Im Januar 2020 hat der Bundestag die Bundesregierung aufgefordert, flächendeckendes Tempo 30 innerorts in Modellversuchen zu testen. In einem Antrag „Sicherer Radverkehr für Vision Zero im Straßenverkehr“, den die Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD eingebracht hatten, wird gefordert „in Modellprojekten zu untersuchen, wie es sich auf den Straßenverkehr in Kommunen auswirkt, wenn ein generelles Tempolimit von 30 km/h angeordnet und nur auf Hauptverkehrsstraßen Tempo 50 zugelassen wird“.

Das ist nun über ein Jahr her und die ersten Städte haben Interesse an dem Modellprojekt bekundet. Freiburg, Coburg und Konstanz haben sich direkt beim Verkehrsministerium gemeldet, Darmstadt über das hessische Verkehrsministerium und Bonn bekundet auch Interesse. Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn: „Wir reden alle über nachhaltige Mobilität und mehr Verkehrssicherheit. Von dem Modellversuch würden wir alle profitieren. Autofahrer hätten Klarheit und der Verkehr würde besser fließen. Fahrradfahrer und Fußgänger wären besser integriert und verkehrstechnisch geschützt. Und es wäre ein wichtiger Beitrag für eine nachhaltige Verkehrswende, für die Sicherheit und die Lebensqualität.“

Von dem Modellversuch würden wir alle profitieren.

Passiert ist seither allerdings nichts. In der Antwort auf eine Schriftliche Frage des verkehrspolitischen Sprechers der Grünen-Bundestagsfraktion, Stephan Gelbhaar, behauptet das Ministerium jetzt, dass es gar nicht zuständig sei. „Die Durchführung der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) und damit auch die Anordnung von Geschwindigkeitsbeschränkungen fallen nach der im Grundgesetz verankerten Kompetenzverteilung in die Zuständigkeit der Landesbehörden. Der Bund hat folglich im konkreten Einzelfall weder fachaufsichtsrechtliche Eingriffs- noch Weisungsrechte gegenüber den Ländern. Daher kann der Bund den Straßenverkehrsbehörden der Länder im Bereich der Durchführung der StVO auch keine rechtsverbindlichen Bescheide erteilen“, heißt es in der Antwort.




Gelbhaar zeigt sich irritiert, habe Scheuers Ministerium doch durch seine nachgeordnete Behörde, der Bundesanstalt für Straßenwesen, etwa zum Grünpfeil ebensolche Modellversuche durchgeführt. „Scheuer setzt nicht einmal mehr einen Beschluss des Bundestags zum Antrag seiner eigenen Fraktion um. Modellversuche zu Tempo 30 innerorts sind dabei schon die Minimalvariante. Temporeduzierungen sind die wirksamste und schnellste Maßnahme für mehr Verkehrssicherheit, weniger verletzte und getötete Menschen in Städten. Profitieren würden vor allem Kinder und ältere Menschen, die zu Fuß und oder mit dem Rad unterwegs sind. Tempo 30 muss innerorts zum Regelfall werden, Tempo 50 bleibt als mögliche Ausnahme auf geeigneten Straßen“, so Gelbhaar.

Scheuer setzt nicht einmal mehr einen Beschluss des Bundestags zum Antrag seiner eigenen Fraktion um.

Scheuers Verweigerungshaltung zeige einmal mehr, wie absolut er den Geist der autogerechten Stadt verteidige, kritisiert Gelbhaar. „Ohne Not werden so Menschenleben geopfert. Das ist verantwortungslos. Verwunderlich ist es aber nicht, verhandelt Scheuer zeitgleich an anderer Stelle doch sogar mildere Strafen für Raser.“

Und so müssen Freiburg, Coburg, Konstanz und andere interessierte Städte weiter warten, bis ihnen Verkehrssicherheit ermöglicht wird.