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Chaos vor Schulen

Die Verkehrssituation vor Schulen wird kritischer, weil so genannte „Helikopter-Eltern“ ihren Kindern den Schulweg nicht mehr selber zutrauen. Die ersten Schulen haben bereits Bannmeilen für diese „Eltern-Taxis“ eingerichtet und sogar die Verkehrsministerkonferenz hat schon über das Thema diskutiert. Entwicklungspsychologen warnen vor Unselbständigkeit, wenn sich Kinder nicht ohne Hilfe im Verkehr bewegen. Und Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) spricht sich für ein generelles Halteverbot vor Schulen und Kindergärten aus – das zur Not mit baulichen Maßnahmen durchgesetzt werden müsse. Das Thema nimmt langsam an Fahrt auf. (hier, hier und hier zum Beispiel)

Vor diesem Hintergrund und der Ende September durchgeführten Aktionstage „Zu Fuß zur Schule“ habe ich bei Osnabrücker Gymnasien und einer Gesamtschule mal nachgefragt, wie die Situation hier ist. Obwohl befreundete LehrerInnen von mir der Meinung sind, dass Kinder der dritten Klasse bereits mit dem Fahrrad zur Schule fahren könnten, wenn man das mit ihnen geübt hat, habe ich mich bei der Umfrage bewusst an die fünften Klassen gewendet, weil das der erste Jahrgang ist, der die allgemeine Fahrradprüfung der vierten Klasse hinter sich hat und somit theoretisch nicht mehr auf das Eltern-Taxi angewiesen ist.

Eigentlich müsste man bei der Befragung noch zwischen Landkreisschülern und Schülern aus der Stadt unterscheiden, da die Entfernungsfrage natürlich ein mitentscheidendes Kriterium ist. Damit alle Schulen bereit sind, bei der Umfrage mitzumachen, habe ich sie aber bewusst einfach gehalten. Und für die Situation vor der Schule ist es dann ja auch egal, woher die Autos kommen.

Schulweg zu Osnabrücker Gymnasien: 8 Prozent zu Fuß, 19 Prozent mit dem Fahrrad, 64 Prozent mit dem Bus, ein Prozent mit der Bahn und 8 Prozent mit dem Auto.

Das Ergebnis: im Durchschnitt kommen acht Prozent der Schüler mit dem Auto zur Schule. Das hört sich erst mal nicht viel an. Allerdings gibt es auch Unterschiede. So sind es beim Graf-Stauffenberg-Gymnasium nur 3 Prozent, am Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium dafür 12 und an der Gesamtschule Schinkel sogar 14 Prozent. Und während ich die Umfrage durchgeführt habe, hatten wir erstaunlich gutes Wetter für Oktober. Einige Lehrer haben rückgemeldet, dass bei „schlechtem Wetter“ noch mal mehr Schüler mit dem Auto kommen. Und aus dem Ratsgymnasium heißt es, dass das Verkehrsmittel sehr wetterabhängig sei. Bei schlechtem Wetter – also alles außer Sonne und 24 Grad, auch darüber sei schon wieder nicht gut – würden einige Kinder gebracht. „Einige“ wurde auf dem Fragebogen unterstrichen und mit zwei Ausrufezeichen versehen. Ich solle die Umfrage im Januar noch mal wiederholen und gerne mal gegen 13 Uhr vorbeikommen und ein Foto machen.

Habe ich natürlich gemacht. So sieht es an einem „guten Tag“ aus:

Noch ein "guter Tag" am Ratsgymnasium. Trotzdem alle im absoluten Halteverbot und vor der Feuerwehreinfahrt...
Noch ein „guter Tag“ am Ratsgymnasium. Trotzdem alle im absoluten Halteverbot und vor der Feuerwehreinfahrt…

So sieht es an den Schulen im Detail aus (zu Fuß, Fahrrad, Bus, Bahn, Auto – absolute Zahlen):

  • Angelaschule: 2 – 25 – 60 – 1 – 8
  • Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium: 4 – 25 – 46 – 0 – 10
  • Gesamtschule Schinkel: 19 – 12 – 151 – 0 – 29
  • Graf-Stauffenberg-Gymnasium: 33 – 13 – 56 – 0 – 3
  • Gymnasium Carolinum: 1 – 21 – 113 – 4-  14
  • Ratsgymnasium: 7 – 22 – 67 – 0 – 5
  • Ursulaschule: 2 – 35 – 91 – 2 – 8
  • Gymasium in der Wüste: wollte nicht teilnehmen

Wie gesagt, das sind zunächst keine großen Zahlen. Wenn aber wie im Fall der Gesamtschule Schinkel morgens zu Schulbeginn allein 29 Autos der fünften Klassen vor der Schule vorfahren und man dann noch die Autos der Klassenstufen 6 bis 13 (und die Busse und die Lehrer) dazu zählt, dann hat man morgens zur ersten Stunde leicht über 300 PKW vor der Schule und einem dürfte klar werden, warum Schulleiter ein stetig wachsendes Verkehrsproblem vor ihren Einrichtungen beklagen.

Hängt vor dem Sekretariat des EMA...
Hängt vor dem Sekretariat des EMA…

Im Fall des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums (EMA) wiegt es doppelt schwer, da diese Schule Teil eines Vier-Schulen-Komplexes ist. Gleich nebenan befindet sich eine Schule für körperlich behinderte Kinder, die verständlicherweise von Fahrdiensten gebracht werden. Das entwickelt sich aber jeden Morgen zum Problem, weil diese Fahrdienste von so vielen Eltern-Taxis blockiert werden, dass sie nicht mehr zum Eingang vorfahren und die zum Teil auf Rollstühle angewiesenen Kinder absetzen können.

An diesem Schulkomplex „patrouilliert“ mittlerweile sogar regelmäßig ein Mitarbeiter der Stadtwerke, der per Funkgerät mit den Schulbussen in Kontakt steht, Eltern darüber aufklärt, dass sie nicht in die Bushaltestelle einfahren dürfen. Er versucht überhaupt erst mal den Regelbetrieb herzustellen, damit es nicht zu Verspätungen des Busverkehrs kommt. Ziemlich oft vergeblich, wie ich selber sehen konnte. Da schlängeln sich Eltern-Taxis an Bussen vorbei und kommen Kindern auf ihrem Weg zur Schule in die Quere. Es sei jeden Morgen dasselbe und die Eltern sind sich keiner Schuld bewusst. Es kommen die üblichen Ausreden wie „Wusste ich nicht“ oder „Nur ganz kurz“. Ein „Durchfahrt verboten“-Schild steht dort natürlich.

Ausnahmezustand vor Schulen: die Stadtwerke müssen einen Mitarbeiter schicken, der den Verkehr regelt…

Aufklärung als Fließbandarbeit für den Mitarbeiter der Stadtwerke...
Aufklärung als Fließbandarbeit für den Mitarbeiter der Stadtwerke…

Höhepunkt bei meinem kurzen Besuch: ein Vater hat seine Tochter auf den Schulhof gebracht und ihr noch die Tür aufgemacht. Das konnte ich bei den Erzählungen des Sekretariats vor ein einigen Wochen gar nicht glauben. Aber es gibt tatsächlich Eltern, die ihre Kinder (fünfte Klasse) bis vor die Tür des EMA fahren (obwohl dort die Durchfahrt verboten ist) und dann noch den Rucksack in den Klassenraum tragen! Andere warten so lange, bis der Sohn aus dem Klassenzimmer winkt und signalisiert, dass er gut angekommen ist…

Im Vergleich dazu mal mein Schulweg in der fünften Klasse, damals noch Orientierungsstufe: mit dem Fahrrad zum Bahnhof, mit dem Zug zwei Stationen weiter, zur Fuß vom Bahnhof zu Schule. Alles alleine, zunächst an älteren Schülern orientiert.

Das Kind bis auf den Schulhof gefahren...
Das Kind bis auf den Schulhof gefahren…

Helikopter-Eltern fahren bis vor die Tür und tragen den Rucksack dann noch ins Klassenzimmer…

Und auch Schüler selbst beklagen sich bereits. Die 19 Radfahrer aus einer Klasse der Angelaschule klagen „über Bus-, LKW- und Fußgängerverhalten“. Verständlich, denn morgens vor der Schule kann und will keiner zu spät sein und sieht seine eigenen Bedürfnisse erst mal als die wichtigsten an. Das kann in so einem Verkehrs-Wirrwarr dann aber schnell gefährlich werden.

Die Begründung der Helikopter-Eltern, die zwischen Schülern, Bussen und anderen Autos den Weg zum Eingang suchen, ist dabei oft verrückt. Viele von ihnen bringen ihre Kinder mit dem Auto zur Schule, damit sie sicher ans Ziel kommen. Sie alleine fahren oder gehen zu lassen, erscheint ihnen unsicher. Dabei erhöhen gerade diese Eltern die Gefahr für die Kinder, die doch alleine zur Schule fahren/gehen. Umso dichter sie der Schule kommen, umso dichter wird der Eltern-Taxi-Verkehr, durch den sie sich meist auf den letzten 100 Metern „kämpfen“ müssen. Die vermeintlich weniger gefährliche Alternative der einen Schüler wird also zur Gefahr der anderen, der eigenständigen Kinder.

Die unfallträchtigste Art der Fortbewegung für Kinder ist die Mitfahrt im Auto.

Und dabei geht diese Rechnung vorne und hinten nicht auf. Denn wie der ADAC – ja der Automobilclub – gerade bekanntgegeben hat, ist das Auto das gefährlichste Verkehrsmittel für Kinder: „Die unfallträchtigste Art der Fortbewegung für Kinder ist die Mitfahrt im Auto.“ Zu Fuß oder mit dem Fahrrad sind Kinder auf dem Schulweg hingegen sicherer unterwegs als bei anderen Gelegenheiten, wenn sie am Verkehr teilnehmen. Das zeigt die Frankfurter Unfallstatistik für 2013, wie Velophil schon im September 2014 berichtete.

Darüber hinaus sei es aus Sicht von Pädagogen wichtig, dass Kinder den Schulweg alleine meistern. „Für viele Jungen und Mädchen ist es der erste selbstständig zurückgelegte Weg. Sie schließen Freundschaften zu anderen Kindern, bekommen ein Raum-Zeit-Gefühl und kommen auch mal zu spät, wenn sie zu sehr trödeln. Außerdem bewegen sie sich – zu Fuß oder mit dem Rad. Was Eltern oft vergessen: die Erfahrung, die sie ihrem Kind vorenthalten, wenn sie sie zur Schule fahren. Zum einen lernt es jeden Tag, Gefahren einzuschätzen. Gerade bei Grundschülern kann man immer wieder beobachten, wie gewissenhaft sie x-mal in jede Richtung schauen, bevor sie die Straße überqueren. Sie wollen alles richtig machen und lassen lieber das Auto am Zebrastreifen vor, ehe sie sich auf die Fahrbahn wagen“, so Andrea Reidl bei Velophil.

Gut gemeint ist aber nicht immer gut gemacht. Tatsächlich bewirken die „Elterntaxis“ allzu oft das Gegenteil: Es wird gedankenverloren geparkt, zu schnell gefahren oder die Kinder werden nicht mit den vorgeschriebenen Rückhalteeinrichtungen gesichert. So entstehen Gefahren im Verkehr, nicht zuletzt auch für das eigene Kind.
via schulweg-safari.de

Eigentlich möchte ich diesen Artikel nicht unter diesem Eindruck beenden – obwohl so ziemlich jeder Gesprächspartner relativ ohnmächtig wirkte, ob der Situationen. Vor allem hat der überwiegende Teil den Eindruck, dass die Schüler, die nah an der Schule wohnen, am häufigsten mit dem Auto gebracht werden – obwohl sie Busfahrkarten haben.

Aber es gibt ja auch erfreuliche Zahlen: zwei Drittel der Schüler kommen mit dem Bus, sind also umweltfreundlich, sicher und Verkehr minimierend unterwegs. Und ein Fünftel fährt bereits mit dem Fahrrad. Dieser Anteil ist aufgrund der Entfernung für viele Landkreisschüler zwar nicht beliebig steigerbar. Aber wenn, wie am EMA, den 12 Prozent Eltern-Taxis 29 Prozent radfahrende Kinder gegenüberstehen, dann hat das bei dem einen oder anderen Elternteil vielleicht auch mal Signalwirkung. Der Fahrradparkplatz ist auf jeden Fall schon gut gefüllt und wird bei steigender Nachfrage sicher dankend erweitert.

Dass auch alles recht ruhig sein kann, habe ich übrigens heute am Graf-Stauffenberg-Gymnasium (GSG) gesehen. Die 3 Prozent aus der Umfrage sah ich hier bestätigt. Allerdings: als ich dort war, ist ein ausparkendes Auto rückwärts in ein vorbeifahrenes gefahren. Nur ein kleiner Blechschaden. Das hätte deutlich schlimmer ausgehen können, wenn es ein Kind auf einem Fahrrad gewesen wäre. Und jetzt bitte nicht die falschen Schlüsse daraus ziehen. Wären beide mit dem Fahrrad unterwegs gewesen, wäre gar nichts passiert.

Was können Eltern also tun? Vielleicht mal eine oder zwei Wochen mit ihren Kleinen zusammen mit dem Fahrrad oder zu Fuß zur Schule fahren, um den Weg kennenzulernen. Danach kann man die Kinder alleine losschicken und mit etwas Abstand und unentdeckt folgen. Das beruhigt das eigene Gewissen. Und dann lässt man das Auto dauerhaft stehen und freut sich, dass die Kinder wach, aufmerksam und fit zur Schule kommen.

Und last but noch least möchte ich mich natürlich bei den Schulleitern, Lehrern und Sekretariaten bedanken, die sich kurz Zeit genommen, die Zahlen in ihren Klassen abgefragt und mir rückgemeldet haben.

 

Anmerkungen

Ich hätte gerne noch einen Vergleich zu kleineren Städten gezogen. Der Aufwand wäre an dieser Stelle aber zu groß gewesen. Als kleiner aber interessanter erster Einblick dient da die Klassenstufe 5 der Realschule Damme. Auch hier vielen Dank für die Zusammenarbeit! 50 Prozent der Schüler kommen hier mit dem Fahrrad (57 Kinder) zur Schule, 44 Prozent mit dem Bus (51 Kinder), fünf Prozent mit Auto (sechs Kinder) und eine Schülerin zu Fuß.

 

Interessant zu dem Thema ist auch ein Podcast vom SWR: Helikopter-Eltern – Wenn Kinder zu sehr behütet werden. Zum Hören hier und zum Lesen hier.

Sie haben Ihren Sohn in die Schule gebracht, warum das? – Ich bringe meinen Sohnimmer in die Schule in der Früh. Weil es auch ein bisschen das Sicherheitsproblem ist hier an der Schule, gerade mit dem Fahrradweg usw. da bin ich dann eher drauf bedacht, dass er halt gut in die Schule kommt. – Wohnen Sie hier gleich in der Nähe? – Ja, so mit dem Auto eine Minute, hier so gleich um die Ecke.

Auch bei Twitter habe ich mal eine Frage an Lehrerinnen und Lehrer gerichtet, wie es an deren Schulen aussieht. Das ist natürlich nicht repräsentativ, aber einen ungefähren Eindruck bekommt man schon, wenn 70 Prozent angeben, dass bei ihnen ander Schule Chaos herrscht.




Eltern-Taxis Schild MünsterUnd aus Münster erreicht mich dieses Foto. Auch hier ist das Problem bekannt. Die Mittel dagegen noch eher bescheiden. Jan berichtet, dass von 7 bis 14 Uhr absolutes Halteverbot gilt. „Auf der Schulseite sind Fahrradständer, also keine Möglichkeit zu parken. Damit die Schüler eine weite Fläche haben, um die Straße zu überqueren, ohne sich zwischen parkenden Autos hindurch schieben zu müssen. Ein bis zwei Mal die woche ist das Ordnungsamt da und kassiert ab. Denn natürlich halten alle Elterntaxis genau da, und dann regen sie sich auch noch auf. Dabei war die Dame vom Ordnungsamt inhaltlich voll auf der Höhe und hat denen genau erklärt, warum das alles so geregelt ist und auch sein muss. Keinerlei Verständnis seitens der Autofahrer…“

25 Antworten auf „Chaos vor Schulen“

Hab Dank für die tolle Auswertung. oh ja, wenn ich an meine 5. Klasse zurückdenke – 10 Minuten mit dem Fahrrad zum Bahnhof, dann halbe Stunde Bahn, dann halbe Stunde halb durch einen dunklen Wald zum Gymnasium. Nicht nur im Winter war es morgens gegen 6:15, wenn ich das Haus verließ, oft recht dunkel. Ist ja kaum noch vorstellbar, wenn man das liest.

Ich denke es wäre allen geholfen wenn wir schauen dass nicht US-Zustände hier eintreffen.
Ich hoffe aber auch, dass es in kleineren Ortschaften besser ist wie in einer Stadt. Ich komme aus einer 8000 Einwohner Gemeinde. Damals gab es glaub ich die Regel, dass man ab der 3. Klasse ab einer Distanz von 1 km mit dem Fahrrad kommen durfte. (Vorher nicht, da es wohl zu wenig Stellplätze gab). Aber ich glaube nicht, dass da irgend jemand gefahren wurde. Entweder zu Fuss oder mit dem Rad. Es gibt aber natürlich auch nicht diese „zumindest gefühlte“ Gefahrenlage wie in einer Stadt.

Vorweg es passiert auch viel gutes, jeden Tag um kurz nach 1 rollen mehrere Critical Mass ähnliches Züge durch die Stadt ;) aber leider ist das nur ein Teil….. jetzt nimmt man noch den „hohen emotionalen Stressfaktor“ der Elterntaxifahrer dazu… das ist ähnlich als würde man in der Wildnis einem Tiergelege zu nahe kommen (entschuldig den etwas bösen Vergleich). Aber da wird dann jede Rücksicht abgeschaltet. Diskutieren ist dann nicht mehr drin-Ellbogen (Kotflügel/Tür) raus und der stärkere gewinnt. Wenn sie wenigstens Fahrgemeinschaften bilden würden…. aber in der Praxis: ein dicker SUV/VAN und ein Kind….

Der Totalalbtraum ist übrigens mit dem Rad durch die Innenstadt nach dem Steckenpferdreiten!!!!!!!

Rats ist übrigens ein interessantes Beispiel. Der Verkehr war schon immer ein Problem. Verzweifelt hat sich die Schulleitung gegen eine Parkhauszufahrt gewehr…. Ergebnis ist bekannt.
Schlimm auch die Situation an der Möserstraße. Auch da kollidiert Parkhaus mit Schulweg (nur ist es dort vielfach mehr frequentiert).

Die Zahlen lassen sich wunderbar für eine Kampagne verwenden: Eine rückichtslose Minderheit von 8% gefährdet die vernünftige Mehrheit von 92%. Damit hat man dann auch gleich die Ausrede der Elterntaxis, es ginge ja gar nicht anders, widerlegt.

Für solche und ähnliche Fälle (z.B. massenhaft missachtete Durchfahrtverbote für LKW), wo Regeln systematisch missachtet werden und Dritte belästigt und gefährdet werden, ohne dass die Ordnungsämter nachkommen, bräuchten wir die Möglichkeit, an Extrempunkten Ordungswidrigkeiten per stationärer Kamera gerichtsfest zu erfassen. Es ist heute problemlos möglich, die Bilder schon vor der Speicherung automatisch auszuwerten, so dass Unbeteiligte gar nicht gespeichert werden.

Haha, ja, nach dem Steckenpferdreiten war krass! Da war ich echt froh, den Sohn mit dem Long John abgeholt zu haben!

Ich denke übrigens, dass die Kindergärten die Eltern zum Teil verderben und später kriegen sie’s nicht mehr raus. Die Kleinen muß man ja bringen; drei bis vier Jahre lang! Und dann ist die Grundschule oft direkt daneben, den Weg macht man nun ja schon so lange, da macht man’s weiter so. Da man ab sieben Jahren die Kinder nicht mehr mit dem Hänger oder Fahrradsitz transportieren darf und sie dann ja auch schon recht schwer sind, nimmt man eben das Auto.

Und selber mit dem Rad fahren lassen?
Manche vertreten auch die Ansicht, dass die Kinder erst nach bestandener Fahrradprüfung alleine fahren dürfen, vorher seien sie nicht versichert auf dem Schulweg. Da bin ich allerdings überfragt.

Das mit der Versicherung müsste ich tatsächlich auch kurz nachschauen. Aber genau deswegen habe ich mich auch an die fünften Klassen gewandt – da haben sie die Prüfung idR alles hinter sich.

Zur Versicherungsfrage (zitiert vom ADFC-Rechtsreferenten Roland Huhn): http://www.adfc.de/files/2/110/122/Recht_Radfahrerverbot.pdf
Alle Schüler sind während schulischer Veranstaltungen sowie auf
dem Schulweg gesetzlich gegen Unfälle versichert. Der Versicherungsschutz
besteht auch dann, wenn sie entgegen einer Empfehlung
der Schule mit dem Rad zur Schule fahren. Diese Auffassung
wird in der Elternzeitschrift des Bayerischen Kultusministeriums
bestätigt (Heft 3/05, Seite 19 unter „Rat und Auskunft“). Der Schulweg
mit dem Fahrrad steht danach unabhängig vom Alter unter
dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Über ein Radfahrverbot oder auch über eine „dringende Empfehlung“,
Schüler vor der Fahrradprüfung nicht mit dem Rad zur Schule
fahren zu lassen, können die Eltern sich daher ohne nachteilige
rechtliche Folgen hinwegsetzen.

Ich komme aus einen 1500 Einwohner Dorf. Wo eigentlich alle direkt aus dem Ort kommenden Kinder. Maximal 1,5 km Fußweg haben. zu meiner Zeit, 80iger Jahre, stand da vielleicht mal ein Auto. Jetzt sind da bestimmt, zwischen 7:30 und 8 Uhr,
bis zu Fünfzig Autos. Und da ich viele von den Eltern kenne. Kleines Kaff halt.
Bringen bestimmt 25 Eltern, ihre Kinder direkt aus dem Dorf, zur Schule. Also auf dem Dorf ist es definitiv nicht besser.
Ich finde eher schlimmer. Weil die Kinder, mit der Begründung, „Der Weg ist ja so Weit“, auch Nachmittags, überall hingefahren werden. Egal ob zu Freunden, Sport oder sonstiges. Wo die meisten Wege locker mit dem Fahrrad gemacht werden könnten.

Das die Situation an den Osnabrücker Schulen unterschiedlich ist, hängt durchaus auch mit der Erreichbarkeit per Auto zu zusammen. Das GSG liegt am Ende einer Sackgasse die an sich schon das „vor-die-Tür-fahren“ sehr unpraktisch macht. Das Ratsgymnasium liegt in einem Wendehammer, hier droht man auch eher festzustecken. Das EMA-Gymnasium wie auch Felix-Nussbaum-Schule und Wittekind-Realschule haben eine „zweispurige“ Einfahrt/Ausfahrt sowie mit Parkplatzwegen und Busspur für Einsatzbusse eine einfachere Möglichkeit des bringens… Dazu gibt es noch einige Lehrkräfte als auch sogar Schüler/innen (z.B. mit Edel-Kompressor-Mercedes von Papi), die direkt auf dem Schulgelände parken – trotz Verbot. Vorgemacht wird es dann auch von einem Mitglied der Elternvertretung mit dem Bulli. Mutter einer häufig zu spät kommenden Schülerin der HS (8. Klasse), die ihre Tochter bis vor die Tür fuhr: „Sonst kommt sie zu spät!“ Und auch eine Apothekerin aus der Nachbarstraße (!) bringt seit der 5. Klasse morgendlich ihren etwas gemütlichen Sohn (mittlerweile 9. Klasse)per Auto zum Gymnasium – immerhin verzichtet sie seit drei Jahren auf das tragen der Schultasche ins Gebäude.

Ich wurde in dem Alter einmal mit dem Auto zur Schule gebracht, das ist jetzt etwa 15 Jahre her. Damals war das eine Ausnahme, heute Regel. Es war mir peinlich, weil die Anwesenheit von Eltern immer ein Sinnbild für Unselbständigkeit war. Ein paar blöde Sprüche kamen auch noch von den Klassenkameraden.
Vielleicht muss man bei den Schülern ansetzen, die können schließlich auch einiges an Druck auf ihre Eltern ausüben.

Wow Daniel, da hast du dir mal wieder richtig Arbeit gemacht! Und dabei auch gleich mal den lesenswertesten Artikel überhaupt zu dieser Thematik hingekriegt, danke dafür und den allergrößten Respekt! Hier in Hannover ist das im Altenbeekener Damm so gefährlich geworden, dass Schüler wie Pendler eine sehr lange Strecke auf der stark befahrenen Fahrbahn oder dem Fußweg zurücklegen, weil diese Turboeltern en Masse mit Schwung aus dem fließenden Verkehr und meist ohne zu blinken auf den Radweg hochschießen, um dort dann zu halten und sich dem Dooring hinzugeben… Wenn sie wenigstens auf der Fahrbahn halten würden, wäre dieser Streckenabschnitt nur halb so gefährlich.
Leider hört das ganze ja auch nicht an dieser Stelle auf. Irgendwann sind die mobilitätsverkrüppelten Kinder ebenfalls erwachsen und werden zu Erziehenden…

Daniel, auch von mir ein dickes LOB für den Artikel, ist sehr gut recherchiert und geschrieben. Das mit dem Bringen hat offensichtlich in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Früher, also vor 10 bis 15 Jahren war es vielleicht nicht die Ausnahme, aber jetzt. Ich konnte es mir letztens mal vor dem Rats anschauen, echt Hammer, da geht ja 7:50h nichts mehr.

Top, der Bericht!
Mein Mann warf gerade ein, damals (Ende 70er, Anfang 80er Jahre) hätte es Häme und „Kloppe“ gegebenen in der Schule, wäre überhaupt ein Schüler von Eltern chauffiert worden :)

Es gibt auch gute Beispiele: Walking Bus an der Astrid-Lindgren Grundschule in Voxtrup. Da gehen viele Kinder aus verschiedenen Wohngebieten in Gruppen zu Fuß, pro Gruppe begleitet von je zwei Erwachsenen (Eltern Opa o. ä.) Natürlich gibt’s auch ein paar SUV-Unverbesserliche, aber grundsätzlich funktioniert es wohl.

wundert mich nicht. Geh mal auf den Westerbergcampus. Das ist eine hässliche Betonpiste mit Hyperparkfunktion. Feuerwehrwege, Halteverbotszonen, Gehwege, (Rest)Grünflächen, die nicht 100% abgesperrt sind, werrrden gnaaadenlos zugeparrrrrkt. Die Blechlavine ist erstickend.
Aber das ist ja nur Ansichtssache, gell?

Toll geschrieben.

Ich habe auch „angeheiratete“ Verwandte, die kürzlich bei weit über 10 Grad Außentemperatur und schönstem Sonnenschein mit dem Auto (parallel zu einer Haustür-zu-Haustür-Straßenbahnstrecke) fuhren, weil sie ernsthaft Angst hatten, dass ihr 12-jähriger sich sonst erkältet.

Da die aber ihr Haus auf 24°C heizen und sich autokonform (zu dünn) kleiden, ist ja auch das ganze Wetterempfinden vollkommen verschoben, das Leben in der kälteren Jahreszeit weitgehend auf Innenräume beschränkt.

Viele Kinder erlernen das Gehen nur noch an Sonntagsspaziergängen. Dass man zu Fuß Relationen zurücklegen kann und nur bei eigenständiger Fortbewegung eine Gegend überhaupt kennenlernen kann, ist vielen nicht mehr geläufig. Und auch Wochenendausflüge sind stark eingeschränkt – man muss ja immer zum Auto zurück, statt wie echte Wanderer flexibel zu sein.

Eine Änderungsmöglichkeit sehe ich da nicht, das gesamte Umfeld gibt ihnen Recht und macht es genauso. Dass ich mit weit über 30 immer noch Radfahre, ist in deren Augen eine nicht ernstzunehmende Spinnerei.

Das ist eine interessante Polarisierung, weil in vielen Städten der Radverkehr steigt und man auch bei Schnee und Eis ambitionierte Radfahrer sieht. Einige Leute geben also die vollkommen übertriebene Selbstschonung wieder auf, während andere sie bis zur Extase ausbauen.

Ich halte Elternverunglimpfung für einen falschen Ansatz.
Park- und Halteverbote vor Schulen sind zwar verkehrssicherheitsmässig sinnvoll, sie lösen jedoch das Problem der Kindermobilitär nicht.

Denn das der Mobilitätsradius der Kinder schneller schmilzt als die Eisscholle im Klimawandel, das liegt nicht oder jedenfalls nur zu einem sehr geringen Teil an den Eltern.

Die Kfz-Dichte, und das vergessen viele, ist im Vergleich zu den Jahren als z.B. ich Kind war, um ein Vielfaches angestiegen. Sie steigt heute noch.
Dies ist der Grund Nr 1 für die immer weiter eingeschränkte eigenständige Kindermobilität. Daran sind nicht die Eltern schuld.

Der Radverkehr wird zunehmend durch Mischverkehr und Streifen auf die Fahrbahn verlagert. Das ist für Kinder im Allgemeinen erst ab 14 jahren leistbar. Damit wird der verbleibende kindliche Aktionsradius weiter eingeschränkt. Auch daran sind nicht die Eltern schuld.
(Siehe dazu PDF Kinder als Radfahrer in der Alterstufe der Sekundarstufe 1, Uni Erlangen/Nürnberg, Bild 1 auf S. 6 und Bild 2 auf Seite 8)
http://www.ifes.uni-erlangen.de/pub/pdf/m_2_2009.pdf

In Kopenhagen radeln 58% der Kinder zur Schule.
http://www.icebike.org/bike-city-copenhagen-this-is-the-ultimate-bicycle-friendly-city/

Das Verbannen der Kinder aus dem Radverkehr ist nicht nur für die Kinder selbst ein Entwicklungs- und Bildungsproblem.
Kindliche Mobilität und kognitive Entwicklung
https://radverkehrhamburg.wordpress.com/2015/07/15/hello-world/

Es wirft die Frage auf, wie nachhaltig der derzeitige Trend zum Fahrbahnradverkehr ist. Denn Radfahren, Spaß an Bewegung, ist wie alles (Mobilitäts-) bzw kulturelle Verhalten zum großen Teil Prägung.

Der Großteil der heutigen Radler ist als Kind bzw als Schüler zum Rad gekommen.

Wer wird in 10, 15, 20 Jahren noch radeln?

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