Angesichts der starken Nachfrage nach Betreuungsplätzen will die Stadt Osnabrück im Stadtteil Sonnenhügel eine neue Kita bauen. Die Anwohner sorgen sich nun wegen der Zunahme des Autoverkehrs, den man bereits von Schulen kennt und der über eine Wohnstraße abgewickelt werden soll. Die Ratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen greift diese Kritik auf und schlägt vor, an diesem Standort „Deutschlands erste autofreie Kita“ zu planen. Denn wie bei allen Schulen und Kitas drohe auch hier das Elterntaxi-Problem.
Auf Anfrage erklärt Michael Kopatz, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, warum die neue Kita autofrei werden soll, wie sein Vorschlag im Ausschuss ankommt und welche Chancen er Deutschlands erster autofreien Kita in Osnabrück einräumt.
Warum braucht Osnabrück eine autofreie Kita?
„Wie bei allen Schulen und Kitas droht auch hier das Eltern-Taxi-Problem. Die Sorgen der Anwohner*innen sind daher völlig berechtigt. Auch für die Kita-Kinder selber sind Eltern-Taxis eine ernsthafte Bedrohung ihrer Verkehrssicherheit. Es ist geradezu fatal, wenn wir immer wieder neue Strukturen schaffen, die sich auf Autoroutinen ausrichten. Wie sollen wir so einen Wandel der Mobilitätsroutinen auf den Weg bringen, wenn wir es dem Auto immer wieder leicht machen?“
Was sagen die anderen Fraktionen zu dem Vorschlag?
„Die Reaktionen sind bemerkenswert: »Ach Michael, das ist ja eine schöne Idee, aber die Leute sind noch nicht so weit. Die Menschen fahren nun mal mit dem Auto.« Oder: »Ich habe Verständnis dafür, dass Mütter und Väter ihr Kind mit dem Auto bringen, denn das geschehe ja in der Regel auf der Fahrt zum Arbeitsplatz. Ein autofreier Kindergarten lasse sich vielleicht an privilegierter Stelle schaffen«.
So geht mir das immer wieder in der realen Politik. Es ist Konsens im Rat, dass alle für den Klimaschutz sind und weniger Autos in der Stadt wollen. Aber wenn es konkret wird, gibt es viele Ausnahmen und Sonderfälle. Wie oft mir schon gesagt wurde »Michael, im Grundsatz hast Du ja recht, aber….« Das kann einen manchmal schon runterziehen.
Wie stehen also die Chancen um die autofreie Kita in Osnabrück?
„Über drei Viertel der Osnabrücker*innen wünschen sich weniger Autos in der Stadt. Allein, es möchten nur wenige den Anfang machen. Das Auto ist Routine. Eben mal auf dem Weg zur Arbeit an der Kita vorbei oder weil es regnet. Wenn die bequemste Möglichkeit das Auto ist, wird es auch genutzt, egal ob vor der Kita ein Verkehrschaos entsteht oder nicht. Da denkt sich denn jeder: »Sollen doch die anderen verzichten! Bei mir geht es (gerade) nicht anders«. Das denkt sich jeder und dann werden auch in der engen Wohnstraße die Autos in Schlange warten.
Die Stadt muss hier durch die Strukturen ein klares Signal setzen: Taxi-Mama ist nicht willkommen. Statt Parkplätze benötigen wir sichere Radwege, gute Abstellmöglichkeiten für Kinderräder und vor allem Fahrradanhänger. Das ist an vielen Kitas ein Problem. Anhänger verbleiben oft an der Kita und müssen gut, sicher und am besten überdacht abgestellt werden können. Elf Fahrradstellplätze, wie in der bisherigen Planung erwähnt, sind nicht ausreichend.
Unser Vorschlag orientiert sich am Konzept der lebenswerten Stadt. Da die Strukturen (nicht nur) in Osnabrück aber sehr eingefahren sind, müssen wir noch viel Überzeugungsarbeit leisten. Ich denke aber, dass es irgendwann wie damals bei den Fußgängerzonen sein wird. Niemand wird sich die autofreundliche Stadt zurückwünschen, wenn erstmal alle – im wahrsten Sinne des Wortes – erlebt und erfahren haben, wie angenehm eine autoarme Stadt ist.“
3 Antworten auf „Bereit für Deutschlands erste autofreie Kita?“
Gute Sache! Autofreie Kitas gibt es aber schon ne Weile, z. B. die im Hamburger Stadtpark.
Wird also nix mit dem ersten Platz.
Dann parken die Eltern halt die Nachbarstraßen zu … Und die Stadt feiert sich dann wie beim Protected Bike Lane der nur so heißt und keiner ist.
Ich bin da sehr gespalten. Bis letzte Woche habe ich es genossen, meine Tochter dank Homeoffice mit dem Fahrrad zum Kindergarten zu bringen und abzuholen (jetzt ist Urlaubszeit). Als ich noch täglich im Büro war, musste ich mich entscheiden, erst nach Beginn der Kernzeit und dafür mit dem Rad anzukommen (1h Fahrzeit,20 von Parkplatz zur Dusche und dann ins Büro, unterwegs noch den Anhänger bei den Großeltern unterstellen), oder eben das Kind mit dem Auto zu fahren. Man kann sagen: selbst schuld, warum wohnst du nicht neben der Fabrik… Wenn die Homeoffice-Zeiten wieder beschränkt werden, muss ich wohl auch wieder mit dem Auto beim Kindergarten vorbei. Schade.