Als Radfahrer kann ich nur schmunzeln, wie sich die kleine Wutbürger-Autofahrer-Gemeinde in Osnabrück gerade die Finger blutig kommentiert. In den Stoßzeiten des Verkehrs kommt es in der Stadt – wie übrigens in jeder deutschen Stadt – gerade mal wieder zu ordentlichem Stau. Am Mittwoch war es wohl noch mal extremer als sonst. Als Radfahrer kann ich darüber natürlich nur lachen. Das Stauproblem existiert hier auf Radwegen noch lange nicht. Eigentlich ein hervorragendes Argument, für Fahrten innerhalb der Stadt umzusteigen.
Daran denken die staugeplagten und zunehmend wütenden Autofahrer aber nicht. Vielmehr werden erst mal die Schuldigen ausgemacht. Und das ist mal die Regenbogenkoalition im Rat, mal die Verwaltung, mal der Stadtbaurat, mal die Verkehrsplaner (Wieso ist der wütende Autofahrer eigentlich nicht selbst Verkehrsplaner, wenn er es doch so viel besser weiß?). Komischerweise aber nie diejenigen, die den Stau eigentlich bilden: die Autofahrer.
Die Schuldigen sind komischerweise nie diejenigen, die den Stau eigentlich bilden: die Autofahrer.
Aktuell stehen die vielen Baustellen im Fokus des wütenden Autofahrers. Ich kann nicht beurteilen, ob es momentan mehr Baustellen sind als sonst. Aber ich vermute mal, dass bei dem zunehmenden Autoverkehr da draußen zumindest immer mehr Baustellen nötig werden. Die könnte man natürlich auch aufschieben, bis die bereits bestehenden fertiggestellt sind. Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben. Und die wütenden Autofahrer bleiben ohnehin, weil dann eben über schlechte Straßen statt Baustellen geschimpft wird. Hinzu kommen noch wütende Anwohner, weil ihre Wasser- oder Stromversorgung nicht funktioniert. Versorgungsleitungen liegen bekanntlich unter Straßen. Das könnte man vielleicht auch mal bedenken.
Aber mit Denken hat es der wütende Autofahrer nicht so. Er muss schimpfen. Er muss beleidigen. Und er braucht Feindbilder. Ganz dringend. Jede Minute ohne Feindbild könnte zum Nachdenken und im schlimmsten Fall zum Reflektieren führen. Und dabei könnte dann herauskommen, dass man selber ja ziemlich mitverantwortlich ist für den Stau, in dem man steht.
An Kreuzungen lässt sich das momentan am besten beobachten. Springt eine Ampel von Grün auf Gelb, heißt es Gas geben. Um jeden Preis – auch ein Rotlichtverstoß ist da kein Problem – muss man die Haltelinie noch überfahren. Und mehr als die Haltelinie wird es dann auch nicht. Der Vordermann steht ja auch schon mitten auf der Kreuzung, weil es nicht vorangeht. Das führt dann leider dazu, dass auch der Querverkehr nicht mehr vorankommt – selbst wenn auf seiner Strecke gar kein Stau war. Nun ist er da. Und wer hat Schuld? Natürlich die Regenbogenkoalition im Rat, die Verwaltung, der Stadtbaurat, die Verkehrsplaner. Ist ja klar…
Unsere Städte wurden nicht für Autos gebaut.
Um abschließend noch mal grundsätzlich zu werden: unsere Städte sind alt. Sehr alt. Als sie entstanden sind, gab es keine Autos. Keine überdimensionierten SUV. Es gab daher auch keine breiten Straßen. Die wurden erst nachträglich als Schneisen zwischen die Häuser geschlagen. Oder es wurden Boulevards plattgemacht und asphaltiert. Allerdings zu einer Zeit, als es bei Weitem nicht so viele Autos gab wie heute. Unsere Städte sind also nicht auf diese Automassen ausgelegt. Dafür kann man natürlich wieder Stadtplaner verantwortlich machen, die vor 100 Jahren nicht so visionär waren zu sehen, wie viele Autos es mal geben wird.
Man kann es aber auch nüchtern angehen und anerkennen, dass in eine Stadt wie Osnabrück nun mal nicht unendlich viele Autos passen. Selbst ohne eine einzige Baustelle wird es angesichts der Massen an Autos in den Stoßzeiten zu Staubildung kommen. Und da kommt eine Alternative ins Spiel: Da die meisten Wege, die in deutschen Städten zurückgelegt werden, unter fünf Kilometer sind, ist man mit oder ohne Stau mit dem Fahrrad in der Regel immer schneller am Ziel. Man muss ja auch keinen Parkplatz suchen. Der wütende Kurzstreckenautofahrer könnte also selbst Verantwortung für sich übernehmen, das Auto zu Hause lassen und zum schmunzelnden Radfahrer werden. Wo aber Routine herrscht, ist mehr als Schimpfen nicht drin…
7 Antworten auf „Der staugeplagte Autofahrer: Wo Routine herrscht, ist mehr als Schimpfen nicht drin…“
Schade, dass die Baustellen aber auch wieder an Fußgängern und Radfahrern ausgelassen werden… vor der Baustellen Bramscher Straße blockiert ein Schild für Autofahrer momentan den ganzen Fußweg… das andere ragt auf den Radweg… danach müssen sich Fußgänger aus beiden Richtungen sowie Radfahrer einen Meter Radweg teilen, übrigens ohne entsprechende Beschilderung,während die Autofahrer danevwn weiterhin zwei Spuren haben… schau es dir gerne selbst mal an…
Vor dem Autohändler, wo Radfahrer und Fußgänger sich die kleine Gasse teilen müssen, haben Autofahrer aber auch nur eine Spur. Grundsätzlich sehe ich so eine Baustelle inzwischen gelassener. Da fahre ich ein kurzes Stück langsamer und danach gehts wieder besser. Trotzdem nervt es natürlich manchmal. Aber es ist ja auch nur vorübergehend.
heute werden Städte aber für Autos geplant. Zum Beispiel gibt es kommunale Bauvorschriften die Kfz-Stellplätze beim Wohnungsbau vorschreiben. Dies ist m.E. eine der am stärksten autofördernden Maßnahmen die es so gibt.
Wohnen wird dadurch teurer, Stellplätze billig gehalten und von der Allgemeinheit mitbezahlt. Wenn ein Produkt (hier Stellplatz) politisch vorgeschrieben ist, wird nicht der reale Preis dafür bezahlt.
Wenn heute neue Wohnsiedlungen gebaut werden mit 2 Stellplätzen/Wohnung, wird da der Grundstein gelegt für jahrezehntelange Automobilität.
Naja, anders würden die Autos im öffentlichen Raum stehen. „Anwohnerparken“ sehe ich da eher als falsches Signal. Müssen Bauträger für ausreichend Stellplätze sorgen, ist die Stadt nicht mehr in der Pflicht und kann den wegfallenden Parkraum bspw. Fußgängern zur Verfügung stellen. Schön wär’s, aber vielleicht passiert das ja irgendwann?
Das ist genau die Problematik, über die ich auch immer nachdenke. Einerseits bin ich auch gegen verpflichtende Parkplätze für Bauträger. Andererseits darf dann nicht die Stadt einspringen und öffentlichen Raum kostenlos zur Verfügung stellen. Dann lieber Quartierparkhäuser bauen und Stellplätze zu ortsüblichen (Miet-)Preisen vermieten. So kann man auch steuern. Dann wissen Anwohner zumindest, was sie berappen müssen, wenn sie auf ihr Auto nicht verzichten wollen.
Wenn keine stellplätze mehr gebaut werden, und auch im öffentlichen Raum nicht zusätzliche parkstände als ausgleich geschaffen werden, nimmt der autoverkehr ab, bzw nur soweit zu bis der parkdruck die schmerzgrenze erreicht hat. Warum wohl wird zb hier in München erbittert um jeden parkplatz gestritten, aber ganze fahrspuren werden vergleichbar leicht hergegeben. Das tut dem autoverkehr nur in der rushhour weh, fehlende parkplätze hingegen, schaffen im prinzip ein auto ab. (hab mal irgendwo gehört man braucht ca. 8 stellplätze für ein auto in der stadt).
@philipp: wenn bei jeder neuen tiefgarage die entsprechende zahl öffentl. parkstände in der nachbarschaft gestrichen würde, wär das ok, ist aber nicht der fall. Noch besser wäre es, wäre der bau von stellplätzen freiwillig, dann würden stellplatzkosten schlagartig stark ansteigen und nach dem verursacherprinzip geregelt.
https://vimeo.com/85282955