Seit dem 6. Juli können europaweit neue LKW-Typen nur noch mit elektronischen Abbiegeassistenten zum Schutz von Radfahrenden zugelassen werden. Für diese lebensrettende Fahrzeugtechnik hat sich der Fahrradclub ADFC seit 2011 vehement eingesetzt, da die Anzahl der durch rechtsabbiegende LKW getöteten Kinder und Erwachsenen bedenklich zunahm. Der ADFC kritisiert die schleppende Umsetzung der Ausrüstungspflicht und betont, dass weiterhin über 90 Prozent der Bestands-LKW ohne die Zusatzausstattung unterwegs sein werden. Der Fahrradclub fordert deshalb eine Pflicht zur Nachrüstung mit Abbiegeassistenten. Bundesverkehrsminister Volker Wissing setzt weiter nur auf Freiwilligkeit.

ADFC-Bundesgeschäftsführerin Ann-Kathrin Schneider sagt: „Seit mehr als zehn Jahren kämpft der ADFC für die Ausstattung von Lkw mit lebensrettenden Abbiegeassistenten, um die Zahl der getöteten Radfahrerinnen und Radfahrer zu reduzieren. Dass die Pflicht zu einer relativ simplen aber hocheffektiven Fahrzeugtechnik erst jetzt kommt, ist schon schmerzlich genug. Viel schlimmer ist, dass die neue Regelung nur für neue LKW-Typen gilt. Das bedeutet, dass noch jahrelang hunderttausende alter LKW ohne Abbiegeassistenten dort unterwegs sein werden, wo Kinder mit dem Rad zur Schule, Berufstätige zur Arbeit und Ältere zum Einkaufen fahren. Wir brauchen eine EU-weite Nachrüstpflicht für Bestandsfahrzeuge. Das gilt insbesondere für Kommunal- und Baufahrzeuge mit langer Lebensdauer, die viel im innerörtlichen Verkehr genutzt werden. Dafür muss Minister Wissing sich auf EU-Ebene einsetzen.“

Nach Recherchen des ADFC konnten bisher weniger als fünf Prozent der rund 834.000 Lkw, Busse und Sattelzugmaschinen über 3,5 Tonnen über eine Bundesförderung zur freiwilligen Nachrüstung mit LKW-Abbiegeassistenten ausgestattet werden. Aktionen wie die des Hamburger Senats, der alle kommunalen Fahrzeuge freiwillig nachrüsten ließ, seien die Ausnahme. Schneider: „Das System der Freiwilligkeit funktioniert im Bereich der Verkehrssicherheit nicht. Wir brauchen eine verpflichtende Nachrüstung mit lebensrettenden LKW-Abbiegeassistenten.“




Zwischen 2013 und 2020 ist die Zahl der jährlich durch rechtsabbiegende LKW getöteten Radfahrerinnen und Radfahrer von 28 auf 40 gestiegen. Als Opfer überdurchschnittlich häufig betroffen sind Frauen, Kinder und Senior:innen auf dem Rad. In Osnabrück wurden zuletzt im März 2022 und im November 2021 Radfahrer von LKW getötet. Der ADFC appelliert seit 2011 an das Bundesverkehrsministerium, den LKW-Verkehr durch verpflichtende Abbiegeassistenten sicherer zu machen.

Die „Aktion Abbiegeassistent“ des Bundesverkehrsministeriums im Jahr 2019 und die StVO-Novelle von 2020, die für LKW Schrittgeschwindigkeit beim Abbiegen vorschreibt, haben zuletzt zu einer Verbesserung dieser Unfallzahlen geführt. Die Zahl der durch abbiegende LKW getöteten Radfahrenden konnte so im Jahr 2020 auf 20 halbiert werden. Die Bundesregierung strebt laut Koalitionsvertrag aber Null Verkehrstote an („Vision Zero“), deshalb müssen alle Lkw mit Abbiegeassistenten ausgestattet sein, nicht nur Neufahrzeuge, so der ADFC. Außerdem müsse ein schneller Umbau von Straßen und gefährlichen Kreuzungen auch die Anzahl der Kollisionen zwischen Fahrrad und Auto reduzieren, denn häufigster Unfallgegner von Radfahrenden ist nach wie vor das Auto.

Plakataktionen, die sich an die potenziellen Opfer richten, reichen nicht. Die Fahrzeuge müssen nachgerüstet werden.
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