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Radverkehr

Städtetag fordert, die Verkehrspolitik neu zu denken

Der Deutsche Städtetag hat Forderungen an eine neue Bundesregierung publiziert. Neben allgemeinen Investitionen, Schulden und Sozialem Wohnungsbau gibt es auch Forderungen im Bereich Mobilität/Verkehr. Die Städte fordern, „die Verkehrspolitik neu zu denken“, um die Mobilität der Zukunft sicherzustellen.

Der Deutsche Städtetag hat Forderungen an eine neue Bundesregierung publiziert. Neben allgemeinen Investitionen, Schulden und Sozialem Wohnungsbau gibt es auch Forderungen im Bereich Mobilität/Verkehr. Die Städte fordern, „die Verkehrspolitik neu zu denken“, um die Mobilität der Zukunft sicherzustellen. Dazu solle der Bund den Verkehr in den Städten stärker in den Blick nehmen und so auch den Klimaschutz verbessern. Im Mittelpunkt steht für den Städtetag dabei der ÖPNV. Zu den zehn zentralen Forderungen an Bundestag und Bundesregierung gehört: „Damit der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) zu einem vernetzten Verkehrsangebot von Bus und Bahn mit anderen Verkehrsmitteln werden kann, muss auch der Bund den ÖPNV stärker unterstützen.“

Einzelnen Städten ist die Möglichkeit zu geben, Abweichungen von den derzeitigen Regeln der StVO zu erproben.

Dr. Ulrich Maly, Vizepräsident des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeister aus Nürnberg, spricht aber auch den Fuß- und Radverkehr an: „Städtischer Verkehr der Zukunft ist stark vernetzt: Busse und Bahnen im Stadt- und im Regionalverkehr müssen klug verknüpft werden mit dem Straßen-, dem Radverkehr und den Fußgängern. Für diesen Wandel sollte der Bund die Städte weiter unterstützen bei Elektromobilität, Carsharing und Radverkehr, aber auch Pläne für mehr Mobilität zu Fuß entwickeln. Vor allem aber muss der ÖPNV als Rückgrat des städtischen Verkehrs deutlich stärker gefördert werden. Bund und Länder müssen die Mittel für die Gemeindeverkehrsfinanzierung erhöhen. Vom Bund erwarten wir, dass er die Summe für städtische Großprojekte von derzeit 330 Millionen Euro deutlich aufstockt und dass er sich dauerhaft im ÖPNV engagiert.“




Und in der Broschüre des Städtetages wird es konkreter: „Die Kommunen benötigen dafür [den notwendigen Wandel bei der Gewährleistung der Mobilität] ausreichende Gestaltungsfreiheit und Regulierungsmöglichkeit, um eine möglichst stadt- und umweltverträgliche Abwicklung des Verkehrs zu gewährleisten. Verflüssigung des Verkehrs, Verkehrssicherheit und attraktive öffentliche Räume sind dabei das Ziel. Dazu ist zunächst einzelnen Städten die Möglichkeit zu geben, Abweichungen von den derzeitigen Regeln der StVO zu erproben [Stichworte Grünpfeil oder Tempo 30]. Der Umweltverbund ist als Kern nachhaltiger Mobilität zu fördern. Dabei sollte der Bund zusätzlich zum Nationalen Radverkehrsplan auch eine Stärkung des Fußverkehrs vorantreiben.“

In diesem Kontext geht es natürlich auch ums Geld. Der Bund habe die Gemeindeverkehrsfinanzierung nicht bedarfsgerecht erhöht, die Städte könnten die notwendigen infrastrukturellen Maßnahmen daher nicht in ausreichendem Maße angehen. Sie haben inzwischen genau erkannt, wer das größte Verkehrsproblem ist („Der Verkehr muss konsequent auf Schiene und Wasserstraße verlagert werden.“). Geld würde sicher helfen, hier neue Infrastrukturen zu schaffen. Es fehlen aber immer noch die politischen Entscheidungen (im Bund und noch mehr in den Städten), damit die Städte die (Verkehrs-) Probleme auch angehen können. Denn auch mit allem Geld der Welt lässt sich nichts verändern, wenn der politische Auftrag fehlt.

4 Antworten auf „Städtetag fordert, die Verkehrspolitik neu zu denken“

“ Dazu ist zunächst einzelnen Städten die Möglichkeit zu geben, Abweichungen von den derzeitigen Regeln der StVO zu erproben“
Das ist doch in den meisten Deutschen Städten, zumindest beim Bau von Radverkehrsanlagen, lange gelebt Praxis?
Warum benötigt man dazu plötzlich die Zustimmung des Bundes?

Meine Gedanken gingen in eine ähnliche Richtung. ;-)

Vermutlich wollen die primär Geld und alles andere ist Drumherum.

Und ob die mit Abweichungen von StVO wirklich meinen, dass das nicht der Autoverkehrsförderung dienen soll in der Realität dann?

Die Zustimmung des Bundes (und damit ein ganz legales Vorgehen) ist leider in sehr vielen Fällen nötig, weil sonst gleich wieder ein bescheuerter Autofahrer dagegen klagt und damit dann auch noch recht bekommt. Dinge, die die Autofahrer nicht stören oder ihnen gar wehtun, die kriegt eine Stadt noch durch. Aber wehe, der freie Bürger fühlt sich in seiner Freiheit, Auto zu fahren, eingeschränkt. Da geht garantier gleich das Geschrei los.
Es gab hier in Ulm so einen Fall. Ein Stück Straße sollte zur 30er-Zone werden. Hat man sich das Geplärr angehört, dann hätte man glatt denken können, der Untergang des Abendlandes sei angeordnet worden. Irgend jemand hat mal nachgerechnet und dabei kam raus, das der Unterschied zwischen 30 und 50 km/h lediglich 43 Sekunden ausmacht! Aber Zeter und Mordio brüllen. Wobei ich mich immer frag, wenn die Leute es so eilig haben, das die paar Sekunden einen Unterschied machen, warum sind sie dann so blöd und fahren mit dem Auto durch die Stadt? Inzwischen weiss doch jedes kleines Kind, das man mit dem Rad schneller ans Ziel gelangt ;-)

Deutsche Städte haben heute schon sehr viele Möglichkeiten den Rad- und Fußverkehr eigenitiativ und kreativ zu fördern, nutzen ihn aber bei weitem nicht aus!

Speziell in Nürnberg, wo der Vizepräsident des Städtetags Maly seit 2002 Oberbürgermeister ist, könnte schon alleine finanziell weit mehr gemacht werden, statt dessen stagniert der Radwegeetat dort in seiner Amtszeit seit Jahren bei 1-1,2 Mio Euro (etwas über zwei Euro je Einwohner). Nürnberg ist deshalb heute unter den TOP 3 der Städte mit den höchsten Zulassungszahlen privater PKW und gleichzeitig eine der Städte mit dem geringsten Baumanteil. Gleichzeitig gehört Nürnberg zu den lautesten Städten in Deutschland laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts.

Die Städte weisen deshalb – und weil man dazu immer öfter rechtlich verpflichtet wird – Tempo 30-Zonen aus, die vor allem dem Lärm- und Emissionsschutz von Anwohnern zugute kommen sollen, selten aber um Fahrradstraßen besser ausweisen zu können oder Fußgängerbeziehungen zu verbessern. Dass das jetzt schon gehen würde, beweisen Städte wie Kiel oder München. Oft verhindern aber Bundesgesetze, die Umwidmung zu Tempo 30-Zonen, beispielsweise wenn eine Straße als Hauptstraße ausgewiesen ist, oder wenn deren Querschnitt zu breit ist, oder an einer gefährlichen Kreuzung eine Ampel steht. Dann können Bürger dagegen klagen und tun es in den meisten Fällen auch..

Deshalb steckt hinter diesem Antrag leider nicht viel mehr, als die Befürchtung zwischen rechtlichen Auflagen einerseits und gesetzlichen Vorgaben andererseits aufgerieben zu werden. Er zeigt aber vor allem deutlich auf, dass die Städte gegen den auf Bundesgesetzebene strukturell organisierten Bestandsschutz autogerechter Städteplanung mit Kreativität alleine oft nicht ankommen können, wie das Beispiel Soester Schutzstreifen exemplarisch deutlich aufzeigt.

Deshalb und weil die politische Konstellation auf Bundesebene ungünstig bleibt für eine Verkehrswende, wird es trotzige Utopie bleiben, dass sich an der Gesetzgebung hinsichtlich Tempobegrenzung und dem damit anschließend zwingend verbundenen notwendigen Umbau der Innenstädte (Schmalere Straßen, Barrieren, Kreisverkehre) in den nächsten dreißig Jahren grundlegend etwas verändern würde. Im Gegenteil: Die strukturelle Diskriminierung von Radfahrenden auf der Straße wird sich durch vorerst weiter wachsenden Fahrzeugbestand mit immer stärkeren Motorisierungen noch gewaltig verschärfen..

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