Gerade erst hat die Stadt Osnabrück einen Modellversuch mit Sharrows in der Lotter Straße gestartet (hier mehr), da bringt die FDP einen Dringlichkeitsantrag in den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt ein, der die sofortige Entfernung der Sharrows fordert.
Nun mag man zu Sharrows, also Piktogrammen auf der Fahrbahn, ja stehen wie man will. Für die einen ist es (logischerweise) keine Radinfrastruktur, für die anderen ein geeignetes Hilfsmittel, Autofahrer auf den Radverkehr aufmerksam zu machen. Hier in der Lotter Straße ist aufgrund der schmalen Straße nun mal nichts anderes möglich.
Der Beschluss, den die FDP herbeiführen will, klingt allerdings abenteuerlich: „Der Modellversuch an der Lotter Straße wird eingestellt, da die Sharrows eine Fahrradstraße suggerieren und dadurch die Unfallgefahr noch erhöhen.“ Mal abgesehen davon, dass Fahrradstraßen mit Schildern und nicht mit Piktogrammen gekennzeichnet werden: Würden Autofahrer davon ausgehen, dass es sich bei der Lotter Straße neuerdings um eine Fahrradstraße handele, würden sie pflichtgemäß langsam fahren und sich dem Radverkehr anpassen. Wo da nun eine erhöhte Unfallgefahr herkommen soll, kann ich nicht erkennen.
Die Sharrows suggerieren eine Fahrradstraße und erhöhen die Unfallgefahr.
In der Begründung der FDP heißt es: „Die Lotter Straße ist keine Fahrradstraße. Die Katharinenstraße wurde speziell für Radfahrer umgestaltet. Weitere Begründung erfolgt mündlich.“ Dass Piktogramme keine Fahrradstraße markieren, hatten wir schon. Und das Argument mit der parallel verlaufenden Katharinenstraße hatten wir schon viel öfter. Die Lotter Straße sieht sich mit ihren vielen Geschäften selbst als Einkaufsstraße. Es gibt dort also Zielverkehr. Menschen wollen dahin. Da nützt ihnen eine Parallelstraße herzlich wenig.
Fühlen sich Radfahrer durch die Sharrows also schon ermutigt, selbstbewusst und mittig durch die Lotter Straße zu fahren, was wiederum den einen oder anderen SUV-fahrenden FDP-Wähler stört? Und was genau sind die Motive von Antragsteller Dr. Thomas Thiele, der seine Praxis weiter hinten in der Lotter Straße hat, wo sich bereits Radfahrstreifen und keine Sharrows mehr befinden?
3 Antworten auf „Eine Fahrradstraße erhöht die Unfallgefahr?“
das ist ja völlig absurd … was mich jetzt noch wundert ist: hat die FDP überhaupt noch so viel zu sagen, dass der Antrag eine ernsthafte Gefahr darstellt?
Noch wirkt so ein Antrag bizarr, aber mal ein zwei Jahre abwarten.
Nachdem der ADFC jetzt die zunächst partielle Wiedereinführung der allgemeinen Benutzungspflicht durchgedrückt hat, wird der nächste Schritt wohl sein, dass solche Strassen per Z.254 für den Raverkehr gesperrt werden?
Es mag ja ruhige Nebenstrassen geben, die Teil des ‚Radverkehrsnetzes‘ sind?
Alternative dazu ist eine Gestaltung (Querschnitt u.a.), die in Tateinheit mit der Beschilderung des „Radverkehrsnetzes“ dafür sorgt, dass sich die Verkehre des allgemeinen Verkehrsnetzes (künftig halt Auto-Verkehrsnetz) und die des Radverkehrsnetzes trennen.
PR dazu ist einfach: warten bis mehrere LKW auf der Strasse sind, kleines Kind auf Fahrrad dazupacken, Kreuzung mit im Bild, abfotografieren und fragen:
„Würden sie ihr Kind hier auf der Strasse fahren lassen?“
Daneben dann ein Bild mit zwei Kindern und einer Radfahrerin, die ganz ‚protected‘ zum Bäcker fahren, Sonne, keine Kreuzung, natürlich auf dem „protected Radverkehrsnetz“, das just da angelegt wird, wo der MIV nicht behindert wird.
Und schwupps ist so ein Antrag plötzlich „Radverkehrsförderung“, weil das ja im Sinne eines durchgehend benutzbaren ‚protected‘ Radnetzes ist, das von 8-80 ‚protected‘ befahren werden kann.
In meinem jüngsten Kommentar zur Lotter Str. wurde ich ja dafür kritisiert, dass ich Osnabrück nicht kennen würde.
Das stimmt nicht ganz. In den ooer Jahren übernachteten wir dort des Öfteren. Die Bus&Bike Touren (eingestellt)von Natours&Co starteten früher immer am Busbahnhof. 4 oder 5mal haben wir das Angebot genutzt und uns z.B. zum Pont du Gard oder nach Italien kutschieren lassen. Am besten kenne ich als Baum- und Pflanzenliebhaber(verschiedene) Strecken zwischen Botanischem Garten und Busbahnhof.
Ich bin mir bewusst, dass jede Stadt sehr spezielle Verkehrsprobleme hat. Osnabrück als regionales Oberzentrum ist viel mehr von außerstädtischem Pendlerverkehr geprägt als z.B, Hamburg, wo ein viel größerer (MIV-) Verkehrsanteil innerstädtisch generiert ist und somit auch die Strecken kürzer sind.
Spart man in Osnabrück MIV ein, so werden die freiwerdenden Straßenkapazitäten viel eher durch Pendlerverkehr in Anspruch genommen als in bspw. Hamburg – und Osnabrück als Wirtschaftsstandort, der natürlich mit anderen regionalen Oberzentren um Einzugsgebiete konkurriert, freut sich sogar noch, dass jetzt mehr Platz für mehr einpendelnde Käufer und Produzenten da ist.
Andersherum bedeutet dies auch, dass Städte wie Osnabrück meinen, möglichst viele Straßen, und seien sie auch ungeeignet wie die Lotter Str., als Einflugschneisen für MIV-Pendler bereitstellen zu müssen.
Deshalb vielleicht auch der FDP Antrag, Die FDP versucht traditionell, sich als Partei der Selbstständigen und der Wirtschaft darzustellen.
Ich glaube weiterhin nicht, dass ohne Verkehrskonzept und ohne längerfristige integrierte Planung eine zufriedenstellende Lösung gefunden werden kann.
Aber nun zum Antrag:
Bezeichnenderweise fehlt dem FDP-Antrag ein Vorschlag, wie denn die Lotter Straße sicherer für Radfahrer werden kann. Im Antrag werden die Radfahrer auf die Katharinenstr. verwiesen. Die Intention des Antrags bleibt kaum verborgen: Radfahrer raus. Die Sicherheit der Radfahrer ist offensichtlich nur Vorwand.
Vielleicht ist der Osnabrücker FDP unbekannt, dass die Lotter Str. ein sog. Subzentrum darstellt, mit Geschäften, Einrichtungen, Ärzten etc. und – von außen – wenig Aufenthaltsqualität.
Schon deshalb, weil die Geschäfte und Einrichtungen für alle Stadtteilbewohner – und nicht nur Autofahrer – erreichbar sein müssen, weil sie beidseitig sind, aber auch weil Geschäfts- und Einrichtungsstraßen bzw Plätze den jeweiligen Stadtteil integrieren und nicht zweiteilen sollten, schon deshalb trägt eine 50 km/h MIV Achse auf der zweispurigen Lotter Str. den zweifelhaften Charme der provinziellen (Auto über Alles) 60er Jahre – damit, nun gut, der FDP vielleicht nicht unähnlich.
Diese 50km/h MIV-Achse ist -von außen betrachtet – umso unverständlicher – wenn man denn die zuvor genannten „neumodischen“ städtebaulichen Gesichtspunkte, Quartiersentwicklung etc. nicht gelten lassen mag – als dass Osnabrück Radfahren fördern will.
Obendrein verläuft nur 250m südlich der Lotter Str. mit dem Straßenzug Martinistr./Kurt-Schumacher-Damm eine veritable vierspurige MIV-Schneise parallel zur Lotter Str.
Durch Links- aber auch Rechtsabbiegeverbote, bzw durch Einbahnstraßen- und (bauliche) Durchfahrtregelungen der Seitenstraßen, könnte dieser Straßenzug von seiner Erschließungsfunktion zugunsten des von Osten einpendelnden MIV entlastet werden und stattdessen den Durchfahrtsverkehr von der Lotter Str. übernehmen.
Die Lotter Str. könnte, auch als gegenläufige 30 km/h Einbahnstr. (wie Katharinenstr., baulich befreit von MIV-Verbindungsfunktion) die Erschließungsfunktion für die nördlich der Martini/Kurt-Schumacher gelegenen Quartiere übernehmen.
Das würde auch zu ihrer ohnehin vorhandenen Funktion als Quartiersmittelpunkt besser passen – und Fuß- und Radverkehr wären sicherer.
Das ist natürlich von außen betrachtet, voluntaristisch und mit heißer Nadel gestrickt. Es soll auch nur ein Beispiel dafür sein, wie man mit Verkehrsplanung und vor allem mit der Aufsplittung und nur einzeln zuzuweisender MIV-Funktionen, die eine Straße zu leisten hat, Probleme lösen kann.
Wo jede Straße alle oder auch nur mehrere MIV-Funktionen übernehmen muss, da ist kaum Platz für andere Verkehre oder gar ihre Infrastruktur.