Wer hat den Deutschen eigentlich erzählt, dass die Allgemeinheit überall für Parkplätze zu sorgen hat? Und mit „die Deutschen“ ist hier auf der einen Seite der Einzelhandel und auf der anderen Seite der autofahrende Bürger und die autofahrende Bürgerin gemeint.
Wer hat den Deutschen eigentlich erzählt, dass die Allgemeinheit überall für Parkplätze zu sorgen hat?
Zunächst zum Einzelhandel: kaum werden 20 Parkplätze zugunsten eines Radfahrstreifens „geopfert“ (um es mit der Sprache des Einzelhandels zu sagen), werden Zukunftsszenarien gemalt, die von sofortiger Schließung bis zu langsamen Ausbluten des eigenen Geschäfts reichen. Dabei haben Studien längst belegt, dass wirtschaftlicher Erfolg nicht von Parkplätzen abhängt. Im Gegenteil: RadfahrerInnen geben zwar weniger pro Einkauf aus, kommen aber dafür öfter und lassen in der Summe sogar mehr Geld im Geschäft. Darüber hinaus sind sie deutlich treuere Kunden.
Ein anderes Beispiel hat Martin Randelhoff in Osnabrück gebracht: Einzelhändler wehren sich meist mit Händen und Füßen gegen eine Umwandlung von zwei Parkplätzen vor ihrem Geschäft in eine Bushaltestelle. Dass aus den Bussen aber deutlich mehr Menschen, also potenzielle Kunden aussteigen, als aus den jeweils zwei PKW, sehen die Geschäftsinhaber nicht.
Das Ganze hat aber noch eine größere Dimension. Wieso soll die Allgemeinheit eigentlich für Parkplätze bezahlen und sich auch noch öffentlichen Raum wegnehmen lassen? Ich will gar nicht bestreiten, dass eine Stadt eine gewisse Fläche an Parkraum vorhalten muss. Allein um das wirtschaftliche Leben am Laufen zu halten. Aber wie weit darf und sollte das gehen? Wie viele Parkhäuser müssen mitten in einer Innenstadt stehen – und damit zum Beispiel Fläche für Wohnraum belegen? Und wie viele zusätzliche Parkplätze muss es darüber hinaus noch im Straßenbild geben? Kann man mit dieser Fläche nicht viel sinnvollere Dinge machen? Zum Beispiel breite und sichere Radfahrstreifen, Gehwege, Grünflächen oder kleine Parks? Haben die nicht mehr Nutzen als ein Parkplatz, der nicht mal von Menschen, sondern nur von Autos genutzt wird? Vor allem der Einzelhandel würde von einer solchen lebenswerten Stadt profitieren, wo sich viele Menschen gern und lange aufhalten. Die gehen dann nämlich deutlich öfter in die umliegenden Geschäfte.
Kann man öffentlichen Raum nicht besser nutzen als mit versiegelten Flächen für stehende Autos?
Auf der anderen Seite sind es immer wieder Anwohnerinnen und Anwohner, die sich aufregen, wenn Parkplätze zurückgebaut werden. Dabei vergessen sie, dass sie gar kein Recht auf einen öffentlichen und für sie persönlich womöglich auch noch kostenlosen Parkplatz haben. Es ist sicher schön für sie, wenn er da ist. Er muss aber nicht da sein. Wenn überhaupt, muss der Wohnungseigentümer für einen Parkplatz sorgen. Oder eben der autofahrende Mieter selbst. Parkplätze in Hinterhöfen werden immer wieder vermietet. Warum sollen Privatleute damit also Geld machen, Städte aber Parkplätze kostenfrei oder stark subventioniert anbieten?
„The right to have access to every building in the city by private motorcar in an age when everyone possesses such a vehicle is actually the right to destroy the city.“ – Lewis Mumford (Architekturkritiker †)
Die Nachfrage nach Parkraum ist inzwischen fast überall weitaus größer als das Angebot. (Was man im Übrigen auch an den unzähligen Radweg- und Gehwegparkern sieht.) Warum sollte man freie Flächen nicht also einfach versteigern? Die Frage hat ZEIT online im Februar gestellt. Technisch ist das im Prinzip heute schon kein Problem mehr. Und warum auch nicht? „Übersteigt die Nachfrage das Angebot, wird es eben teurer – so lautet das Grundgesetz der Wirtschaftswissenschaften. Und bei Parkgebühren ist noch viel Luft nach oben (…). Zudem ist kaum zu erklären, warum der Drang der Bevölkerung in die Großstädte zwar die Mieten für Wohnraum in die Höhe schnellen, die Preise fürs Parken aber unberührt lassen sollte. Ein Parkplatz ist schließlich auch nichts anderes als eine kurzzeitige Bleibe fürs Auto. Und die hat ihren Preis.“
In Berlin bekommen allein stehende Autos sechs Mal so viel Verkehrsfläche wie fahrende Fahrräder!
Der Flächengerechtigkeitsreport der Initiative clevere Städte zeigt ein weiteres Detail der Problematik. Wenn schon die Fahrbahnen in den meisten Fällen dem motorisierten Verkehr vorbehalten sind, warum muss man ihm daneben auch noch ganze Parkstreifen widmen? Von den Berliner Verkehrsflächen sind 39 Prozent für fahrende Pkw vorgesehen, für parkende Autos kommen noch mal 19 Prozent dazu. Damit bekommen allein stehende Autos sechs Mal so viel von der Berliner Verkehrsfläche wie fahrende Fahrräder!
Insofern sollten sich Städte da nicht beirren lassen, wenn sie an einen Rückbau von Parkplätzen zugunsten anderer Verkehrsteilnehmer oder des Stadtklimas denken. Es gibt kein Grundrecht auf jederzeit und überall verfügbaren Parkraum. Wer sich ein Auto kauft, sollte sich darüber klar sein!
24 Antworten auf „Das Grundrecht auf Parkplätze“
Ich stimme den Ausführungen zu. Gewohnheitsrecht macht es schwer, andere Szenarien zu denken und zu wagen. Die Politik ist in der Regel zurückhaltend, da jeder Politiker um Stimmen zur Wiederwahl fürchtet. Das erkennt man daran, dass häufig wider besseres Wissen gehandelt wird. Stichwort Verschuldung.
Während andere Städte wie Paris, New York usw, zumindest erkannt haben, dass dem Auto keine Vormachtstellung gesichert werden muss und die Geschwindigkeit auf 30 k/mh im Innenstadtbereich gesenkt wird, ist bei uns in Deutschland nichts davon zu merken.
Noch nicht. Aber das wird kommen. Weil es nicht anders geht. Ich wünschte mir nur, dass es ein bisschen schneller ginge…
Eine Umwidmung von Parkflächen für Autos in Fahrradparkplätze könnte ich mir auch gut vorstellen. Wenn bei Neubauten für Autos Stellplätze entstehen müssen, warum nicht auch Stellplätze für Fahrräder? Ich wundere mich täglich über neue Gebäude der Universität ohne Fahrradparkplätze. Und das wird so genehmigt und abgenommen?
Es gibt schon Städte, die in ihren Bauordnungen überdachte Fahrradstellplätze fordern. Aber das kommt halt alles erst sehr langsam…
Und meinst du die Osnabrücker Uni? Wo wäre das dann genau?
Hat Osnabrück keine „Satzung über die Herstellung und Bereithaltung von Kraftfahrzeugstellplätzen und Fahradabstellplätzen“??
Wenn jemand wirklich fights starten möchte: Man nutze mal einen Parkplatz (Einzelhandels-/dumme-Leute-Speak: Autoparkplatz) und parke darauf völlig legal und StVO konform sein Fahrrad.
Da steht lediglich, man müsse sich bemühen, platzsparend zu parken. Also bitte nicht quer über 2 Parkflächen stellen :-D
[So agressiv wie manche Eigentümer und leider auch Mieter pseudolegal versuchen, das „Anlehnen“ von Fahrrädern auf dem Gehweg zu kriminalisieren, macht das sogar Sinn. Auch die Deutsche Bahn versucht ja derzeit, z.B. in Harburg, das legale Abstellen als „wild“ zu kriminalisieren, wohl um die Umsätze ihre bewachten Parkplätze zu steigern… was einige, eher dumme Qualitätsjournalisten 1:1 übernehmen m( ]
Man sollte aber wohl besser in der Nähe seinen Kaffee trinken und eine Digicam mit Filmfunktion bereithalten — nur für den Fall, daß man Zeuge von Strafttaten und/oder verbotener Eigenmacht wird…
In Uhlenhorst soll es (neben Hüten) sehr leckeren Kaffee geben. Habe ich gehört.
Einziger Nachteil: Man braucht eine tendenziell uncoolen, stabilen Fahrradständer. :P
Hehe, guter Punkt. Da scheitert es bei mir dann schon…
Die Idee mit dem Fahrrad auf dem Parkplatz wollte ich mal beim Parking Day durchziehen. Dann aber gleich 5 nebeneinander. Muss dann aber ein öffentlicher Parkplatz sein. Private können die Nutzung einachränken.
Die Deutsche Bahn ist noch mal eine Sache für sich. Die haben auch noch nicht verstanden, dass bestimmt 40-50% ihrer Kundschaft mit dem Rad zum Bahnhof kommt.
Diese Regelung in der StVO nutze ich regelmäßig aus. Hier in Dresden gibt es einige Straßen mit kleinen Geschäften die ich gerne besuche. Die Gehwege sind zu schmal um dort ein Rad abzustellen. Somit nutze ich den Fahrbahnrand wie die 4-rädrigen Fahrzeuge auch. Häufig stelle ich dann nach dem Einkauf fest, dass mein Rad Gesellschaft von Gleichgesinnten bekommen hat ;). Die Idee, Gehwege für zu Fuß Gehende freizuhalten finden somit auch anderer Radfahrende gut.
Ich habe mich auch schon immer gefragt, wo das Grundrecht auf Autofahren verankert ist. Parken wäre ja ein Teil davon. Im GG steht es nicht, auch nicht in der UN-Charta.
Wo ist das Grundrecht auf Fahhradwege verankert?
In der Stadt Nürnberg hat über ein Drittel der Haushalte kein Auto. Aus welchen Gründen auch immer. Tendenz leicht steigend. Vor diesem Hintergrund finde ich deine Überlegungen ganz passend.
Folgende aktuelle Meldung passt auch gut dazu: https://au.news.yahoo.com/thewest/wa/a/25742683/bike-racks-in-car-bays-lift-shop-trade/
Ist ja ganz interessant geschrieben und leuchtet im ersten Moment auch ein. Hinkt aber doch ein wenig. Denn Autofahrer zahlen KfZ-Steuer, Mineralölsteuer, Ökosteuer und mit Erwerb des KfZ auch einen hohen Anteil Mehrwertsteuer. Die These des durch die Allgemeinheit finanzierten Parkplatzes ist so also nicht ganz richtig. Im Gegenzug zahlen Radfahrer keine KfZ-, Mineralöl- oder Ökosteuer. Und der Ertrag aus der Mehrwertsteuer fällt bei Kauf eines Fahrrades auch wesentlich geringer aus als bei Erwerb eines Autos.Die Anlage von Radwegen wäre daher eher durch die Allgemeinheit finanziert.
Ich fahre übrigens leidenschaftlich gern Fahrrad…
Und egal was man fährt und ob man überhaupt fährt: alle zahlen die unendlich vielen Kilometer an Straßen, die neu gebaut und/oder repariert werden müssen…
Zu den Kosten eines Autofahrers liest man ähnliches immer wieder. Ich möchte dem widersprechen.
Mineralölsteuer – man kann über deren Soll-Verwendung bestens streiten; als Anregung z.B. Kompensation von Schäden durch Lärm, Luftvergiftung, Bau von Überland- (!) Straßen, etc.
Ist aber egal – der eigentliche Punkt ist, diese wird an den Bund abgeführt, nicht an die Komunen. Und diese stellen den Platz zur Verfügung und bauen Parklätze – finanziert durch Komunalabgaben.
Nicht durch die Mineralösteuer. Diese finanziert nirgendwo auch nur einen Parkplatz.
Ökosteuer – selbes wie Mineralöslteuer.
Mehrwertsteuer – das ist das absurdeste Beispiel. Natürlich kostet ein Auto mehr als ein Fahrrad.
Nur: was machen den Leute mit dem gesparten Geld? Verbrennen? In’s Ausland schaffen?
Nein. Sie geben es nur für etwas anderes aus. Und für jedes Stück des „was anderes“ verlangt der Staat genau die selben 19% MWSt wie für ein Auto.
Jeder hat ein Einkommen und verwendet es nach Notwendigkeit und Belieben.
Zu sagen, daß Autofahrer mehr MWSt. zahlen ist also, bei allem Respekt, reiner Unfug.
Als Kunde in einem Einkaufscenter, das kostenlose Parkplätze anbietet, subventioniere ich als Radfahrer sehr wohl diese Parkplätze, da die Kosten dafür wiederum in allen Preisen der Händler dort enthalten sind, egal, wer etwas kauft.
Auch mein Arbeitgeber hat Parkplätze angemietet und stellt diese kostenlos zur Verfügung, diese Kosten fehlen am Unternehmensgewinn und darüber evtl. wieder an meinem Gehalt.
Umgekehrt stimmt das natürlich auch für Fahrradabstellanlagen, die Dimensionen sind aber grob verschieden.
Geschätzt sind das schnell um die 100€ im Jahr, die ein Radfahrer nur für Auto-Parkplätze „ausgibt“, die er nicht nutzt.
Autofahrer zahlen AUCH MwST. Mineral- und Ökosteuer. Sie sind ja auch Teil der Allgemeinheit. Radfahrer zahlen selbstverständlich auch Mineralöl- und Ökosteuer. Die werden ja nicht nur auf Kfz-Treibstoffe erhoben sondern z.B. auch auf Heizöl.
Sorry wenn ich hier eine Leiche ausbuddel, aber ich glaube, ihr habt alle gern mal was zum Lachen:
http://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadtreport_artikel,-Autofahrer-aergern-sich-ueber-schmale-Stellplaetze-_arid,1025528.html
Hätten die Monty Pythons nicht besser hingekriegt! :D
Nebenbei: Ein Aspekt der Problemverursachung (z.B. halb auf dem Rad-/Fußweg zu stehen, ist ganz anschaulich in der Grafik dargestellt.
[…] Anlehnung an meinen Beitrag Das Grundrecht auf Parkplätze hier nur mal ein kleines Beispiel, wie schnell sich Autofahrer den öffentlichen Raum aneignen, […]
Gemessen an dem, was bei einem Neubau mit verpflichtendem (Tiefgaragen)Stellplatz ungefähr zu zahlen ist, hat ein Parkplatz im innerstädtischen Bereich eine Wert von ca. 25 000 Euro. Die Nutzung eines (kostenlosen) Stellplatzes ist also deutlich mehr wert, als ein Autofahrer in seinem Autofahrerleben der Allgemeinheit wieder zurückzahlt.
[…] Auf weitere Studien zum gleichen Thema verweist Daniel Doerk in „Das Grundrecht auf Parkplätze“ (itstartedwithafight.de/2014/12/11/das-grundrecht-auf-parkplatze) […]
Der Stellplatz-Wahn ist ein Erbe der NS-Zeit. Ich zitiere: »Eine Stellplatzverpflichtung des Bauherrn besteht mit der RGaO seit 1939 – die KdF-Wagen sollten die Volksmotorisierung einleiten. Bereits Ende der 20er, Anfang der 30 Jahre diskutierten Experten über die Zwangsmaßnahme Stellplatzpflicht (u.a. in Zusammenhang mit der Frage, ob das Abstellen von Kfz mit dem Gemeingebrauch öffentlichen Straßenlands vereinbar sei). In der Weimarer Republik gab es jedoch juristische Bedenken und offensichtlich keine parlamentarischen Mehrheiten für die Verpflichtung zur Anlage von Stellplätzen. Nach dem Ermächtigungsgesetz konnte auf der Grundlage des „Gesetzes über einstweilige Maßnahmen zur Ordnung des deutschen Siedlungswesens“ von 1934 dann 1939 die verpflichtende RGaO im Vorgriff auf das geplante „Deutsche Baugesetz“ erlassen werden – Begründung siehe deren Präambel.« (http://www.stadtgrenze.de/s/p3r/rgao/rgao.htm) Darf man nur nicht laut sagen, sonst wird man als [wasauchimmer] abgestempelt und disqualisfiziert sich selbst als ›seriöser‹ Gesprächs- und Diskussionspartner.
Nicht alles was im Dritten Reich passiert ist, ist dem Wesen nach rechts. Gerade baurechtliche Regelungen auf Staatsebene haben meist kleinräumlichere Vorläufer. Steht sogar auf der von dir verlinkten Seite für diesen Fall. Die Begeisterung für das Auto leitet sich nicht aus der nationalsozialistischen Ideologie her sondern aus der zeitgeschichtlichen Situation und den mit ihr verbunden technischen Entwicklungen. Und die Anzahl Autos nahm ja zu, sodass ein Regelungsbedarf der Gefahrenabwehr (zu der das Bauordungsrecht gehört) nötig wurde. Während Raumordnung leicht ideologisch instrumentalisiert werden kann (was die Nazis ja auch getan haben), ist das beim Bauordnungsrecht doch eher schwer. Notwendige Straßenbreiten für Leiterwagen der Feuerwehr ergeben sich schlicht aus den Feuerwehrfahrzeugen z. B. Entsprechende Pflichten gibt es doch auch in vielen anderen Ländern.
Werden bei gleicher Parkplatznachfrage Parkplätze in andere Flächen umgewandelt, ohne dass Verkehrskontrollen ausgeweitet werden, nimmt das Falschparkern und der Parkplatzsuchverkehr erstmal zu. Eine gute Möglichkeit, das zu verhindern ist das Anwohnerparken. Alle öffentlichen Parkplätze werden kostenpflichtig. Anwohner bekommen vergünstigte Abos oder parkausweise. In Wien hat das das Falschparken um 80% reduziert und den Verkehr insgesamt um 14%: weniger Autopendler, weniger Suchfahrten, weniger AUtofahrten ins nachbarquartier, für das das Abo nicht gilt. Es konnten sogar Parkplätze umgewidmet werden, weil sie einfach nicht mehr gebraucht wurden. Meine Petition dazu: https://www.change.org/p/machen-sie-alle-öffentlichen-parkplätze-kostenpflichtig-weniger-autos-mehr-lebensqualität