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Radverkehr in Niedersachsen: Ein leeres Glas muss gefüllt werden

Wie steht es um den Radverkehr und dessen Förderung in Niedersachsen? Kann Niedersachsen Fahrradland Nr. 1 werden? Um dieses Thema ging es in dem gemeinsamen Pressegespräch von Bündnis 90/Die Grünen und dem ADFC Niedersachsen am 15. Oktober im Café Konrad in Hannover.

Pressemitteilung des ADFC Niedersachen

Wie steht es um den Radverkehr und dessen Förderung in Niedersachsen? Kann Niedersachsen Fahrradland Nr. 1 werden? Um dieses Thema ging es in dem gemeinsamen Pressegespräch von Bündnis 90/Die Grünen und dem ADFC Niedersachsen am 15. Oktober im Café Konrad in Hannover.

„In den vergangenen Jahren wurden richtige Weichen für den Radverkehr gestellt! Doch stehen wir vor einem leeren Glas welches nun gefüllt werden muss“, so der Landesvorsitzende Dieter Schulz des ADFC Niedersachsen. „Mit einem „weiter so“ in der Verkehrspolitik werden die Ziele im Klimaschutz, in der Gesundheitsprävention und in vielen anderen Bereichen nicht erreicht. Ausreichende nachhaltige Radverkehrsförderung ist ein wesentlicher Bestandteil um diese Ziele nicht zu verfehlen!“

Der Schlüssel zu mehr Mobilität, zu sauberer Luft und zu mehr Lebensqualität in den Wohnquartieren ist das Fahrrad.

„Der Schlüssel zu mehr Mobilität, zu sauberer Luft und zu mehr Lebensqualität in den Wohnquartieren ist das Fahrrad. Wer es schafft, den Anteil der Radfahrer*innen am Verkehr deutlich zu erhöhen, der wird den Klimawandel entschleunigen, für flüssigen Verkehr auch in Ballungszentren und für Gesundheit und Sicherheit der Menschen sorgen“, so die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Anja Piel. Der verkehrspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen Detlev Schulz-Hendel betont: „Wir brauchen weiter verlässlich Mittel und ein Landesprogramm für Radschnellwege!“

Im Juni stellte Bündnis 90/Die Grünen eine große Anfrage zum Radverkehr an die Landesregierung, in welcher es sich unter anderem um Fragen der Mittel für den Radverkehr, Radschnellwege und das Niedersächsische Fahrradmobilitätskonzept drehte.

Nach Durchsicht der Antworten zum Fahrradmobilitätskonzept äußerte Schulz die Bedenken, das Konzept könne zum Schubladenprojekt werden, sofern nicht genügend Ressourcen bereitgestellt würden. „Wer Radverkehr fördern möchte, der muss dieses tolle Konzept in die Hand nehmen und umsetzen“, so Schulz. Dafür brauche es nicht nur eine entsprechende Förderrichtlinie, sondern auch ausreichend Mittel und Personal. „Wird hier am falschen Ende gespart und werden die entsprechenden Kosten nicht eingeplant, so könnte das Fahrradmobilitätskonzept eine Blattsammlung für die Schublade werden. Radverkehrsförderung ist mehr als Neubau und Sanierung von Radwegen!“

Radverkehrsförderung ist mehr als Neubau und Sanierung von Radwegen!

Laut Nationalem Radverkehrsplan (NRVP) geben deutsche Städte im Durchschnitt 2-3 Euro pro Kopf für den Radverkehr aus, Niedersachsen ist hier bisher keine Ausnahme. „Laut NRVP sind jährliche Ausgaben für den Radverkehr pro Einwohner*in in Höhe von 6-15 Euro notwendig und das nur für Bau und Unterhalt! Städte wie z.B. Amsterdam oder Kopenhagen kommen auf knapp 30 Euro pro Kopf“, so Schulz.

Der ADFC Niedersachsen hofft, dass in den nächsten Jahren genügend Mittel beim Radverkehr ankommen und nicht nur „ein Rest“. „Flexibilität hinsichtlich der Mittelverteilung ist eine gute Sache, solange sie nicht auf Kosten der Radfahrenden geht.“ Die Mittelerhöhung im Haushalt 2019, sowie die Erhöhung im Niedersächsischen Gemeindefinanzierungsgesetz (NGVFG) einhergehend mit der festgehaltenen neuen Quote der Mittelverteilung begrüßte der ADFC Niedersachsen bereits zuvor. Eine prozentuale Festschreibung für Radverkehrsmittel lässt sich im NGVFG allerdings vermissen. Aus einer solchen Festschreibung hätte man aus Sicht des ADFC Niedersachsen ein Sonderprogramm für den Radverkehr schaffen können, welches nicht nur mehr Sicherheit und Klarheit für die Kommunen bringe, sondern auch ein klares Bekenntnis zu mehr Radverkehrsförderung bedeuten würde!

Daher betont der ADFC Niedersachsen als Konsequenz aus der Großen Radverkehrsanfrage noch einmal einige Forderungen aus seinem verkehrspolitischen Programm:

  1. Innerhalb des Umweltverbundes muss das Fahrrad künftig den größten Teil der kurzen und mittleren Wege (~ 2 – 7 Kilometer) erbringen können. Dazu soll der Anteil des Fahrrades an den zurückgelegten innerstädtischen Wegen bis 2025 auf 40 Prozent im Landesdurchschnitt, der Anteil des Fahrrads an der gesamten Verkehrsleistung auf 25 Prozent steigen!
  2. Dem Umweltverbund muss Vorrang vor dem Autoverkehr gegeben werden!
  3. Der politische Wille zur wesentlichen Steigerung des Radverkehrsanteils in Niedersachsen soll, wie in den Koalitionsverträgen festgeschrieben wurde, Wirkung entfalten!
  4. Das Sonderprogramm zur Ko-Finanzierung von Radschnellwegen soll auch im Haushalt ab 2019 fortgeschrieben werden!
  5. Das niedersächsische Fahrradmobilitätskonzept muss schnellstens umgesetzt werden. Dafür sind ausreichend feste Mittel und Personal bereitzustellen!
  6. Eine Mittelfestschreibung für den Radverkehr hält der ADFC Niedersachsen für das richtige nachhaltige Zeichen um Radverkehrsförderung voran zu treiben!
  7. Für eine konsequente Radverkehrsförderung muss mehr Geld, Personal und der politische Wille zu einer Abkehr vom Vorrang des Autoverkehrs vorhanden sein!
  8. Eine Erhöhung der pro Kopf-Ausgaben nach NRVP Vorgaben auf 6-15 Euro jährlich muss stattfinden!
Bild: ADFC Niedersachsen

6 Antworten auf „Radverkehr in Niedersachsen: Ein leeres Glas muss gefüllt werden“

Der ADFC vertritt auf Bundesebene zwar mittlerweile wenigstens schon mal die richtigen Positionen hinsichtlich zukunftsfähiger Radinfrastruktur, aber mit der Durchschlagskraft in der Bundes- und Landes-Politik hapert es scheinbar weiterhin.

Es hat vielmehr den Anschein, dass die großen Umwälzungen in Deutschland zur Zeit eher durch die Radentscheide auf kommunaler Ebene erzielt werden, die der ADFC (vor Ort) aber zuerst teils entweder nicht so richtig unterstützt oder teils sogar abgelehnt hat (Frankfurt, Berlin).

Als größte Interessenvertretung der Radfahrer hierzulande sollte sich der ADFC mMn schon aus eigenem eigenen Interesse stärker zu den Radentscheiden bekennen und sie wo es noch keine gibt, sie mit allen Mitteln forcieren, bevor er sich an hart umkämpften Landes- und bundespolitischen Kriegsschauplätzen abarbeitet.

Die wesentlichen Themen, die zu einer nachhaltigen und deutlichen Verbesserung des Radverkehrs auf Landes- und Bundesebene beitragen können, sind ohnehin nicht vorrangig Mittel- und Personalfragen, sondern die Modernisierung und konsequente Anwendung der Bestimmungen der ERA, der RASt, der RiLSA usw. Hier müsste sich der ADFC mMn sehr viel konsequenter einbringen.

Der Satz „Der Schlüssel zu mehr Mobilität, zu sauberer Luft und zu mehr Lebensqualität in den Wohnquartieren ist das Fahrrad.“ wird auch nicht richtiger, wenn ihn alle wiederholen. Es geht nicht um mehr Radverkehr zu Lasten womöglich des Fußverkehrs, sondern um weniger Autoverkehr was dann i. d. R. zu mehr Radverkehr führt. Mehr Radverkehr an sich hat einen sehr beschränkten Eigenwert. Und wir brauchen einen Schlüssel zu weniger Verkehrs(aufkommen). Mehr Mobilität (was auch immer genau gemeint ist), wird auch eher zu mehr Verkehr führen. Aber das werden die Grünen, der Spitzenpolitiker inzwischen große deutsche Autos besitzen, um ihre regelmäßigen Sandtransporte abzuwickeln, genauso wir die Scheuklappenträger des ADFC Bundesverbandes vermutlich nicht verstehen wollen.

@ Fahrradmonteur: Nur weil Rad im Namen daher kommt, gilt immer noch die Weisheit, Dinge erst einmal zu prüfen, bevor man sie mitträgt. Unter dem Segel der Radentscheide sind auch fragwürdige Ideen wie Subventionen für private Fahrzeuge unterwegs.

>>Unter dem Segel der Radentscheide sind auch fragwürdige Ideen wie Subventionen für private Fahrzeuge unterwegs.

Aha, und was soll uns dieses Adorno für Arme in letzter Konsequenz mitteilen? Lieber keine Radverkehrsförderung als solche, die reale Widersprüche mit einbezieht? Nein Danke, damit lässt sich keine Politik machen.

Mit der Radverkehrsförderung ist das in Deutschland nun mal so eine Sache: Im Prinzip werden damit – aus Radfahrersicht – eigentich nur niedrige Beweggründe verfolgt und teilweise antiemanzipatorisch umgesetzt, wenn z.B. Parkplätze für Radspuren geschleift werden und vor allem Frauen dann vom wegfallenden Zweitwagen auf das Bakfiets gegenderd werden (Man sehe genau hin, wer vor allem Lastenräder benutzt in NL/DK..)

Und ja, viele Städte und Länder verfolgen vorrangig das Ziel, den Autoverkehr noch irgendwie am Leben zu erhalten – so weit so schlecht, aber das heißt im Umkehrschluss eben nicht, dass man Radverkehrsförderung nicht auch zulasten des MIV betreiben kann.

Praktisch eröffnet die aktuelle Dilemma-Situation der Politik viele Möglichkeiten, die von den Aktiven der Radentscheide in der Regel sehr gut genutzt werden. Auch wenn vereinzelt kuriose Forderungen gestellt werden, hat sich bis jetzt noch jede Kommune genötigt gesehen, mehr für das Thema Rad auszugeben und was mindestens genauso wichtig ist: Es wurde eine breite öffentliche Debatte angestoßen.

Das mit der Substituierung des Hausfrauen/Nebenverdienerinnen-Zweitwagens durch ein Lastenrad finde ich ein interessanten Aspekt. Kann ich nichts zu sagen, aber nicht unwahrscheinlich.

Ob hyperventilierende Radaktivisten Ausdruck einer breiten öffentlichen Debatte sind? Mag in einzelnen Städten so sein. In NRW gibt es diese Debatte nicht.

Ich bestreite nicht, dass Radaktivisten geschickt dabei sein können ihre partikulären Interessen (billige Lastenräder) unter aktuellen politischen Bedingungen an den Mann zu bringen. Der Preis von Lastenträdern ist aber ein Problem der städtischen Mittelschicht mittleren Alters und hat mit der Lebensrealität der Mehrheit nichts zu tun. Ich würde Subventionen im Verkehrsbereich lieber in die Abhebung von Hartz IV und Co. stecken. Da erwarte ich mir mehr von.

Ich bin für eine andere Perspektive. Es geht um Reduktion von Autoverkehr und das kann dann auch zugunsten des Autoverkehrs sein. Damit ist die Konstante in der Gleichung eine andere. Aber weniger Autoverkehr dürfte immer auch zu Gunsten des Radverkehrs sein.

Keine Ahnung was Herr Adorno so zum Radverkehr beizutragen hat. Ich halte nichts davon, politische Positionen nicht mehr aus Überzeugungen herzuleiten sondern aus dem angeblich alternativlosen, machbaren. Das mag für die Kinder, die unter Merkel aufgewachsen sind, komisch sein, erklärt aber, warum man heute nicht mehr weiß, wofür es die SPD braucht und was die CDU von der SPD unterscheidet und was um alles anders wäre, wenn die Grünen die stärkste Partei sind. Wenn man sich nur noch im Verwaltung des „Faktischen“ aufhält, braucht es keine Politik mehr.

> Lieber keine Radverkehrsförderung als solche, die reale Widersprüche mit einbezieht?

Also bist du dafür, RVF zu bejahen, von der man weiß, dass sie in die falsche Richtung läuft, nur weil eine andere gerade keine politische Mehrheit hat?

@Bicycle Repairman: Fragt sich nur, was man unter „richtigen Positionen hinsichtlich zukunftsfähiger Radinfrastruktur“ versteht.

Wenn der Bundesgeschäftsführer des ADFC tönt, daß Radschnellwege nicht zum schnellen Radfahren da seien, dann weiß ich Bescheid. Der Radel-TUI sollte sich besser weiterhin der Radtouristik widmen, da richtet er wenigstens keinen Schaden an. Verkehrspolitisch ist der ADFC ein Totalausfall.

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