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Osnabrück

Perspektiven statt Parkplätze

Für die einen ist es „ideologische Bevormundung“, für die anderen eine echte Perspektive in der Corona-Pandemie. Und für die nächsten eine gute Gelegenheit, endlich mal wieder ein Bierchen in der Liblingskneipe zu trinken. Beziehungsweise vor der Lieblingskneipe. Denn die Stadt Osnabrück erlaubt es Gastronom*innen seit kurzem, über Sondernutzungserlaubnisse Parkflächen vor ihren Lokalen für die Außengastronomie zu nutzen.

Die einen, das ist die Osnabrücker Autopartei (BOB), die meint, Parkraum sei „ein knappes und kostbares Gut und darf nicht auf dem Altar einer autofeindlichen Ideologie geopfert werden“. Eine Umwandlung zu Bewirtungsfläche werde „der Gastronomie und dem Einzelhandel eher schaden“. Da reihen sich dann sicher wieder die üblichen Verdächtigen aus den „sozialen Medien“ ein, die nun wirklich, also echt, nie wieder nach Osnabrück kommen und ihr Bier nun online trinken werden. Ist sowieso bequemer und das Angebot auch viel größer.

Die anderen, das sind die Gastronom*innen, die zum Beispiel in der Lohstraße Parkplätze für die Außengastronomie nutzen. Wo vorher drei Autos standen, können jetzt 24Personen an sechs Tischen ihr Feierabendbierchen trinken. Gerade für die durch Corona gebeutelte Gastronomie ist das ein Licht am Ende des Tunnels, dass endlich wieder für Einnahmen sorgt.

Noch einen Schritt weitergehen will die Oberbürgermeisterkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen. Annette Niermann schlägt die temporäre Umwidmung einzelner Osnabrücker Straßen zu sogenannten „Sommerstraßen“ vor, um mehr Platz für pandemiesichere Freizeit- und Kulturaktivitäten zu gewinnen. Dazu können Straßen für eine bestimmte Zeit für den Durchgangsverkehr gesperrt werden.

Mit den Sommerstraßen holen wir das Leben zurück in die Stadt.

„Wir alle freuen uns auf den Sommer und ruhige und entspannte Tage, die wir nach den letzten Monaten endlich wieder unter Menschen und draußen verbringen können. Viele Menschen und insbesondere Kinder, Jugendliche und deren Familien werden die nächsten Wochen in der Stadt verbringen. Wir sollten ihnen vor Ort Platz für Begegnungen, zum Sitzen und Spielen und für Aktionen und Veranstaltungen außerhalb der eigenen Wohnung geben“, so Niermann.

Dafür schlägt Niermann vor, einzelne Straßen in verschiedenen Osnabrücker Stadtteilen wie der Wüste, im Schinkel oder am Schölerberg temporär zu sperren. Wichtig sei, interessierte Bewohner*innen, die sich bei der Stadt für eine Sommerstraße in ihrer Umgebung bewerben können, in die Planung und Durchführung einzubinden. Die Stadt müsse hier unbürokratisch unterstützen, etwa wenn es um die Sperrung der Straßen oder die vorübergehende Nutzung alternativer Parkmöglichkeiten beispielsweise an Schulen gehe. Die Gestaltung des auf diese Weise gewonnenen Freiraums liege dann in der Hand der Menschen und der Nachbarschaften vor Ort.

„Mit den Sommerstraßen holen wir das Leben zurück in die Stadt. Wir sorgen nicht nur für mehr Platz für Menschen, sondern stärken auch den Zusammenhalt und das Miteinander in den Quartieren. Und wir leisten überdies einen Beitrag gegen Einsamkeit und für ein besseres Stadtklima durch weniger Verkehr, Lärm und schlechte Luft. Ich persönlich könnte mir gut vorstellen, dass beispielsweise die Hasestraße zur Sommerstraße wird und dann komme ich gerne auf ein Kaltgetränk vorbei“, erklärt Niermann.

Für die einen wäre das sicher der nächste Untergang Osnabrücks – wie schon so oft angekündigt (aber nie eingetreten). Für die andere wäre das wohl einfach ein entspannter Sommer.

Fotos: dd

5 Antworten auf „Perspektiven statt Parkplätze“

Ja, liebe BOB, Platz ist ein knappes und kostbares Gut und sollte auf keinen Fall besonders in der Innenstadt für Parkplätze verschwendet werden! Wer unbedingt mit dem Auto in die Innenstadt meint fahren zu müssen, der darf gern in ein Parkhaus fahren.
Ich plädiere dafür alle ebenerdigen Parkplätze innerhalb des Wallrings zu streichen. Der Platz lässt sich für Aussengastronomie und Grünanlagen etc. viel besser nutzen.

„…die üblichen Verdächtigen aus den „sozialen Medien“ ein, die nun wirklich, also echt, nie wieder nach Osnabrück kommen und ihr Bier nun online trinken werden.“

YMMD

Bürgerschaftliche Freizeitplätze für mehr Zusammenhalt und Nachbarschft sind was gänzlich anders als die an Kommerz ausgerichtete ‚Mediterranisierung‘ unserer Städte und Quartiere, die zwar ein wenig Renditen für die Gastronomen und Gastronominnen bringen, aber zugleich oft eine quälende Lärmbelastung für die AnwohnerInnen darstellen und den Gratis-Verweilraum – nicht anders als das absurde Kfz-Parken – verknappen.
Besser als die verstärkte Kommerzialisierung der städtischen Räume sind Konzepte von Parklets (sofern sie nicht nur singulär errichtet werden) von massenweisen Bürgerbänken (alternde Gesellschaft), Stpielgelegenheiten für Kinder (dazu reicht ja oft schon die kostenneutrale Entfernung des MIV), Grünflächen möglichst mit Wasserflächen/Wasserspielen, etc.
Von der Mittelschicht dominierten bzw. akademischen Mittelschicht dominierten ‚Fahrradbubble‘ wird ja gern mal übersehen, dass das Prinzip der unternehmerischen Stadt mit dem Dogma „Sitzen/Kommunikation nur gegen Geld“ große Teile unserer Gesellschaft ausschliesst.
Wir brauchen inklusive Städte, nicht exklusive Mediterranisierung mit nachfolgend steigenden Mieten.

Sehr geehrter Herr Krückmann,

im Hinblick auf die Mediteranisierung der urbanen Morphologie sollte man allerdings beachten, dass die Gastronominnen den Gratis-Verweilraum mehr wertschätzen als die oft männliche Parkwächterschaft, welch außerstande ist, die massenweisen Bürgerbänke der alternden Gesellschaft im Hinblick auf Spielgelegenheiten für Kinder und deren unmittelbaren Nachkommen nachhaltig im Auge zu behalten.
Aus der Sicht FDP-naher Wasserspiele macht es natürlich keinen Sinn, die von der akademischen Mittelschicht dominierten Fahrradbubble inklusiv wenn nicht sogar exklusiv platzen zu lassen. Dabei ist quälende Lärmbelastung, die bei der Kommerzialisierung der städtischen Räume generiert wird, ein diametral verschobener Verweilraum, der große Teile unserer Gesellschaft ausschließt. Beachtet man dabei die absurde Verknappung des Kfz-Parkens, wird schnell klar, dass die verstärkte Komerzialisierung des städtischen Raums durch massenweise Bürgerbänke einer mit zunehmender Beschleunigung alternden Gesellschaft eine kostenneutrale Entfernung des MIV zumindest behindert, wenn nicht gar beschleunigt.
Sollte uns das nicht zu denken geben? Unter Beachtung des festgefahrenen Sitzen/Kommunismus-Dogmas kann das zu unüberwindbaren Problemen in der kausalen Kette führen, besonders wenn dass Resthirn des notorischen Verfassers von Worthülsenkonglomeraten jegliche Funktion aufgekündigt zu haben scheint und immer noch nicht realisiert, dass diese Art von sinnentleerter Datengenerierung nichts anderes ist als Energieverschwendung und somit vollkommen unnütze und redundante CO_2-Erzeugung ist.

Mit hochachtungsvollen Grüßen
Arthemis Thomasius Ziegenbart Ebenholz

Mediterranes Ambiente fehlt seit den Zeiten von Varus, Arminius sei Dank.
Wie gut haben es doch die links des Rheins Lebenden, ihnen wurde schon vor 2tausend Jahren die mediteranisierung zuteil.
Eine qualitative Aufwertung der Altstadt und anderer Quartiere stünde der Stadt gut zu Gesicht. Die Stadt lebens – bzw wieder bewohnbar zu machen, das sollte das Ziel sein.

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