Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. (ADFC) und der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) e.V. appellieren dringend an Kommunalpolitik und Transportbranche, mehr Sicherheit für Radfahrende zu schaffen. In einem gemeinsamen Positionspapier fordern die beiden führenden Interessensverbände den sicheren Umbau von Kreuzungen, getrennte Grünphasen an Ampeln und die Ausrüstung möglichst aller Lkw mit Abbiegeassistenzsystemen.
ADFC-Bundesgeschäftsführer Burkhard Stork sagt: „Die Art, wie Kreuzungen in Deutschland gestaltet sind, begünstigt schwerste Unfälle. Wenn an der Ampel Lkw und Rad direkt nebeneinander stehen und gleichzeitig Grün bekommen, ist höchste Gefahr im Verzug. Wenn dann die Person auf dem Rad geradeaus fahren will – und der Lkw rechts abbiegt – entsteht eine tödliche Falle, die jährlich 30 bis 40 Menschen das Leben kostet. Kommunen dürfen diese Gefahr nicht weiter ignorieren, sondern müssen gefährliche Knotenpunkte identifizieren und sofort entschärfen!“
Kommunen dürfen diese Gefahr nicht weiter ignorieren, sondern müssen gefährliche Knotenpunkte identifizieren und sofort entschärfen!
BGL-Vorstandssprecher Prof. Dr. Dirk Engelhardt sagt: „ADFC und BGL eint das Anliegen, die angespannte Situation auf den Straßen zu entschärfen und Radfahrende besser vor schrecklichen Kollisionen mit Lastwagen – und damit auch die Lkw-Fahrerinnen und Lkw-Fahrer vor den traumatischen Folgen – zu schützen. Deshalb werben wir für eine sicherheitsoptimierte Radwegeinfrastruktur und fordern nicht nur unsere Mitgliedsunternehmen sondern alle Lkw-Besitzer auf, zeitnah in leistungsfähige Abbiegeassistenzsysteme zu investieren, um die Unfallzahlen dauerhaft zu minimieren.“
In einem heute in Berlin vorgestellten Positionspapier fordern ADFC und BGL:
Kreuzungen sicher umbauen – Verkehrsströme räumlich trennen!
Um schwere Unfälle an Kreuzungen zu verhindern, müssen Lkw und Rad- sowie Fußverkehr räumlich getrennt und gute Sichtbeziehungen hergestellt werden. Die Bundesmittel für den Radverkehr aus dem Klimapaket sollen zur schnellen Entschärfung von Kreuzungen durch Sicherheitselemente, wie aufgepflasterte Schutzinseln und deutlich vorgezogene Haltelinien, genutzt werden.
Grünphasen trennen – Ampelschaltungen entschärfen!
Geradeausfahrender Radverkehr und rechts abbiegende Kfz sollten nicht gleichzeitig Grün haben. Die Lösung sind getrennte Ampelphasen für die unterschiedlichen Verkehrsströme. Kürzere Grünphasen für den Kfz-Verkehr sind zugunsten der Verkehrssicherheit und der Gleichberechtigung der Verkehrsarten in Kauf zu nehmen.
Lkw-Abbiegeassistenten – zum Standard machen!
Der verpflichtende Einbau von Lkw-Abbiegeassistenten muss schnellstmöglich umgesetzt werden. Bis die europaweite Pflicht greift, müssen Kommunen ihre Fuhrparks freiwillig mit Abbiegeassistenten aus- beziehungsweise nachrüsten. Auch an Transportunternehmen geht der Appell, Lkw-Flotten mit Abbiegeassistenten nachzurüsten und die Fördermittel des Bundes aus der „Aktion Abbiegeassistent“ zu nutzen. Hersteller müssen schnellstmöglich Abbiegeassistenten mit Notbremsfunktion marktreif entwickeln.
Sichere Anfahrt zu Baustellen – nur konfliktarme Routen!
Bei großen innerstädtischen Bauvorhaben müssen Kommunen darauf achten, dass die Anfahrtsrouten der Baustellenfahrzeuge möglichst konfliktarm geplant werden. Hauptachsen des Radverkehrs und Baustellenverkehr müssen wo immer möglich voneinander getrennt sein.
Toten Winkel überwinden – Verkehrsteilnehmende sensibilisieren
Theoretisch gibt es seit der Einführung der vorgeschriebenen Zusatzspiegel an Lkw im Jahr 2007 keinen Toten Winkel mehr. In der Praxis kann der Fahrer / die Fahrerin während eines komplexen Abbiegevorgangs nicht alle Spiegel gleichzeitig im Auge behalten. Toter-Winkel-Kampagnen sind daher genauso irreführend wie die Aussage, der Lkw-Fahrer / die Lkw-Fahrerin könne stets alles überblicken. Alle Verkehrsteilnehmenden müssen für die Gefahr sensibilisiert werden. Vor Fahrtantritt müssen Lkw-Fahrer*innen auf freie Sicht und die richtige Spiegeleinstellung achten.
Nur damit ihr mal einen Eindruck von #Osnabrücks wichtigster Ringstraße bekommt. + = pic.twitter.com/oZy0WYSl7t
— Daniel (@SecretCoAuthor) February 16, 2017
Unfallforschung verbessern – Forschungslücke Kreuzungsdesign schließen
ADFC und BGL beklagen eine Forschungslücke zur Bewertung unterschiedlicher Kreuzungs- und Signalisierungsarten. Diese muss geschlossen werden. Auf Basis dieser Forschung müssen neue Design-Standards für sichere Straßen und Kreuzungen entwickelt und schnell in den technischen Regelwerken verankert werden. Schwere Unfälle müssen auch in Hinblick auf die Verbesserung der Infrastruktur systematisch ausgewertet werden.
30-40 Todesfälle pro Jahr – und ungezählte Traumatisierte
Jedes Jahr sterben 30 bis 40 Radfahrende unter den Rädern von abbiegenden Lkw. Die Zahl droht nach Einschätzung von ADFC und BGL zu steigen, denn sowohl städtischer Güterverkehr als auch Radverkehr nehmen weiter zu. Während die „Aktion Abbiegeassistent“ des Bundesverkehrsministeriums im Jahr 2019 durch erhöhte Aufmerksamkeit für das Thema zu einer leichten Verbesserung der Unfallsituation geführt hat, zeigt sich zu Beginn des Jahres 2020 ein deutlich eingetrübtes Bild. Schon sechs Radfahrerinnen und Radfahrer wurden in den ersten Wochen durch abbiegende Lkw getötet. Hauptverursacher ist in über 90 Prozent der Fälle der Lkw-Fahrer beziehungsweise die Lkw-Fahrerin. Als Opfer überdurchschnittlich häufig betroffen sind Frauen, Kinder und Senior*innen auf dem Rad. Auch die Angehörigen und Hinterbliebenen sowie Augenzeugen, Rettungskräfte und Polizist*innen am Unfallort werden durch solche Unfälle oft für Jahrzehnte traumatisiert. Das gilt auch für die betroffenen Lkw-Fahrerinnen und Fahrer. Engelhardt: „Deshalb kann unser gemeinsames Ziel nur ‚Vision Zero‘ – also keine Verkehrstoten und keine Schwerverletzten mehr – sein!“
Pressemitteilung des Allgemeine Deutschen Fahrrad-Clubs e.V.