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Mehrheit will mehr Platz für Fahrrad und Bus. Aber…

Und die nächste Studie, nach der eine Mehrheit der Befragten eine Neuaufteilung des öffentlichen Raums zugunsten von Fahrrad und ÖPNV auch auf Kosten von Parkplätzen und Fahrspuren für den Autoverkehr befürwortet. Gefragt hatte das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), knapp 7.000 Haushalte in ganz Deutschland nahmen teil. Eine Verteuerung des motorisierten Individualverkehrs lehnt eine Mehrheit allerdings ab.

Die wichtigsten Ergebnisse:

  • Rund 69 Prozent der Befragten stimmen einer Ausweisung gesonderter Fahrstreifen für Busse und Bahnen zu, nur 10 Prozent sind dagegen. Den Ausbau von Fahrradwegen auf Kosten von Autoparkplätzen befürworten 50 Prozent, 28 Prozent lehnen diesen Vorschlag ab.
  • Der Ausbau der Infrastruktur für Elektromobilität erhält mit 66 Prozent ebenfalls eine hohe Zustimmungsrate, rund 12 Prozent der Befragten sprechen sich dagegen aus.
  • Drastischere Eingriffe in die Autonutzung werden dagegen kritischer gesehen: Zwar ist rund die Hälfte der Befragten dafür, dass Fahrzeuge, die Schadstoffgrenzwerte überschreiten, ein Fahrverbot erhalten. Für eine höhere Besteuerung von Dieselautos sprechen sich jedoch nur 36 Prozent aus. Ein generelles Verbot von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor ab 2035 befürworten nur 28 Prozent.
  • Höhere Parkkosten in Innenstädten halten nur 21 Prozent der Befragten für wünschenswert, 57 Prozent sind gegen diese Maßnahme. Auch die Vision von autofreien Innenstädten erhält mehr Ablehnung als Zustimmung.
  • Die Zustimmung zu den betrachteten verkehrspolitischen Maßnahmen ist in Westdeutschland durchschnittlich deutlich höher als in Ostdeutschland.

„Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass sich die Menschen in Deutschland grundsätzlich eine andere Verkehrspolitik und eine Förderung alternativer Verkehrsformen wünschen“, sagt RWI-Wissenschaftler Mark Andor, einer der Autoren der Studie. „Für gravierendere Einschränkungen des Autoverkehrs findet sich aber derzeit keine Mehrheit.“ Ko-Autorin Lisa Ruhrort, Wissenschaftlerin am WZB, ergänzt: „Eine Mehrheit ist offenbar überzeugt, dass Fahrrad und ÖPNV zukünftig mehr Platz in den Städten brauchen – auch wenn dafür der Platz für den Autoverkehr verringert werden muss. Dies ist ein Hinweis auf eine gesellschaftliche Veränderung: Das Auto wird nicht mehr als ‚heilige Kuh‘ der Verkehrspolitik behandelt, sondern als ein Verkehrsmittel unter anderen.“

Hier gehts zur Studie „Präferenzen und Einstellungen zu vieldiskutierten verkehrspolitischen Maßnahmen: Ergebnisse einer Erhebung aus dem Jahr 2018“.

2 Antworten auf „Mehrheit will mehr Platz für Fahrrad und Bus. Aber…“

Was Leute laut irgendwelchen Untersuchungen angeblich wollen, und was für ein Geschrei sie dann anstellen, wenn es konkret wird, da gibt es erfahrungsgemäß große Unterschiede. Wenn es heißt: „Den Ausbau von Fahrradwegen auf Kosten von Autoparkplätzen befürworten 50 Prozent“ dann ist das nur ein Teil der Wahrheit. Würde man dort Parkplätze abbauen, wo die regelmäßig parken dann geht schlagartig wieder das Gezeter los. Parkplätze abbauen schön und gut, aber bitte nicht dort, wo es einen selber als Autofahrer trifft, sondern nur dort, wo (falls überhaupt) diese Typen radfahren wollen.
Wenn Autofahrer Maßnahmen befürworten, die sich gegen das Autofahren richten, dann doch immer in der Hoffnung, das infolgedessen andere ihr Auto stehen lassen und sie selbst dafür besser fahren können.

Die Scheinheiligkeit kennt nunmal keine Grenzen.

In Zeiten der Gefahr aufkommender – potentiell grundlegender – Opposition (FFF, ER, Zusammenschlüsse von Umweltverbänden, hartnäckige Demonstrationskultur, Kritik am Wirtschaftsmodell, etc.), und einer immer offensichtlicher werdenden Umwelt- und Klimakrise werden die neoliberalen Think-Tanks mal wieder aktiv. Jüngst das INSM, jetzt RWI.
https://de.wikipedia.org/wiki/RWI_%E2%80%93_Leibniz-Institut_f%C3%BCr_Wirtschaftsforschung#Vernetzung
oder:
https://lobbypedia.de/wiki/Rheinisch-Westf%C3%A4lisches_Institut_f%C3%BCr_Wirtschaftsforschung

Da wird wohl in nächster Zeit noch einiges kommen.
Das Ziel von Framing und systemkonformer Einhegung ist leicht zu erkennen.
Als ‚Push-Massnahmen‘ werden ausschliesslich Massnahmen ins Umfragedesign genommen, die NICHT relevant zur Reduktion des MIV führen.
Effektive und wirksame Massnahmen sollen so ausserhalb des Diskurses gehalten werden.
Die auf dem Spielfeld der ‚oberen 1%‘ zugelassenen Figuren sind allesamt zahnlos:
autoarme INNEN-Städte, Antriebswende (auch noch fälschlich als ‚push-Faktor‘ zugeordnet), Erhöhung der Personentransportkapazitäten bei knappen Flächen durch Radwege/Busspuren in den Kernen, etc.
Alles Massnahmen, die neutral oder eher zu mehr, als auch nur ansatzweise zu weniger Autoverkehr führen.
Das ist schon im grundlegenden Design dieses Machwerks festgeschriebener Etikettenschwindel.
Was uns da als Push-Bausteine einer Vekehrswende verkauft werden soll ist nichts weiter als eine weitere Optimierung der weiter ansteigenden Automobilisierung.
Dass sich die Autos ‚in den Städten‘ insbesondere in den Innenstädten längst selbst auf den Füssen stehen und so das Ziel erweiterter ‚Agilität‘ der ArbeitnehmerInnnen zu konterkarieren beginnen (Stau!) ist natürlich auch in den Chefetagen der Arbeitgeber und ihrer Think-Tank-Gehilfen angekommen.

Wer „Think-Tank-Gehilfen“ für übertrieben oder verschwörungstheoretisch hält:
https://www.bundestag.de/resource/blob/561172/54993343eb1b46484d8018fb9496808e/19-16-68-e_anhoerung_co2-emissionen_prof_dr_manuel_frondel-data.pdf
Sowas wird dann mal (bzw. am laufenden Band) gegen drohende Verbrauchbegrenzungen und andere ‚industriefeindliche‘ Bestrebungen in die politische Landschaft geworfen.

Ebenso ist in den Chefetagen angekommen, dass die Akzeptanz der meist besserverdienenden Menschen in den Innenstädten gegenüber den Nebenwirkungen des Autoverkehrs abnimmt.
Selber stauarm Autofahren zu können und die ‚Anderen‘ nach nebenan in die Öffis und auf die Radwege zu bringen ist da sicherlich eine vielfach gewünschte Option, die zudem den Charme hat die teuren Innenstadtlagen weiter ‚aufzuwerten‘ sprich steigende Immobilienrenditen zu ermöglichen (Anlagennotstand). Selbst für die Bäckerfahrten „öfter mal das Rad zu nehmen“ (vor Jahren das ‚urbanes‘ Stahl-Fixie, jetzt das ‚hippe‘ Lastenrad) ohne dabei den Autoverkehr zu behindern (Radweg sei dank) ist ja auch durchaus ein Vorteil im „Städtewettbewerb um die besten Köpfe“.

Was ist denn das, was uns RWI/INSM und andere da als ‚Verkehrswende‘ andrehen wollen im Erfolgsfall?
– mehr Rad auf separierten Wegen in den dann autoarmen Innenstädten (mehr Konsum, höhere Immobilienrenditen, mehr ‚liveable‘ für die urbanen Besserverdiener, Verflüssigung des verbleibenden Autoverkehrs!!!)
– Stauentlastung für die Pendlerverkehre, die in immer grösserer Zahl immer längere Strecken im Sinne von ‚Agility‘ zurückzulegen haben
– mehr Autos mit Elektroantrieben, wobei die Infrastruktur zu einem guten Teil von den SteuerzahlerInnen zu tragen ist
– Ausschluss der ‚Armen‘ durch Städtemaut (ähnlich wie Brexit-Boris Johnson)

Ansonsten gilt natürlich für RWI und Co. die Devise: über Zertifikate die CO2 Reduktion dort steuern, wo Minderungen am einfachsten (billigsten) machbar sind, was für den Autoverkehr heisst:
Weiteres Wachstum mit veränderten Randbedingungen:
– Arme Minderleister: ab auf Bus und Rad
– Mittelschicht aufwärts: staubefreiter moderat verteuerter Autoverkehr mit verbesserten Reisezeiten auch auf längeren Strecken.
– Zur Stauvermeidung: städtische Kurzstrecken auf kapazitätssparende separate Radwege (+ÖPNV) verlagern, so dass die Gesamtbeförderungskapazität weiter steigt.

Dazu: keine Tempolimits, keine limitierenden Pförtnerampeln, keine Obergrenzen für Autobesitz, keine Fahrverbote, kein Abbau des Dienstwagenprivilegs, Radverkehr so gestalten, dass der Autoverkehr flüssig bleibt/wird (Separation als anti-Stau ), keine CO2 Obergrenze, etc.

Nicht ganz unwahrscheinlich: über Etablierung von Mautsystemen den Einstieg in die Privatisierung ‚unseres‘ Strassensystems vorbereiten.

Ansonsten sind die erhobenen Daten reichlich belanglos. Dass die Menschen ihre Präferenzen nach ihrer persönlichen Situation (Vorteil/Nachteil) ausrichten wissen wir auch ohne ‚Studien‘ von INSM RWI und soweiter …

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