- Duale Führungsformen an komplexen Knotenpunkten
- Konfliktfreie Schaltung: Getrennte Phase für den rechtsabbiegenden Kfz-Verkehr prüfen
- Bei bedarfsgesteuerter Schaltung: Abschaffung von Drucktastern, stattdessen Dedektion oder Berücksichtigung der Radfahrer in allen Umläufen
Flankierende Infrastruktur und Service
Zu einem fahrradfreundlichen Klima gehören attraktive Fahrradabstellanlagen an Quellen und Zielen sowie an Umstiegspunkten zu anderen Verkehrsmitteln. Darüber hinaus sollen den Radfahrenden Service- und Komfortangebote zur Verfügung gestellt werden. Die Unterstützung bei der Anschaffung von Dienstfahrrädern und eines Fahrradverleihsystems spielen ebenfalls eine wichtige Rolle.
- Ausreichendes Angebot zum Fahrradparken
- Förderung der Intermodalität (B+R) an Haltestellen des ÖPNV
- Förderung der Radnutzung im Berufsverkehr und für Arbeitswege
- Aufbau eines stadtweiten Fahrradverleihsystems einschließlich Lastenräder
- Allwettertauglichkeit der Radverkehrsinfrastruktur sicherstellen
- Serviceangebote rund ums Rad entwickeln
- Komfortangebote rund ums Rad (Ampelgriff, Fußstütze, schräge Mülleimer)
Fahrradkultur
Die Radfahrenden in Osnabrück sollen sich als gleichwertige Verkehrsteilnehmer fühlen. Ziel ist es, ein fahrradfreundliches Klima zu schaffen, welches in der Öffentlichkeit durch Aktionen und Informationen kommuniziert wird. Die Radver-kehrsakteure arbeiten eng miteinander zusammen, um den Radlern optimierte Angebote im Bereich Infrastruktur, Öffentlichkeitsarbeit und Service zu ermöglichen.
- Gute finanzielle Ausstattung durch dem Verkehrsanteil angemessene Umschichtung im Tiefbauhaushalt
- Imagekampagne zur Stärkung des Bewusstseins für die Nutzung des Fahrrads und zur Verbesserung Akzeptanz des Radverkehrs im Straßenverkehr
- Kampagne zur Verbesserung des subjektiven Sicherheitsgefühls und des objektiven Verhaltens im Verkehr
- Monitoring durch (öffentlichkeitswirksame) Radzählstelle
- Vernetzung der Radverkehrsakteure
Im Runden Tisch Radverkehr wurden die Ziele und die Handlungsfelder diskutiert. Die folgenden Aspekte wurden in der Diskussion durch die Mitglieder des Runden Tisches besonders hervorgehoben, siehe dazu auch das beigefügte Protokoll der Sitzung:
- Sowohl ein getrenntes (parallele Routen) als auch ein gemeinsames (entlang des Hauptverkehrsstraßen) Netz mit dem Kfz-Verkehr schaffen! Gleichrangige Entwicklung beider Ansätze.
- Duale Führungen an Knotenpunkten weiter verfolgen!
- Bus + Rad Kombinationen in der Verkehrsführung werden von den Anwesenden als unproblematisch angesehen, sollten weiter verfolgt werden. Viele Möglichkeiten gibt es in Osnabrück dafür aber nicht. Diese Einschätzung wird von PlaNOS / Stadtwerke nur eingeschränkt geteilt. In Abhängigkeit von Radverkehrsmengen und Überholmöglichkeiten treten schon jetzt Behinderungen des Busverkehrs auf.
- Bei Straßen mit höheren Kfz-Verkehrsbelastungen wird der Schutzstreifen subjektiv von den Bürgern als unsicher empfunden. Es wird eine Führung im Mischverkehr mit Tempo 30 bevorzugt.
6 Antworten auf „Radverkehrsplan Osnabrück 2030“
Ist mit dualer Lösung Gehweg-Rad frei gemeint?
Damit wird generell gemeint sein, ob man bei aktuellem Mischverkehr bessere Lösungen findet. Ein gemeinsamer Geh- und Radweg wird das bei herrschender Meinung in der Verwaltung (zum Glück) nicht sein. Man würde dann prüfen, ob man einen neuen Radweg anlegen kann. Vielleicht ja sogar durch Entfernen einer Parkspur.
Als ‚Fachterminus‘ (Alrutz u.a.) wird unter ‚dualer Infrastruktur‘ oder auch ‚dualer Führungsform‘ gemeinhin verstanden, dass den Radfahrenden sowohl eine Fahrbahnlösung (Mischverkehr, Radstreifen, …), als auch – wo notwendig und sinnvoll – eine separate RVA-Lösung (Hochbord, Rad-gehweg, …) angeboten werden, wobei dann für die Radfahrenden die freie Wahl zwischen diesen Möglichkeiten besteht.
Im Grunde also das was die StVO-Novelle (97) eigentlich mal angestrebt hatte.
‚Sowohl als auch‘ statt ‚entweder oder‘ finde ich einen sehr positiven Ansatz.
Maßgeblich ist natürlich – wie immer und überall – die konkrete Umsetzung: eine ungeeignete schlecht gemachte Fahrbahnführung zusammen mit einer ungeeigneten schlecht gemachten Radwegführung macht logischerweise auch im ‚dualen Tandem‘ keine gute Figur.
Kommt für die Berechnung der Reisegeschwindigkeit die eigentliche Strecke in den Nenner – was sinnnvoller wäre – oder die Alternativroute. Wäre es die Alternativroute, könnte es schnell dazu kommen, dass man auf der Alternativroute schneller langsamer ist, also eine höhere Reisegeschwindigkeit hat und trotzdem später ankommt.
Wenn davon 10% umgesetzt wird, werden die Leute nach Osnabrück pilgern …
„Stadtverträgliche Umlaufzeiten an Lichtsignalanlagen zur Verbesserung der Verkehrsqualität im Fuß- und Radverkehr sowie Einbeziehung des Fußgänger- und Radverkehrs in die Bewertung des Verkehrsablaufs an Knotenpunkten…“
Interessant, aber dieses Umdenken in Richtung verbesserter Qualität des Fußgänger- und Radverkehrs dürfte enorme Akzeptanzprobleme erzeugen und daher umso länger dauern.
Ganz aktuell wurde mir auf eine Eingabe im EMSOS hinsichtlich extrem nachteiliger Ampelschaltung für Fußgänger und Radfahrer an einem Knotenpunkt zurückgemeldet, dass „wegen der Verkehrsmengen“ an diesem Knotenpunkt keine Änderung möglich sei. Mit Verkehrsmengen ist natürlich nur die KFZ-Verkehrsmenge gemeint. Radfahrer und Fußgänger haben wieder das Nachsehen und die längere Wartezeit.
Mit dieser verkehrsplanerischen Einstellung – RVP 2030 hin oder her – wird das bestimmt nichts mit guter Reisegeschwindigkeit bei Fahrten aus dem Landkreis in die City.
Schlossstraße über Schlosswall?
An der Ampel habe ich mindestens eine Woche meines Lebens verbracht.
Kurzzeitig wurde die eine Zeitlang von selbst grün.
Jetzt muss man wieder das Knopfche drücken.