Weil es hier im Blog eine kleine Diskussion über die zulässige Geschwindigkeit von Radfahrern auf Gehwegen mit dem Zusatzzeichen „Radverkehr frei“ gab, und auch der Oldenburger CDU-Fraktionsvorsitzende von einem Fahrbahnzwang für „schnelle“ Radfahrer spricht, möchte ich hier kurz die Situation darstellen.
Die Straßenverkehrsordnung sagt dazu:
Ist durch Zusatzzeichen die Benutzung eines Gehwegs für eine andere Verkehrsart erlaubt, muss diese auf den Fußgängerverkehr Rücksicht nehmen. Der Fußgängerverkehr darf weder gefährdet noch behindert werden. Wenn nötig, muss der Fahrverkehr warten; er darf nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren. – Anlage 2 zur StVO, lfd. Nr. 18
Der letzte Satz „er darf nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren“ wurde hier als generelles Schrittgeschwindigkeitsgebot ausgelegt. Daran hatte ich aber gleich meine Zweifel, da er mit einem Semikolon angehängt ist und sich damit meiner Meinung nach auf das „Wenn nötig“ am Satzanfang bezieht.
Diese Vermutung bestätigt nun der Leitfaden Radverkehr der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, wo es heißt:
Nicht benutzungspflichtig sind ferner Gehwege, bei denen durch Zusatzzeichen „Radverkehr frei“ das Radfahren, falls notwendig nur mit Schrittgeschwindigkeit, zugelassen ist.
Eben, falls notwenig.
Und da trifft es sich gut, dass gestern das Buch Recht für Radfahrer – Ein Rechtsberater von Dietmar Kettler bei mir in der Post war. Denn auch da heißt es auf Seite 103:
Er [der Gehweg] ist den Fußgängern vorbehalten. Nur wenn Radverkehr per Zusatzzeichen ausdrücklich darauf zugelassen ist, dürfen Radfahrer darauf fahren. Wird bei Zeichen 239 Radverkehr ausnahmsweise zugelassen, so darf der Fußgängerverkehr weder gefährdet oder behindert werden (…). Schrittgeschwindigkeit muss deswegen nicht immer gefahren werden. Zu Zeiten erkennbar schwachen Fußgängerverkehrs kann auf solchen Wegen auch mit normalem Fahrradtempo gefahren werden.
Damit sollte eigentlich alles klar sein.
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Bild: Gil
22 Antworten auf „Geschwindigkeit auf Gehwegen“
Und was leider die meisten genervten Autofahrer nicht wissen: Man DARF auf solchen Fußwegen fahren, muss es aber nicht.
Ende 2013 wurde ich von einem BMW-Fahrer geschnitten als ich auf der Straße fuhr. 90 Sekunden später stellte ich ihn am Parkplatz des Supermarkts zur Rede. „Ich solle doch auf dem Radweg fahren“, war seine erste Reaktion. Als ich ihn dann erläuterte, dass es keinen Radweg gibt -und das wollte er erst nicht glauben- dann entschuldigte er sich widerwillig um mich los zu werden.
Die meisten Autofahrer, die mich aber laut beschleunigend überholen, lassen sich nicht ansprechen, weil sie es o so eilig haben…
Jaja, kenne ich. Mich hat mal einer gefragt, ob ich nicht auf dem Gehweg fahren könnte, weil ich sonst den ganzen Verkehr aufhalte. Dass mich das aber ein Bußgeld kosten würde, konnte er überhaupt nicht glauben…
Diese Deppen, die einen durch zu wenig Abstand beim Überholen / zu frühes Wiedereinscheren oder Ausbremsen von der Fahrbahn mobben wollen, wissen anscheinend nicht, welchem Risiko sie sich selbst aussetzen. Selbst wenn der Radfahrer illegal die Fahrbahn benutzt, ist er noch lange kein Freiwild, das ausschließlich auf eigenes Risiko fährt. Im Falle eines Unfalls wird dem Autofahrer mindestens eine Teilschuld angelastet werden, vermute ich.
Aber zurück zum Thema Geschwindigkeit auf frei gegebenen Gehwegen.
In der Datenbank Verkehrsrecht des ADFC liest man folgendes:
„Wenn man sich für den frei gegebenen Gehweg entscheidet, muss man aber mit Schrittgeschwindigkeit fahren. Dies gilt auch für frei gegebene Fußgängerzonen. Das steht so in der StVO, obwohl man sich bei 4–7 km/h (Schritttempo) schon bemühen muss, das Fahrrad im Gleichgewicht zu halten. Wenn man zu schnell ist und einen Fußgänger anfährt, hat man vor Gericht jedenfalls schlechte Aussichten – zumal Fußgänger auf Gehwegen und in Fußgängerzonen absoluten Vorrang haben und keinesfalls behindert oder gefährdet werden dürfen.“
Der ADFC ist also der Auffassung, dass das Schritttempo immer gilt. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, das eine solche Verordnung praxistauglich ist, auch falls der Gesetzgeber es tatsächlich so meint. Dann könnte man sein Rad auch gleich schieben, wieso sollte man dann noch fahren? Außerdem käme es ja logischerweise einem Überholverbot für Radfahrer gleich.
Da sollte man mal nachfragen. Denn nach den Quellen dieses Artikels, bin ich fest der Meinung, dass Schritttempo eben nur gilt, wenn nötig, sprich wenn Fußgänger anwesend sind oder vielleicht noch, wenn der schmale Gehweg an schlecht einzusehenden Hauseingängen liegt.
Welchen Datums ist denn der ADFC-Artikel? Bis vor kurzem stimmte das auch noch, aber mit einer kürzlich erfolgten Änderung der StVO ist der grundsätzlich Schrittgeschwindigkeitszwang auf Gehwegen und in Fußgängerzonen gestrichen worden.
Freigegeben hin oder her. Die Geschwindigkeit muss immer so gewählt werden, wie es die Verkehrslage erfordert. Und ich habe noch eine Aussage die es millionenfach gibt. Wo kein Kläger, da kein Richer.
Ich kann nicht mit 30 km/h durch ne Fußgängerzone zur Hauptgeschäftszeit auch wenn es erlaubt ist.
Wohl aber mitten in der Nacht wenn keiner da ist. Dann interessiert es allerdings auch niemanden.
Richtig. Aber 30 km/h sind in der Fußgängerzone zur Hauptgeschäftszeit nie erlaubt ;-)
Das kannst du eins zu eins auf freigegebene Radwege übertragen.
Und du kannst überall schnell fahren, so lange du nicht erwischt wirst und du es mit deinem Gewissen vereinbaren kannst.
Oft ändert sich die Sichtweise auch mit dem Alter.
Ich weiß gerade nicht worauf du hinauswillst. Ich will hier nur aufzeigen, dass auf Gehwegen, die für den Radverkehr freigegeben sind, nicht ausnahmslos Schrittgeschwindigkeit vorgeschrieben ist.
Das soll keinesfalls heißen, dass man sich rücksichtslos verhalten darf.
Das ist ja alles ganz schön. Vor allem recht haarspalterisch beschrieben. Es glt dennoch: Ein zu Fuß Gehender hat grundsätzlich Vorrecht! Und auch ein möglicherweise plötzlich auf dem Fußweg auftauchender hat grundsätzlich Vorrecht. Sobald nun auf einem für den Radverkehr durch Zusatzschild „Radfahren frei“ der Gehweg zur Benutzung gestattet ist, muss stets mit einem zB. aus einem Hauseingang auf den Fußweg tretenden Fußgänger gerechnet werden. Ist dies der Fall, muss mit Schrittgeschwindigkeit gefahren werden. Ein Radfahrer darf nämlich nur dann schneller als Schrittgeschwindigkeit auf einem solchen Gehweg fahren, wenn mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen ist, dass ein Fußgänger nicht doch plötzlich auf den für ihn vorbehaltenen Fußweg tritt! ERGO: Grundsätzliche Schrittgeschwindigkeit ist di Regel. Denn Fußwege gehören den Fußgängern. Es ist einem Fußgänger nicht zuzumuten noch weniger abzuverlangen, beim Betreten des Fußweges erst einmal nach links und nach rechts zu schauen um zu überprüfen, onb er den Gehweg gefahrlos für das Selbst betreten kann.
Sag ich ja, wo der Gehweg schmal ist und Hauseingänge sind, muss man von vornherein Schrittgeschwindigkeit fahren. Ob das nun die Regel ist bei Gehwegen, die für den Radverkehr freigegeben sind, vermag ich nicht zu beurteilen.
Dein Satz Fußwege gehören den Fußgängern ist im Prinzip richtig. Mitunter aber auch nicht. Und dann ist es doch gut zu wissen, wie die Regeln sind.
Und mit Haarspalterei hat es nichts zu tun. Sag das mal dem Richter, wenn er gegen dich urteilt. Ausschlaggebend für mich war bei diesem Thema die unqualifizierte Darstellung des CDU-Fraktionsvorsitzenden im Oldenburger Rat, der eine Radwegebenutzungspflicht für einen gemeinsamen Rad- und Gehweg wieder anordnen will. Und ist weder in deinem noch in meinem Sinn. :)
Leider lässt die amtliche Begründung der gültigen StVO einige Zweifel an deiner Rechtsauffassung aufkommen:
„Bis zur „Schilderwaldnovelle“ war bei Zeichen 239 und 242 die höchstzulässige Geschwindigkeit für durch Zusatzzeichen zugelassenen Fahrzeugverkehr „Schrittgeschwindigkeit“. Gegenstand der „Schilderwaldnovelle“ war die Aufgabe der Schrittgeschwindigkeit für den Fahrzeugverkehr, wenn er bei Gehwegen (Zeichen 239) oder Fußgängerzonen (Zeichen 242) durch Zusatzzeichen zugelassen wurde. Stattdessen hatte der Fahrzeugverkehr seine Geschwindigkeit an den Fußgängerverkehr anzupassen. Ziel war eine Vereinheitlichung der Maßgaben zu sämtlichen Sonderwegen. Zudem wurde der Forderung von Radfahrerverbänden Rechnung getragen, dass die Einhaltung der Schrittgeschwindigkeit durch Radfahrer schwer möglich (Schwanken) sei. Auf Gehwegen und in Fußgängerzonen muss stets (z. B. nachts im Bereich von Gaststätten) mit plötzlich auftretendem Fußverkehr gerechnet werden. Hinzu kommt, dass Bund und Länder z. B. eine Flanierzone nach Schweizer Vorbild mit der Begründung abgelehnt haben, dass eine damit einhergehende Geschwindigkeit von 20 km/h sich aus Verkehrssicherheitsgründen nicht mit einem Vortrittsrecht für Fußgänger vereinbaren lasse. Gleiches gilt für die Ausübung von Sport und Spiel, die dort nicht verboten sind. Auch für verkehrsberuhigte Bereiche wurde in der „Schilderwaldnovelle“ die Schrittgeschwindigkeit beibehalten. Zumindest für Fußgängerverkehrsflächen wird deshalb aus Gründen der Verkehrssicherheit zum Schutze der Fußgänger an der Schrittgeschwindigkeit festgehalten. Gehwege und Fußgängerbereiche sind in erster Linie für den Fußgängerverkehr bestimmt. Die ausnahmsweise Zulassung von Fahrzeugen rechtfertigt es, den Fahrzeugführerinnen und -führern besondere Verpflichtungen zum Schutz der Fußgänger aufzuerlegen, dies gilt auch für eine unter allen Umständen zu beachtende Höchstgeschwindigkeit. Radfahrer können entscheiden, ob sie diese Alternative dem Fahren auf der Fahrbahn vorziehen.“
http://www.bundesrat.de/cln_321/nn_8336/SharedDocs/Drucksachen/2012/0401-500/428-12,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/428-12.pdf
S.153f
Das ist interessant. Also will die Verordnung die „anzupassende Geschwindigkeit“ zurücknehmen und wieder genrelles Schritttempo einführen?
Es ist übrigens meine Interpretationsauffassung der genannten Quellen. Diese gingen dann ebenfalls von falschen Tatsachen aus, insbesondere auch der Leitfaden Radverkehr von der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr.
Ich möchte darauf hinweisen, dass es rein den Ländern überlassen ist die Straßenverkehrsordnung anzuwenden und auszulegen. Deshalb kann die jeweils oberste Straßenverkehrsbehörde von Bundesland zu Bundesland durchaus zu unterschiedlichen Rechtsauffassungen gelangen.
Das wird ja immer interessanter hier :-)
Welcher normal-sterbliche Verkehrsteilnehmer soll da noch durchblicken?
Ich bemühe mich um Aufklärung. Habe die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr mal angeschrieben und um ihre Begründung gebeten.
Vielleicht interessant:
http://www.verkehrslexikon.de/Texte/Verkehrsberuhigt02.php
oder:
http://www.badische-zeitung.de/auto-mobilitaet-1/was-heisst-schrittgeschwindigkeit–68756457.html
…es scheint sich bei 15k/mh (!) einzupendeln.
Ja, wobei es hier ja eigentlich nicht um die tatsächlichen Zahlen der Schrittgeschwindigkeit geht, sondern eher darum, ob sie auf freigegebenen Radwegen generell gilt (egal wie schnell sie dann ist) oder ob man bei „freier Bahn“ auch schneller fahren darf.
ja, aber interessant ist doch auch, dass man bei nicht freier Bahn um die 15k/mh fahren darf… ganz schön schnell, oder? Für Fußgänger sicher nicht so wahnsinnig prickelnd. Letztlich ein Argument dafür, den Radverkehr auf der Fahrbahn zu lassen.
Absolut!
„auch mit normalem Fahrradtempo gefahren werden“
Und wie schnell ist solch ein normales Fahrradtempo? Also mein normales Tempo beginnt so ab dem wo Pedelecs der Rückenwind ausgeht. Da ich einen Rennlenker am Rad habe, sehen das manche Zeitgenossen dann gerne als Raserei an. Wenn ich dasselbe Tempo mit einem Besenstiellenker fahre, wird anders reagiert.
Alles höchst schwammig! StVO -> SBVO (SpongeBobVO)