Auch wenn sich einige Unternehmen bereit erklärt haben, ihren Fuhrpark mit dem LKW-Abbiegeassistenten auszurüsten, wird es noch Jahre dauern, bis alle LKW damit unterwegs sind. Auch hier wird wohl gelten, dass eher wenig nachgerüstet wird und wir warten müssen, bis vielleicht irgendwann neue LKW damit serienmäßig ausgeliefert werden. (Bei der Förderung von E-LKW verzichtet die Bundesregierung allerdings auf den Abbiegeassistenten als Bedingung.)

Die Stadt Osnabrück will nicht länger warten und überlegt, wie man die oft lebensgefährliche Situation zwischen abbiegendem LKW und geradeausfahrendem Radfahrer entschärfen kann. An der Kreuzung Johannistorwall/Kommenderiestraße ist es – nach langen Widerständen einzelner Ratsfraktionen – durch die Einführung einer Abbiegespur für den motorisierten Verkehr mit eigener Ampelphase gelungen.

Da diese Lösung aber nicht überall möglich ist, sollte es nun ein Rechtsabbiegeverbot für LKW an besonders einschlägigen Kreuzungen richten. Diese Woche wird über einen entsprechenden Antrag der Verwaltung im Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt diskutiert. „Um den LKW-Verkehr bei der Zufahrt auf den Wallring aktiv zu lenken, sollen die Zufahrtsstraßen zum Wallring, dort wo es möglich ist, so mit Vorwegweisern ausgestattet werden, dass dem LKW-Verkehr die Richtungen für die Ziele „Innenstadt“ und „Fernverkehr“ vorgegeben werden können, ohne dass Verbote ausgesprochen werden müssen“, heißt es in der Beschlussvorlage.

Der Fachbereich Recht und Datenschutz hat die rechtlichen Voraussetzungen geprüft mit dem Ergebnis, dass gemäß § 45 Abs. 9 StVO ein Abbiegeverbot aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten sein müssen. „Aufgrund der tödlichen Radfahrunfälle wird es zweifelsfrei sein, dass es besondere Umstände gibt, die besondere Maßnahmen rechtfertigen“, heißt es dazu weiter. Aber ist das Abbiegeverbot auch verhältnismäßig? Das muss es nämlich sein. Und das ist es offenbar nicht. Es gäbe nämlich Maßnahmen, die vorher ausgeschöpft werden müssten:

  • die bauliche Verbesserung der Radwege entlang des Wallrings inklusive der Erhöhung der Erkennbarkeit des Systems,
  • die Ausweisung von Fahrradstraßen parallel zum Wallring mit dem Ziel, Kraftfahrzeugverkehre und Fahrradverkehre weitgehend voneinander zu trennen,
  • Spiegel an Signalanlagen, um die Sicht aus dem LKW heraus auf Radfahrer zu erhöhen,
  • ähnliche Maßnahmen, zum Beispiel die Umgestaltung der Kreuzungen, so wie es am Johannistorwall/Kommenderiestraße erfolgt ist.

Die Verwaltung kommt daher zu dem Ergebnis, „dass ein generelles Rechtsabbiegeverbot für LKW bei der Zufahrt auf den Wallring und beim Verlassen des Wallrings weder rechtlich zulässig noch technisch möglich ist“. Als Mittel der Wahl bleibt also nur „die Möglichkeit, mit Vorwegweisern auf den Zufahrtsstraßen zum Wallring, den LKW-Verkehr aktiv zu lenken, indem die Richtungen für die Ziele „Innenstadt“ und „Fernverkehr“ vorgegeben werden“. Der LKW-Verkehr soll also unverbindlich gelenkt werden, sodass es zu möglichst wenig Rechtsabbiegevorgängen kommt.

Die Idee ist an sich nicht schlecht. Nur stellt sich hier die Frage, inwiefern sich LKW-Fahrer daran halten. Ortskundige Fahrer wissen sicher besser, wie sie zu fahren haben. Und ortsunkundige fahren vermutlich sowieso nach Navi. Hier müsste es die Möglichkeit geben, die Verkehrslenkung in die Navigationssoftware einzuspeisen. (Das Problem konnte man gestern wieder erleben, als die A1 wegen eines Unfalls gesperrt war. Die Navis haben eine Ausweichroute durch die Stadt angezeigt. Und dort herrschte dann wieder nahezu Stillstand.)

Der ganze Vorgang zeigt aber auch, wie kreativ Städte werden müssen, um den Radverkehr zu schützen – wenn sie an der Infrastruktur an sich nichts ändern wollen. Da summieren sich dann viele Alibimaßnahmen wie dieses Leitsystem, Spiegel an Ampeln und demnächst vielleicht auch noch Einrichtungen wie der Bike-Flash.

Grafik: Stadt Osnabrück