„Wer die Mobilität der Zukunft will, muss jetzt notwendige Anpassungen vornehmen“, sagt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. Nur leider tut er es nicht. Scheuer hat heute zwar einige angedachte Änderungen der Straßenverkehrsordnung online gestellt. Erstens bleibt er dabei aber reichlich unkonkret. Und zweitens gibt es immer noch keinen Verordnungsentwurf, der Klarheit bringen würde, wie die angesprochenen Ideen denn wirklich umgesetzt werden sollen.

Die Ideen zum Thema Radverkehr sind eigentlich seit zwei Monaten bekannt. Anfang Juli hatte Scheuer sie bereits als „klare Regelungen“ vorgestellt, die den Radverkehr stärken und „das Radfahren zügig spürbar attraktiver und sicherer“ machen sollen. Schon damals gab es neben Lob auch Kritik. Während der Ansatz, die Bußgelder für Falschparker zu erhöhen absolut richtig ist – sogar der Parlamentskreis Fahrrad fordert hier 100 Euro – und in den sozialen Medien auch schon gefeiert wird, bleibt weiter völlig unklar, was es denn nun wirklich kosten soll. Von „bis zu 100 Euro“ für das unerlaubte Halten auf Schutzstreifen sowie für das verbotswidrige Parken in zweiter Reihe und auf Geh- und Radwegen ist die Rede.

Es ist viel zu oft von ‚bis zu‘ die Rede. Wann wird es endlich konkret?

‚Bis zu‘ kann aber viel bedeuten. Im schlimmsten Fall wird das Parken vor Feu­er­wehr­zu­fahr­ten mit Be­hin­de­rung von Einsatzkräften von 65 auf die besagten 100 Euro erhöht. Das wäre dann der Faktor 1,54 und würde für das Parken auf Radwegen ein neues Bußgeld von 31 Euro bedeuten (vorher 20 Euro). Eine Revolution sähe anders aus.

Der ADFC-Bundesvorsitzender Ulrich Syberg lobt Scheuer dennoch: „Bravo, Herr Minister, das Zuparken von Radwegen behindert und gefährdet Radfahrer und muss deshalb hart bestraft werden.“ Verweist aber auch gleich darauf, dass hohe Bußgelder nichts nützten, wenn nicht kontrolliert wird. „Wir brauchen eine hohe Kontrolldichte gegen zugeparkte Radwege – und im Ernstfall auch den Abschleppwagen. Es kann nicht sein, dass Radfahrerinnen und Radfahrer immer den Kürzeren ziehen, weil sie kaum eigene Infrastruktur haben – und die wenigen Radwege auch noch zugeparkt werden.“ Der nächste Schritt müsse daher die angekündigte Anpassung des Straßenverkehrsgesetzes sein, damit die Städte ohne Einschränkungen mehr Platz für bessere Radwege und den Fußverkehr schaffen könnten.

‚Bis zu‘ heißt es übrigens auch beim Parkverbot an Kreuzungen. Daniela Ludwig, verkehrspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: „In Verbindung mit der Ausweitung des Parkverbots auf bis zu 8 Metern im Kreuzungsbereich wird auch die Kraftfahrzeugnutzer die Möglichkeit geschaffen, ein ausreichendes Sichtfeld für die Einschätzung der Verkehrssituation zu erhalten.“ Das gilt allerdings nur, wenn ein straßenbegleitender baulicher Radweg vorhanden ist, „der als benutzungspflichtig oder mit Radsinnbild gekennzeichnet ist“. Wann aber nun 8 Meter von den Schnittpunkten der Fahrbahnkanten gelten und wann „bis zu je 5 m vom Beginn der Eckausrundung“, bleibt unklar.

Auch der Schilderwald wird aufgeforstet. So soll es (endlich und nun doch ohne die Ergebnisse der laufenden Pilotprojekte) den Grünpfeil für Radfahrer geben. Analog zu den Tempo 30-Zonen sollen in Zukunft auch Fahrradzonen angeordnet werden können. Ein spezielles Schild soll es Straßenverkehrsbehörden ermöglichen, Parkflächen und Ladezonen exklusiv für Lastenfahrräder auszuweisen. Das Verkehrszeichen „Radschnellweg“ ist auch dabei und soll die Kennzeichnung von Radschnellwegen auch unabhängig von der Fahrbahnbeschaffenheit wie z. B. auf sandigem Untergrund ermöglichen. (Radschnellwege mit sandigem Untergrund?) Und schließlich noch ein Schild für das Überholverbot von einspurigen Fahrzeugen – das „z. B. an Engstellen“ angeordnet werden kann. Auch hier bleibt die Frage, ob die Straßenverkehrsbehörden frei entscheiden können oder ob ein enger Rahmen gesetzt wird.

Neu ist der Vorschlag, Busspuren für Autos mit mindestens drei Personen zu öffnen. „Um den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren, ermöglichen wir die Freigabe von Busspuren für Pkw oder Krafträdern mit Beiwagen, die mit mindestens 3 Personen besetzt sind.“ Auch hier gibt es ein neues Verkehrsschild. Busspuren verlieren aber leider ihren Sinn. Einzelne Kommunen hatten es gerade erst als Fortschritt bezeichnet, dass Radfahrer die oft relativ freien Busspuren nutzen konnten. Jetzt treffen sie auch hier wieder auf Autos. Und wer kontrolliert überhaupt, ob wirklich drei Personen in den Autos sitzen? Verstehen Autofahrer die Regelung überhaupt, wenn nebenan ein Auto nach dem anderen vorbeifährt oder reihen sie sich einfach ein? Stefan Gelbhaar, Sprecher für städtische Mobilität und Radverkehr der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen: „Scheuer macht wieder nur Politik durch die Windschutzscheibe. Offensichtlich will er mit seinem Fahrer und dem Pressesprecher auf der Busspur fahren. Der Busverkehr wird damit langsamer, unattraktiver und so teurer. Zudem wäre eine solche Regelung praktisch nicht kontrollierbar. Gemeinden müssen sich unter diesen Umständen überlegen, ob sie wirklich eine Busspur einrichten wollen.“

Die Änderungsverordnung soll am 19. August 2019 in die Ressortabstimmung und anschließend in die Länder- und Verbändeanhörung gehen, so dass die Verordnung baldmöglichst in Kraft treten kann. Offen bleibt, ob es den Verordnungsentwurf überhaupt schon gibt. Stefan Gelbhaar hält Scheuers Ankündigungen daher auch für eine Luftnummer: „Scheuer wollte eine StVO-Reform bis Pfingsten vorlegen. Er ist im Verzug. Zahlreiche wichtige Änderungen in der StVO fehlen gänzlich, etwa Sicherheitszonen, um LKW-Abbiegeunfälle zu verhindern, eine deutlich vereinfachte Einführung von Fahrradstraßen und die Möglichkeit für Kommunen, Tempo 30 innerorts einzuführen.“

Die weiteren Ideen zu Carsharing, Rettungsgasse und einem Abschalt-Verbot von Notbremsassistenzsystemen gibt es hier beim Bundesverkehrsministerium.