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Radverkehr

Die Straßen werden sicherer – nur nicht für Radfahrer

Das Statistische Bundesamt meldet heute, dass im ersten Halbjahr 2019 in Deutschland 1.465 Menschen bei Straßenverkehrsunfällen ums Leben gekommen sind. Das waren nach vorläufigen Ergebnissen 40 Personen oder 2,7 Prozent weniger als im ersten Halbjahr 2018. Die Zahl der Verletzten ging um 5,1 Prozent auf gut 178.500 Personen zurück. Ein Trend in die richtige Richtung, wobei es für mich immer wieder erschreckend ist, dass 1.465 Tote in nur sechs Monaten keine Konsequenzen nach sich ziehen – und das nur, weil die meisten davon in Autos saßen und das dann wohl einfach zum Leben dazu gehört.

Ganz und gar nicht gut sieht es beim Radverkehr aus. „Für den Zeitraum Januar bis Mai 2019 liegen tiefer gegliederte Ergebnisse vor. Danach kamen in den ersten fünf Monaten des Jahres 2019 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mehr Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer ums Leben.“ Die Zahl der Getöteten steigt zweistellig – um 11,3 Prozent (+16 Personen). Wird das weiter einfach so hingenommen? Oder ändert sich endlich mal was?

11 Prozent mehr getötete Radfahrer – wird das einfach immer so weitergehen?

Der ADFC reagiert auf die steigenden Zahlen mit der erneuten Forderung nach geschützten Radwege und geschützten Kreuzungen. „Deutschland muss jetzt einen Zahn zulegen beim Ausbau der Fahrradinfrastruktur, sonst werden wir ständig solche Hiobsbotschaften bekommen! Die Wege für Radfahrende sind nach wie vor erbärmlich – gleichzeitig ist mehr Radverkehr als Lösung für unsere verstopften Städte ja hocherwünscht! Wir brauchen sofort mehr Tempo 30 in den Städten, schnelle Ausbauprogramme für geschützte Radwege an Hauptachsen und vor allem: Geschützte Kreuzungen! Kreuzungen sind die gefährlichsten Punkte für Radfahrerinnen und Radfahrer. Deutschland braucht – wie die Niederlande und Nordamerika – ein neues Konzept, wie man die gefährlichen Kreuzungspunkte zwischen Rad- und Autoverkehr beispielsweise durch Betoninseln und getrennte Grünphasen entschärft“, so Bundesgeschäftsführer Burkhard Stork.

Stefan Gelbhaar, Sprecher für städtische Mobilität und Radverkehr der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, Sicherheitszonen in die Straßenverkehrsordnung aufzunehmen, „so dass Städte unsichere LKW ohne Abbiegeassistenzsysteme aus Innenstadtbereichen mit viel Fuß- und Radverkehr verbannen können“. Und weiter: „Kommunen muss es ermöglicht werden, selbst zu entscheiden, wo innerorts Tempo 30 gilt. 30 statt 50 km/h würde vielen Menschen das Leben retten. Schwere Unfälle wären weit weniger folgenreich. Scheuer ignoriert diese Tatsachen. Das ist ein großer blinder Fleck in seiner halbherzigen StVO-Reform.“

In das Straßenverkehrsrecht muss endlich die Gleichberechtigung aller Verkehrsarten aufgenommen werden.

Daniela Wagner, Gelbhaars Kollegin und Sprecherin für Stadtentwicklung: „Die neuen Zahlen zeigen, dass eine Änderung der Straßenverkehrsordnung überfällig ist. Der Verkehrssicherheit muss klar Vorfahrt eingeräumt werden und der Bundesverkehrsminister endlich liefern. In das Straßenverkehrsrecht muss endlich die Gleichberechtigung aller Verkehrsarten aufgenommen werden – nur so gibt es Vorfahrt für mehr Sicherheit im Straßenverkehr.“

Symbolbild…

13 Antworten auf „Die Straßen werden sicherer – nur nicht für Radfahrer“

Die Zahl der Toten, sagt leider nichts über die Zahl der Unfälle aus. Ich vermute mal, dass die Statistik mit dem Bau moderner Autos zusammen hängt. Dies werden sicherer für die Insassen gebaut. Wenn ein Auto mit einem anderen zusammen prallt oder sich überschlägt, ist die Gefahr für die Insassen geringer. Dafür sinkt aber die Übersicht im Auto. Durch dickere Säulen und größere Knautschzonen im Motorblock, werden die Fahrzeuge unübersichtlicher. Das heißt unübersichtlichere Fahrzeuge und damit eine größere Unfallgefahr. Es werden ja nicht nur Fußgängerbereiche abgepolert, sondern auch Laternen auf Parkplätzen. Neben den Toten Verkehrsteilnehmern, die kein Fahrzeug hoher Betriebsgefahr führen, vermute ich also auch höhere Kosten bei Unfällen. Aber solche Kosten werden ja zum Glück nur bei Unfallflucht von der Allgemeinheit getragen.

Eine Steigerung der Unfall bzw Todeszahlen im Radverkehr war zu erwarten .
Die Gründe sind vielfältig….
Wichtiger Grund sind natürlich schlechte bzw unsichere Verkehrsführung für die Radfahrer und Rücksichtslosigkeit bzw falsches Verhalten des motorisierten Verkehrs.
Bei den Toten spielt mit Sicherheit auch eine Rolle das sich der Fahrradhelm nicht stärker durchsetzt .
Weiterer Knackpunkt sind die E-Bikes , hier sind viele Menschen weit oberhalb ihrer Fähigkeiten unterwegs, was naturgemäß auch schief geht.
Das schlimmste ist jedoch das sich viele Radler selbst in Gefahr bringen , weil sie selber die Verkehrsregeln nicht einhalten oder zB ohne Licht und Bremse unterwegs sind .
In diesem Sinne wartet noch viel Arbeit auf alle Beteiligten.

Die E-Bikes, alias Pedelecs sind ne echte Seuche geworden, da fährt man selbst extra vorsichtig (15km/h) an einer Person mit Hund vorbei und so einem Typen geht das nicht schnell genug, der überholt motzend, ob man keinen Platz machen könne.

Oder die Senioren und Übergewichtigen, die am Berg mit höchster Unterstützung volle 25km/h hochkacheln, die hört und sieht man erst, wenn sie neben einem sind. Das sind meiner Meinung dank E-Rückenwind die neuen Kampfradler und Speichenrambos, fahren wie 18 mit der Reaktion wie 80.

> Bei den Toten spielt mit Sicherheit auch
> eine Rolle das sich der Fahrradhelm nicht
> stärker durchsetzt .

Weil es sonst mehr Todesfälle geben würde?

„2/3 der getöteten Fahrradnutzer trugen keinen Helm (44 der 68 tödlich Verunglückten).“
https://www.gib-acht-im-verkehr.de/service/statistik/zahlen-daten-fakten/
(Helmtragequote 2017 laut destatis 19 %.)

https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/weniger-verkehrstote-und-verletzte/
(70 % ohne Helm, Tragequote 13 %.)

1) Die Unfallzahlen sind nicht gestiegen. So wurden von Destatis im ersten Halbjahr um über 10% weniger Schwerverletzte gezählt, und damit eine ca. doppelt so starke Abnahme wie bei PKW registriert.
2) Wieso steigende Helmquoten für mehr Opfer verantwortlich sein sollen, musst du uns bei Gelegenheit erläutern.
3) Die Zwischenbilanz 2019 spezifiziert nicht nach Unfallgegnern. Meine eigene Statistik auf radunfaelle.wordpress.com deutet aber darauf hin, dass sich der im letzten Jahr begonnene Trend zu sinkenden Opferzahlen bei Unfällen mit KFZ-Gegnern innerorts weiter fortsetzt.
4) Die aktuelle Steigerung der Todesopfer beruht auf zwei Faktoren: zum einen steigt die Zahl der ohne Fremdbeteiligung verunglückten Radler (deutlicher Hinweis auf viel mehr aktive Radfahrer!). Zum anderen steigt die Zahl der Radfahrer, die außerorts verunglücken, und zwar in erster Linie durch eigene Vorfahrtfehler.
5) Der jüngste Trend zu steigenden Opferzahlen betrifft auch die Niederlande. Zwar veröffentlicht man dort keine Halbjahresbilanzen, aber in 2018 war auch hier ein kräftiger Anstieg von 11% bei den Getöteten zu verzeichnen. Das deutet darauf hin, dass jedenfalls nicht mangelhafte oder fehlende Infrastruktur, sondern wohl eher die günstige Witterung für die Steigerung auch in Deutschland verantwortlich war.

Für Fußgänger auch nicht. Das liegt aber auch mit daran, dass der Autor dieses Blogs bei einer durch einen Bus blockierten Fahrbahn an einem Samstagmorgen mit gut besuchter Innenstadt gnadenlos auf dem Bürgersteig durch die wartenden Menschen an einer Bushaltestelle brettert.
Wasser predigen und Wein saufen. Erbärmlich.

Huch, wo soll das denn gewesen sein? Etwa die 10 Meter zwischen Sparda-Bank und Zeitungsladen? Dann müssen wir noch mal über „gut besucht“ und „brettern“ reden. :-)

Frage: liegt es nicht einfach an den Temperaturen? Februar und März 2018 waren sehr kalt, erst ab April ging die Radsaison richtig los. Der Winter 18/19 war dagegen durchgängig warm, wir hatten im Februar schon fast 20 Grad.

Ja, das ist sehr wahrscheinlich. Aber Alarmismus verkauft sich halt wesentlich besser. Übrigens hatten wir auch 2003 so einen Peak – im Jahrhundertsommer.

In Stuttgart und Mannheim ist der Radverkehr zwischen 2017 und 2018 um 20 – 26% und 14% gestiegen, in Berlin gefühlt um 50%. Wenn diese Zahlen auch nur ansatzweise stellvertretend für den gesamten Radverkehr in Deutschland stehen, ist Fahrradfahren sogar sicherer geworden.

Diese absoluten Zahlen über Verkehrstote sind leider absolut wertlos, ohne Bezug zu der Anzahl der Autofahrer/Radfahrer, bzw. zu den gefahrenen km.

Das heißt nicht, dass man nicht trotzdem für mehr Sicherheit sorgen kann, da die Anzahl der Radfahrer in Zukunft vermutlich steigen wird.

Opferfamilien kannst du mit der Unfallstatistik wohl so oder so nicht trösten.

Dieses Instrument taugt nur für die Einschätzung der Gefahren *vor* dem Fahrtantritt. Und da ist es schon sehr beruhigend zu wissen, dass das individuelle Risiko, beim Radeln zu verunglücken, dank Safety in Numbers insgesamt deutlich gesunken ist.

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