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Radverkehr

84 Prozent für Ausbau der Fahrradwege

2015 hatte bereits eine Umfrage des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) ergeben, dass sich 82 Prozent der Befragten eine Abkehr von einer auf das Auto zentrierten Städteplanung wünschen. Nun zeigen die Ergebnisse einer Umfrage im Auftrag der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ in dieselbe Richtung. 84 Prozent der Befragten wünschen sich einen Ausbau der Fahrradwege, bei Gehwegen sind es 81 Prozent.

Das hört sich erneut nach einem klaren Auftrag an die Politik an. Insbesondere Stadträte sollten sich dadurch ermutigt fühlen, endlich Alternativen zum Auto zu fördern. Radschnellwege, geschützte Radwege, sichere und ausreichend Abstellmöglichkeiten in Zentren und Wohngebieten – es gibt viel zu tun!

Grafik: Deutschland – Land der Ideen

4 Antworten auf „84 Prozent für Ausbau der Fahrradwege“

Ich zitiere mal eine längere Passage aus dem obigen Dokument, das den Radwegjubel unter die Leute bringen soll:

“ 24. Juli 2018 – Fast jeder zweite Deutsche (41 Prozent) würde gerne schon bald in ein Flugtaxi steigen oder mit einem autonomen Auto fahren. Insbesondere junge Menschen sind offen für Innovationen in der Mobilität. 65 Prozent der 18- bis 29-Jährigen wünschen sich Flugtaxis und unbemannte Drohnen für kurze Strecken und 60 Prozent autonom fahrende Autos. Dies ergab eine aktuelle Umfrage der forsa Politik- und Sozialforschung GmbH im Auftrag von „Deutschland – Land der Ideen“ im Rahmen des Deutschen Mobilitätspreises.
Das Auto, noch immer Statussymbol der Deutschen
Sharing-Angebote versus Statussymbol Auto: Rund ein Drittel der Befragten würde auf den Besitz eines eigenen Autos verzichten und stattdessen dafür Sharing-Angebote nutzen. Für 62 Prozent gehört ein eigenes Auto zum Leben dazu. “

https://deutscher-mobilitaetspreis.de/journal/umfrage-flugtaxis-und-autonome-autos-hoch-im-kurs

„Deutschland – Land der Ideen“
Ja 2006 begannen die Deutsche Bank und andere „Leistungsträger“ ihre Netzwerke zur Imageverbesserung und zum Greenwashing des „Standort Deutschland“ nochmals auszuweiten.
Natürlich durfte da unsere ‚Schlüsselindustrie‘ nicht fehlen
https://www.presseportal.de/pm/6730/783737
Während das Strassennetz nach und nach autobahnisiert wird (Ausweitung des Autobahnprinzips auf Bundesstrassen und wichtige Landstrassen), um die neue ’smarte‘ Automobilisierung 4.0 vorzubereiten wird synchron am Mythos einer beginnenden Verkehrswende mit Lastenradromantik und ‚liveable City‘ gefeilt.

Ich empfehle mal:
http://webspecial.intelligente-welt.de/

Hier ist recht gut skizziert was tatsächlich an relevanter „Verkehrswende“ projektiert ist:
erhebliche Ausweitung des Autoverkehrs, Ausweitung und Vernetzung der motorisierten Verkehrsträger incl. des Flugverkehrs, systematische Datenerfassung aller Mobilitätsbewegungen der Bevölkerung.
Wer in den gegenwärtigen Trends ernsthaft eine ökologische Verkehrswende zu erkennen glaubt geht wohl auch davon aus, dass mit Rentenprivatisierung, Hartz4 und Steuersenkung für Besserverdiener eine gerechte Gesellschaft mit Wohlstand für alle heraufzieht.

Ein längst überfälliges Anerkennen, dass die Ausweitung des ökologisch verhängnisvollen „Automobilismus 4.0“ incl. des autogerechten Umbaus des Strassensystems und die ‚Säuberungswellen‘ gegen nicht-separierten Radverkehr Hand in Hand gehen, scheint aber bei einem Großteil der ‚Radlobby‘ blockiert zu sein.
Da haben die Anti-VC Kampagnen und die neue Welle der automobilen Ideologie „Rad braucht Radweg“ ganze Arbeit geleistet.

Knapp gesagt:
die bejubelten 84% der Radwegbefürworter setzen sich im wesentlichen aus Menschen zusammen, die endlich diese lästigen RadfahrerInnenvon „ihrer“ Fahrbahn haben wollen.
Und klar: wer von denen, die mal ab und wann aufs Rad steigen (‚more people bike more often‘ Kampagne) möchte schon gern zum Hindernis für den „echten Verkehr“ werden.

Radwege KÖNNEN – klug eingesetzt – durchaus EIN Baustein einer ökologischen Verkehrswende sein, mit dem gegenwärtig überschäumenden Radwege Enthusiasmus und einem damit gekoppelten Trend zur Autobahnisierung unseres Vekrehrsnetzes hat das aber nicht die Bohne zu tun.

Das Traurige:

Bald steht wieder der Herbst und der Winter vor der Tür, dann ist das alles erstmal wieder kein Thema (mehr) und es geht wieder mit „Dieselfahrverbotpanikohmeingottwasitsmeinautonochwert?!“los.

Manchmal habe ich keine Hoffnung mehr.

In den letzten Jahren bin ich immer skeptischer geworden, was die Zahlen anbetrifft, egal ob Sie mir passen oder nicht. Am Ende sagen sie meist extrem wenig aus und ohne Kontext der Entstehung nichts. Die meisten Zahlen sind nicht mal qualifiziert erhoben (Ich sage nur Internetumfrage) bzw. das Studiendesign ist nicht zugänglich, sodass man gar nicht prüfen kann, ob die Schlussfolgerung so überhaupt nachvollziehbar ist, die es in die Öffentlichkeitsarbeit geschafft hat. Wenn man doch an das Studiendesign rankommt und es sich anschaut, relativiert sich da schnell vieles.

Über die methodischen Probleme von Umfragen kann man sich in einschlägigen Lehrbüchern informieren.

Und mich behagt es immer weniger, dass gefordert wird, Politik möge sich an diesen – freigestellten – Zahlen orientieren. Einerseits sind Betroffenheit und Fachwissen nicht das Gleiche. Damit kritisiere ich nicht die Laienmeinung sondern die, die diese eine Meinung nicht als genau das betrachten, was sie ist. Eine Meinung von Laien. Damit habe ich nicht gesagt, dass man die nicht beachten soll. Auch mich kann zu medizinischen Themen fragen, aber ich hätte arge Bedenken, wenn sich unsere Gesundheitsversorgung danach richtet, was das Volk so meint. Warum gerade beim Thema Verkehr so viele meinen, auch ohne Qualifikation, die i. d. R. über eine formelle Ausbildung erfolgt, die nötige Expertise zu haben? Von Verkehr bin ich genauso betroffen wie vom Funktionserhalt meiner Zähne, Elektroinstallation, E-Mail-Server, Abwasserleitungen und überlasse das da den Profis – die meisten anderen auch. Gut, doppelverdienende Akademiker fangen inzwischen an, beim Thema Impfen lieber nicht mehr Fachleuten zu vertrauen, da sie es besser beurteilen können … Selbstversorgung ist ja gerade hip. Vielleicht kommt demnächst auch Self-Dentaling nach Urban Gardening als neuster Trend.

Beim Thema Verkehr kommt nur hinzu, dass die Planung von politischen Vorgaben abhängig ist. Der Bahnplaner baut ICE-Trassen durch Mittelgebirgslandschaften statt Nebenbahnen, weil es politisch gewollt ist. Er ist dafür ausgebildet, beides korrekt umzusetzen. So läuft es auch beim Wasserstraßenbau. Bei Flughäfen. Nur Stadtstraßen will jeder mit einem Twitter-Account heute auch ohne Ausbildung besser planen können. Ja, auch Fachleute machen Fehler und die gehören kritisiert. Ein Verkehrsplaner sollte mehr können, als ein Gefühl zu haben, Radwege wären doch ganz gut, wobei das wofür durchaus unterschiedlich bedingt sein kann, wie Alfons anspricht.

Und die Politik, die Vorgaben macht, soll nicht nur Umfragen in Beschlüsse überführen, wie hier gefordert. Dann brauche ich keine Politik mehr und würde die Demokratie abschaffen und eine technokratische Demoskokratie einführen. Politik soll die Umfragen zwar kennen, aber sich davon nicht abhängig machen. Politik heißt, Entscheidungen zu treffen abgleitet von Vorstellungen eines gelingenden Zusammenlebens und das ganze soll konsistent sein. So ist die Politik der SPD vom Paradigma des Abbaus des Sozialstaates geprägt, den die FDP gerne ganz abschaffen würde und den die CSU auf die beschränken möchte, die ihn nicht brauchen. Sich an wiedersprüchlichen Umfrageergebnissen zu orientieren, würde zu Kuddelmuddel führen. Die „Mehrheit“ will nicht nur mehr Radwege, sondern auch mehr Autoparkplätze. Viel Spaß beim Umsetzen.

zu Alfons: Offensichtlich gibt es viele Menschen, die eine Stadt der Trennung erstrebenswert finden, eine Idee die uns 10.000 menschenleere und öde Gewerbegebiete gebracht hat, die man nur mit dem Auto vernüftig erreichen kann und deren Bauten eine erschreckend geringe Lebensdauer haben. Die wird auch nötig, wenn wir demnächst lauter Fahrzeuge haben, die von Kriminellen via Internet etc. gekapert werden können. Und vieles, was als Verbesserung des Verkehrs verkauft wird, entspringt mehr einer neoliberalen Gedankenwelt der Überwachung und Kontrolle. Alfons argumentiert hier in diese Richtung. Wusstet ihr, dass Tesla kurz nach einem Unfall schon anruft? Kann also sein, das Tesla sich bei dir meldet, bevor die Polizei da war, um die Todesnachricht zu den verunglückten Familienangehörigen zu überbringen.

Seinen Widerhall findet die Studie in den vielen Radentscheiden, die es landauf, landab in Deutschland gibt.
Die Zivilgesellschaft macht mobil (Achtung: Wortwitz. ;-) ).

Erstmals gibt es auch Unverständnis und Kritik von deutschen Gerichten an den verhängnisvollen Folgen der „Fahrradnovelle“ von 1997 („Ab auf die Fahrbahn“).

Beim Unfall mit einem Bus, dem eine 14jährige zum Opfer fiel, sind sich die Organe der Rechtspflege in einem Punkt einig:

„Nein, so sei es eben nicht, sagt die Richterin. Das glaubten bloß viele. Viel zu viele. „Ich sehe das mit Sorge, wie diese Linien zunehmen und sich jeder in Sicherheit wiegt.“

„„Diese Radwege [„Schutz“streifen] können nicht die Lösung in einem städtischen Straßenverkehr sein“, plädiert die Staatsanwältin.“

„Selami Y.s Verteidiger würde „die Urheber dieser Radstreifen“, wie er das formuliert, wohl selbst mal gerne auf der Anklagebank sehen, aber da kann er lange warten.“

http://www.fr.de/rhein-main/verkehr/prozess-gegen-busfahrer-prozess-zeigt-fahrradstreifen-problematisch-a-1571336

Es kommt was ins Rollen (Achtung: Wortwitz! ;-) )

Endlich.

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