Der erste Weltfahrradtag ist gerade über die Bühne gegangen, da wartet schon das nächste Fahrradevent: Am kommenden Samstag findet (schon seit Anfang der 2000er Jahre) der World Naked Bicycle Ride statt. Und weil dieser in Deutschland bisher nicht gezündet hat, startet der Verkehrsclub Deutschland e.V. (VCD) dieses Jahr einen Versuch. Zum ersten mal will der Berlin Bikini & Badehose Bicycle Ride gegen die Autovorherrschaft in unseren Städten protestieren.
Die Idee, nackt auf dem Fahrrad für saubere Luft, für mehr Platz in den Städten für Fahrradfahrer und ein gerechtes Miteinander im Straßenverkehr zu protestieren, stammt ursprünglich aus Spanien. Um auf ihre Verletzlichkeit im Straßenverkehr aufmerksam zu machen, finden nackte Fahrradproteste inzwischen in mehr als 70 Städten in 20 Ländern statt.
Der VCD kritisiert, dass unsere Städte für Autos und Autoverkehr gebaut sind „und wir Bewohnerinnen, ob ältere Menschen, spielende Kinder, spazierende Schüler oder ins Büro laufende Angestellte, wir alle orientieren uns am Verkehrsfluss und am Platzanspruch des Autos. Statt der immensen Dichte an mehrspurigen Fahrbahnen und Parkplätzen in den Städten, wünschen wir uns mehr Lebensraum für Menschen.“
Momentan haben wir viele Probleme in unseren Städten, die direkt mit dem Auto verbunden sind. Schlechte Luft ist eines davon, die ungerechte Verteilung von öffentlichem Raum ein anderes. Auch die unglaublich hohe Anzahl an Verkehrstoten hat mit der autozentrierten Straßengestaltung zu tun.
Neben einer Flächengerechtigkeit fordert der VCD auch konkrete Maßnahmen der Bundesregierung gegen das Sterben auf deutschen Straßen. Dazu gehören ein Tempolimit auf Autobahnen und eine Regelgeschwindigkeit von 30 Stundenkilometern für Autos in Städten, die ein Miteinander erleichtern würde. „Mit dem Protest auf dem Sattel möchten wir uns als Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer sichtbar machen, wir möchten für unsere Verletzlichkeit im Verkehr sensibilisieren und zeigen, dass Fahrradfahren eine der Lösungen für viele Probleme in unseren Städten sein kann.“
Mehr Infos zum Berlin Bikini & Badehose Bicycle Ride und dem Rahmenprogramm gibt es hier.
14 Antworten auf „Berlin Bikini & Badehose Bicycle Ride“
Das ist ja wirklich peinlich: Spanier, Engländer, Mexikaner und, und, und trauen sich im Adamskostüm auf’s Fahrrad. Nur wir Deutschen sind Spießer und radeln im Badekostümchen des 19. Jahrhunderts? Kann ja wohl nicht wahr sein!
Vor ein paar Jahren haben sich einige Leute nur mit Körperfarbe bekleidet an der ADFC-Sternfahrt in Berlin beteiligt. Die kamen zwanzig Meter weit, dann wurden sie gebeten sich etwas anzuziehen oder von dannen zu ziehen. Wegen der Kinder. Christian Ströbele vermittelte noch, aber letztlich haben die Nackten dann eine kleine Tour an der Havel gemacht. Ohne ADFC und ohne Klamotten.
Wo leben wir eigentlich? In Afghanistan oder im Bible Belt?
Hallo Martin!
Wir leben in Deutschland, was man – mit Verlaub und etwas Humor gemeint – auch am Ton deines Kommentars bemerkt :)
Da es sich um eine angemeldete Veranstaltung handelt, was uns als Veranstalter wichtig ist, wollen wir uns an den rechtlichen Rahmen halten. Und in Deutschland ist es halt verboten unbekleidet auf der Straße zu flanieren oder Rad zu fahren. Also holen wir uns die Straße im Bikini oder Bademantel zurück.
Das ist eigentlich schon alles. Wir freuen uns auf Samstag und hoffen auf Sonne!
Viele Grüße
Wasilis von Rauch (VCD Bundesvorsitzender)
Wasilis von, es ist meines Wissens in Deutschland nicht verboten nackt zu sein. Ganz sicher sind die Gesetze bei uns nicht strenger als in Spanien, England oder Mexiko. Es gab schon zig Nacktdemos von den 1968er Studenten, über die Hausbesetzer der 1970er und 1980er Jahre bis hin zur Love Parade. Die Polizei hat da nie etwas dagegen gehabt, sondern war froh, daß Nackte eben auch immer friedliche Demonstranten sind. Die „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ wurde meines Wissens noch nie gegen eine Nacktdemo verwendet.
Wasilis von, damit Du mich nicht falsch verstehst: Die Demo ist natürlich im Prinzip eine gute Sache. Ich habe absolut nichts gegen eine Fahrraddemo in jeder beliebigen Kleidung (außer verbotenen Uniformen). Aber wenn man sich einerseits klar auf den rad-ikalen Ansatz von Ciclonudista und WNBR bezieht (sowohl explizit in der Presseerklärung und auch implizit durch die Wahl des Datums), andererseits sich dann aber nicht traut die Hüllen fallen zu lassen, dann wirkt man eben etwas weniger mutig als es sein dürfte. Da es in Deutschland kein Gesetz gegen Nacktheit in der Öffentlichkeit gibt und die Polizei im Falle von Nacktspaziergängern auch nur auf Bitte Dritter mit der Bitte sich doch etwas anzuziehen reagiert, hätte man die Demo doch ein bisschen weniger „konservativ“ aufziehen können. Die „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ haben allenfalls Leute zu befürchten, die z.B. Sex auf der Parkbank hatten oder Exhibitionisten.
Nun heißt es aber überall auf der Welt: Die Berliner können keinen Flughafen und keinen WNBR! :~)
Ich komme natürlich trotzdem zur Demo, bei Sonne oder Regen! Bis Samstag!
Wäre es überhaupt ein WNBR, wenn 1/4tel der Teilnehmer einen H_lm trügen?
Dann kann Berlin das wirklich nicht ˋ8-p
SCNR
Abgesehen davon gibt es auch Leute, die einfach ungern nackt radfahren. Ich z.B.
ETG, an keinem Ort der Welt wird der Ciclonudista bzw. WNBR mit einer „Nacktpflicht“ verbunden. Überall fahren die Leute, wie sie wollen. Im eher liberalen London sind die meisten nackt und nur einige fahren z.B. in Badehose, in Thessaloniki ist es umgekehrt, da trauen sich eben nur wenige nackt. Es ist überall eine „clothing optional“ Demo und niemand muß sich dafür schämen angezogen mitzuradeln.
Hi Martin, hi alle. natürlich war die Demo als Nackt Demo vorgesehen. die Polizei hat es aber nicht erlaubt, verwies auf sämtliche Gerichtsprozesse dazu in Leipzig, Berlin und anderswo. um es nicht ausfallen zu lassen, denke ich, dass es OK ist auch in Bikini zu radeln, solange es eben nicht anders geht. Wenn du dennoch denkst, dass der Ride einem WNBR nicht gerecht wird, kein ding, deswegen taucht er auch nicht im globalen Verzeichnis auf. dass die Berlinerinnnen und Berlin trotzdem wissen, dass es sowas in nackt und global gibt finde ich wichtig, weshalb es in PM und Co auftaucht. Machen is besser als nicht machen in dem Fall. Schöne Grüße, katja (orga beim VCD)
Katja: Na klar ist machen besser als nicht machen! In den meisten Fällen und hier auf jeden Fall.
Aber: Was? Die Polizei hat das nicht erlaubt? Das ist ja ziemlich krass und ich hätte das an Eurer Stelle auch sehr prominent in Presseerklärung geschrieben! Es sollte mich sehr wundern, wenn man da nicht gegen klagen könnte, bzw. kurzfristig eine einstweilige Verfügung erwirken könnte.
Ein Verbot nackt zu demonstrieren ist ein mehrfacher Grundrechtseingriff. Zunächst wird das Demonstrationsrecht selbst eingeschränkt. Es gab (wie schon geschrieben) viele Nacktdemos in Deutschland und auch anderswo auf der Welt. Nackt zu demonstrieren stellt also definitiv eine Art der „provokativen Meinungsäußerung“ dar, eine weltweit anerkannte Protest- und Demonstrationsform, die somit unter das Demonstrationsrecht fällt.
Nacktheit gehört heutzutage zur Allgemeinkultur, man sieht Nackte am Strand, auf jedem Bildschirm, auf Opernbühnen usw. Es kann also nicht mehr, wie noch in den 1950er Jahren per se von einem Verstoß gegen die guten Sitten ausgehen. Eine Erregung öffentlichen Ärgernisses wäre allenfalls gegeben, wenn man – was weiß ich – einen obszönen Nackttanz vor einem Kindergarten aufführte.
Die Freikörperkultur gehört seit ca. 100 Jahren zu Deutschland und wurde vor allem in der DDR (die Demo findet ja in Ostberlin statt) und somit ist Nacktheit durchaus auch „freie Entfaltung der Persönlichkeit“.
Auf jeden Fall hat nicht die Polizei über Demonstrationsformen und die angemessene Kleidung bei Demos zu entscheiden, sofern es keine illegalen Uniformen sind oder verfassungsfeindliche Symbole. Was erlauben die sich?
Hat Die Polizei auch angekündigt gegen Nacktradler genauso konsequent und unnachgiebig wie gegen Rad- und Gehwegparker vorzugehen?
Passt doch.
Roll-back ist angesagt.
Der Trend zu „Rad braucht separaten Radweg“ ist ja auch ziemlich strikt auf CSU-Kurs, und
Nacktradeln ist doch eh viel zu anarchisch, das ist 80er, zudem vielleicht sogar DDR-Unrechtsstaat und so.
Lieber die deutsche Leitkultur der gesitteten heimatverbundenen Prüderie pflegen, alle Ordnungsauflagen preußisch einhalten, die Bahnsteigkarte lösen, den Rasen nicht betreten und schön auf den schmalen wurzeligen Radwegelchen bleiben.
Ausser die Fahrbahnbenutzung ist für eine Demo mal genehmigt, dann wird auch mal die verpönte Fahrbahn benutzt. O.k. grössere Verkehrsmengen auf den hippen Radwegelchen lassen sich eh nicht abzuwickeln, was aber im allgemeinen Trubel nicht realisiert wird.
Aber von aussen lässt sich leicht spotten, hätt ich die Anmeldung unterschrieben würd ich auch drüber nachdenken und erstmal nen Blick auf den aktuellen Kontostand werfen.
Deutschland eben!
Rechtlich wirds für die Ordnungsbehörden aber schwierig, wenn sich ein großes KünsterInnenkollektiv spontan zu einer Kunstaktion zusammenfinden würde und auf der Fahrradfahrt zeitgleich eine Kunst Performance hinlegt, die nunmal aus künstlerischer Notwendigkeit heraus Nacktheit in Bewegung auf lackiertem Stahl beinhaltet.
Alfons, Du sprichst mir aus der Seele, auch wenn ich versuche, die Dinge weniger pessimistisch zu sehen.
Es gab einen nackten Radfahrer unter uns, doch als sich dann auch noch eine Radfahrerin rausnahm, wärend der Fahrt ihre nackten Brüste zu zeigen, war es der Polizei auf der Oberbaumbrücke zu viel Nacktheit.
Weiteres zeigen von Penis, Vagina und weiblichen Brüsten wurde ab sofort untersagt.
Dankeschön Berliner Polizei für die Möglichkeit der Rad-Demo, doch etwas verklemmt seid ihr schon.
Die Rad-Demo ging durch ganz Berlin, Ost-West-Ost, ganze 2 Stunden lang.
Ralf, die Polizei hat einer Radfahrerin verboten, „oben ohne“ zu radeln, dies aber bei Männern akzeptiert? Das wäre ein starkes Stück und verstößt direkt gegen den Gleichheitsgrundsatz unserer Verfassung.
Weibliche wie männliche Brüste sind, wie auch Adamsapfel, Bart usw. „sekundäre Geschlechtsmerkmale“. Entweder alle müssen ihre sekundären Geschlechtsmerkmale verhüllen (mache ich so: Ich bedecke meine männlichen Geheimratsecken beim Radeln mit einer Mütze), oder keiner.
Krass, was sich die Polizei unter R²G so alles erlaubt. Gab’s eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die verfassungsfeindlichen Beamten?
Aus meiner Sicht sollte man für’s kommende Jahr einen „echten“ WNBR anstreben. Bei hunderten von Nackten kann die Polizei nicht viel machen, außer Wasserwerfe einzusetzen.