+++ Update 26. Mai +++
Die Bürger Osnabrücks haben entschieden. Knapp war es, aber die Westumgehung wurde mit 51,7 Prozent abgelehnt. Damit wird die Straße nicht gebaut!
Die Stadt sollte das nun als Startschuss für eine Neuorientierung des Verkehrskonzeptes annehmen. Die autogerechte Innenstadt ist nicht mehr zeitgemäß. In Osnabrück wurde sie bisher gegen alle Einwände verteidigt. Damit kann und sollte jetzt Schluss sein!

Am 25. Mai ist bekanntlich Europawahl. Doch in Osnabrück wird wohl eine andere Frage für eine nicht ganz so schlechte Wahlbeteiligung sorgen. Gleichzeitig findet nämlich eine Bürgerbefragung zur Westumgehung statt. Soll sie gebaut werden oder nicht?

Die „Entlastungsstraße West“ soll von der Rheiner Landstraße zur Sedanstraße führen und die städtischen Straßen entlasten. Immer wieder wird auch das Argument angeführt, dass der Radverkehr davon profitieren würde.

STOPP WestumgehungDas sehe ich allerdings anders. Denn wenn man sich den Verlauf mal anschaut, wird deutlich, dass sie hauptsächlich Verkehr vom Lieneschweg aufnehmen und Lastkraftverkehr von der Autobahn abziehen würde. Autos, die die Westumgehung nutzen würden, fahren heute sicher nicht den Umweg durch die Innenstadt. Da finden sich schon heute andere Wege. Der Verkehr in die City wird also praktisch auf dem Niveau von heute bleiben – nennenswerte Effekte halte ich für sehr unwahrscheinlich. Insofern sehe ich auch keine positiven Auswirkungen auf den Radverkehr.

Vielmehr wird die neue Straße auch neuen Verkehr generieren. So wie es schon immer war. 1989 schreibt Der Spiegel in einem Artikel über Osnabrück treffend:

Stetig hat sich dieses Verhältnis während der letzten Jahrzehnte in Osnabrück zugunsten des Autos verschoben, nach Ansicht von Verkehrskritiker Deiters nicht zuletzt wegen der großzügigen „Straßenaus- und -umbaumaßnahmen“. Denn die hätten statt zur „besseren Bewältigung“ des Autoaufkommens stets nur „zur Anregung von immer mehr Neuverkehr“ geführt. „Mehr Straßen produzieren mehr Autofahrten“, sagt der Professor, „da beißt sich die Katze in den Schwanz.“

Und damit wird am Ende niemandem geholfen sein – schon gar nicht dem Radverkehr. Und erst recht nicht, wenn die Westumgehung, wie geplant, durch eines der wenigen Naherholungsgebiete führt. Da helfen auch keine Argumente, dass es der Rand des Naherholungsgebietes ist. Sie würde den Westerberg vom Gebiet um den Rubbenbruchsee abschneiden – eine beliebte Strecke für Radler, Jogger und Spaziergänger würde hier unterbrochen.

Und überhaupt Umgehungsstraße: wen oder was umgeht sie denn eigentlich? Die Stadt zumindest nicht. Umgehungsstraßen, die ihren Namen verdienen, gibt es bereits – Osnabrück ist von Autobahnen umzingelt. Irgendwann muss es auch mal reichen. Der Trend geht ohnehin weg vom eigenen Auto und motorisierten Individualverkehr. Wir werden die vielen Straßen und Nebenstrecken irgendwann nicht mehr brauchen. Und dann liegen sie da in der Landschaft. Investitionen in die Zukunft wären hier Investitionen in den Radverkehr und den ÖPNV.

Überall herrscht Alternativlosigkeit. Schwachsinn!

Und auch Entlastungsstraße ist ein irreführender Begriff. Natürlich würde sie zwei, drei Straßen in direkter Nachbarschaft entlasten – und damit vor allem die Anwohner dort. Dafür würde sie aber wieder ein neues Gebiet mit den dort lebenden Anwohnern belasten. Problem also nur verschoben.

Dann zur ständig gepredigten Alternativlosigkeit: die Befürworter der Westumgehung kommen immer wieder mit dem Argument, es gäbe keine Alternativen. Doch, die gibt es. Auch wenn es die Anwohner nicht gerne hören werden, aber in Anbetracht der Tatsache, dass über diese Straße mittlerweile seit fast 70 Jahren nachgedacht wird, wird deutlich, dass die erste handfeste Alternative die aktuelle Realität ist. Oder steht der Verkehr seit Jahren still?
Die nächste Alternative ist die Förderung von Fahrrad und ÖPNV. Die nächste Alternative ist die Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene. Die nächste Alternative ist die Bequemlichkeit der Autofahrer, die nicht den kurzen Umweg über die Autobahn nehmen wollen. Es gibt genug Alternativen. Zugegeben: nicht auf alle hat die Stadt Osnabrück direkten Einfluss. Aber es gibt durchaus andere Möglichkeiten als diese eine Straße!

Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten!

Gerade in Osnabrück sollten wir uns fragen, ob wir den sowieso knappen öffentlichen Raum nicht besser nutzen können, als mit immer neuen Straßen. Und die Ausführungen implizieren ja schon die Antwort. Das Gebiet wird zurzeit besser genutzt, als es mit einer Westumgehung der Fall wäre.

Natürlich kann man die Anwohner der heute stärker belasteten Straßen verstehen. Aber das Problem einfach 200 Meter weiterzuschieben kann nicht die Lösung sein. Vielmehr sollten wir uns alle Gedanken machen, wie unsere individuelle Mobilität gesellschaftlich verträglicher werden kann. Eine mindestens 10 Millionen Euro teure Westumgehung ist da auf jeden Fall der falsche Weg!

Westumgehung KarteFür die Ortsunkundigen: Die gelbe Nord-Süd-Straße links soll die Westumgehung werden.

Karte: Stadt Osnabrück
Foto: dd