Wir haben erklärte Gegner des Radverkehrs in Osnabrück, das ist kein Geheimnis. Für sie ist eigentlich jede Maßnahme „pro Radverkehr“ grundfalsch, weil wahlweise zu teuer, unnötig, autofeindlich und und und oder oder oder. Das neuste Projekt, auf das sie sich einschießen und das besondere Erwähnung findet, sind Fahrradzählstellen, deren Errichtung die Stadt noch für 2018 plant. Insgesamt 38.000 Euro sind dafür im Radverkehrsprogramm 2018 vorgesehen. Für die Radverkehrsgegner erschließt sich der Sinn dieser Zählstellen nicht, die optional noch mit Displays ausgestattet werden können, die den aktuellen Stand durchgefahrener Radler anzeigen.

Die Stadt schreibt dazu in der Verwaltungsvorlage zum Radverkehrsprogramm 2018: „Automatische Radzählsysteme helfen, das Mobilitätsverhalten, z.B. abhängig von der Witterung, einzuschätzen und zeigen als Monitoring-Instrument die Entwicklung des Radverkehrs.“ Diese Einschätzung teilen auch andere Städte. In Rostock steht ein Fahrradbarometer am Radfernweg Berlin – Kopenhagen. Und in Münster werden an neun Dauerzählstellen im Stadtgebiet Radverkehrsmengen erhoben. „Nicht zum Selbstzweck, sondern um ein realistisches Abbild des Radverkehrsgeschehens als Grundlage für eine angebotsorientierte Planung zu bekommen“, wie die Stadt Ende 2017 mitteilte.

Aus München hieß es schon 2011:

Die Daten der Dauerzählstellen sind einerseits eine wichtige Planungsgrundlage für den Radverkehr. Aus den Zählungen an verschiedenen Tagen der Woche können Rückschlüsse auf die Fahrzwecke und Ziele im Radverkehr gezogen werden. So deuten hohe Aufkommen morgens und abends auf einen hohen Anteil an Berufsverkehr hin, Mittagsspitzen sind typisch für den Schülerverkehr. Zum anderen sind die Dauerzählstellen ein wesentlicher Bestandteil des Evaluierungskonzepts für die städtische Radverkehrsförderung.

Und die Stadt Bonn nennt weitere gute Gründe. Die durch die Dauerzählstellen ermittelten Daten seine viel aussagekräftiger als einmalige Zählungen, die leicht verzerrte Ergebnisse erbringen können.

Radverkehrszählungen sind im Bereich der Verkehrsplanung genauso wichtig wie die Erfassung des Autoverkehrs: Um Engpässe auf den Rad-/Fußwegen zu ermitteln. Um die Entwicklung des Radverkehrs – gerade auch für den Radtourismus – an wichtigen Routen darzustellen. Um langfristig Verbesserungen für den Radverkehr zu planen und das Thema Verkehrssicherheit sinnvoll zu bearbeiten. Um Serviceleistungen wie den Winterdienst auf Radwegen zu planen.

Es ist wohl keine Geheimnis, dass Daten in unserer vernetzten Welt eine immer größere Rollen spielen. So ist es auch und gerade im Verkehr. Mit genaueren Zahlen lässt sich besser planen, lassen sich Investitionsmittel (also Steuergeld) zielgerichteter einsetzen. Das alles ist beim Autoverkehr seit Jahren eine (vermutlich auch nicht kostenlose) Selbstverständlichkeit. Aber beim Radverkehr soll es rausgeschmissenes Geld sein?

Fahrradbarometer am Radfernweg Berlin – Kopenhagen. Leider kann man die Digitalanzeige auf Fotos nicht erkennen…

Die Zählstellen haben darüber hinaus auch durchaus einen motivierenden Charakter. Das Stichwort ist hier Gamification. „Als Gamification oder Gamifizierung bezeichnet man die Anwendung spieltypischer Elemente und Prozesse in spielfremdem Kontext. Zu diesen spieltypischen Elementen gehören unter anderem Erfahrungspunkte, Highscores, Fortschrittsbalken, Ranglisten, virtuelle Güter oder Auszeichnungen. Durch die Integration dieser spielerischen Elemente soll im Wesentlichen eine Motivationssteigerung der Personen erreicht werden, die ansonsten wenig herausfordernde, als zu monoton empfundene oder zu komplexe Aufgaben erfüllen müssen. Erste Datenanalysen von gamifizierten Anwendungen zeigen teilweise signifikante Verbesserungen in Bereichen wie Benutzermotivation, Lernerfolg, Kundenbindung, ROI oder Datenqualität.“ (Wikipedia)

Nicht zuletzt kann eine Fahrradzählstelle auch dazu beitragen, das wahre Ausmaß des Radverkehrs überhaupt erst mal ins Bewusstsein zu bringen. Die AGFK Bayern hat mit Daten aus Graz sehr anschaulich gemacht, wie groß der Irrglaube im Einzelhandel bezüglich der eigenen Kunden ist. Bei einer Umfrage vermuteten Einzelhändler, dass 58 Prozent ihrer Kunden mit dem Auto kommen. In Wahrheit sind es aber nur 32 Prozent. Die Bedeutung des Autos wird also völlig überschätzt.

Osnabrücks Stadtpolitik sollte sich von solch persönlich motivierten Querschüssen also nicht aus der Ruhe bringen lassen. Daten sind enorm wichtig. Und vielleicht öffnen sie dem einen oder anderen auch die Augen, welche Bedeutung der Radverkehr wirklich hat.