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Das Problem ist der Radfahrer, nicht der LKW…

Vorweg ein Zitat aus der Neuen Osnabrücker Zeitung, die heute über eine Sicherheitsoffensive von Osnabrücker Speditionen berichtet: „Otte [Stadtbaurat] empfahl den Radlern, im Interesse ihrer Sicherheit nicht auf ihr Recht zu pochen, sondern in kritischen Situationen hinter einem haltenden Lkw zu bleiben. In dieselbe Kerbe schlug Heiner Kröger von der Polizei, der auch Vorsitzender der Unfallkommission…

Vorweg ein Zitat aus der Neuen Osnabrücker Zeitung, die heute über eine Sicherheitsoffensive von Osnabrücker Speditionen berichtet:

Otte [Stadtbaurat] empfahl den Radlern, im Interesse ihrer Sicherheit nicht auf ihr Recht zu pochen, sondern in kritischen Situationen hinter einem haltenden Lkw zu bleiben. In dieselbe Kerbe schlug Heiner Kröger von der Polizei, der auch Vorsitzender der Unfallkommission ist. Das Problem sei nicht immer der Lkw-Fahrer, sondern oft der Radler. Neben einer defensiven Fahrweise komme es auch darauf an, einen Helm zu tragen – auch wenn manche Jugendliche das als „uncool“ empfänden.

Ich finde diese Argumentation der Polizei so entsetzlich! Was soll ein Fahrradhelm bringen, wenn ein 40-Tonner einen überrollt? Da bringt der Helm aber mal sowas von gar nichts. Und dieses subversive Victim Blaming an den beiden im vergangenen Jahr in Osnabrück getöteten Radfahrern, muss bei deren Angehörigen Wut und Entsetzen auslösen.

Und was soll dieses Gerede von defensivem Fahren und „Radfahrer sollen nicht immer auf ihr Recht pochen“? Kein Mensch pocht auf sein Recht und lässt sich von einem LKW überfahren! Dass man das in diesem Zusammenhang überhaupt sagt! Mich würde überhaupt mal interessieren, wie viele verunfallte Radfahrer zu Schaden kamen, weil sie auf ihr Recht pochten. Das ist so gesehen eine ziemlich gewagte Unterstellung, für die es keinerlei Belege gibt.

Und wenn man schon auf eigene (Rad-) Wege gezwungen wird, dann muss man auch davon ausgehen dürfen, dass man dort sicher ist und die Vorfahrtsrechte, die einem eingeräumt werden, auch wahrnehmen kann. In der akuten Situation steckt der Radfahrer dann schon zurück, wenn er die Chance dazu hat.

Wenn Radfahrer aber an den Rand gedrängt werden und auch dort noch von vornherein aus Eigenschutz immer den Kürzeren ziehen sollen, dann stimmt was mit dem Verkehrssystem nicht und es herrscht das Recht des Stärkeren auf der Straße! Und das heißt im Endeffekt, dass ich das Radfahren ganz lassen sollte. Denn der „Schwächere“ bin ja im Zweifel immer ich, der Radfahrer.

Wenn Radfahrer hinter LKW bleiben sollen, dann malt ihnen keine Streifen auf die Fahrbahn, die sie einladen, daran vorbei zu fahren. Das passt alles nicht zusammen!

Es ist schön und lobenswert, dass die Speditionen im Raum Osnabrück in die Offensive gehen und Technik zum Einsatz bringen, um Radfahrer zu schützen. Es wäre noch schöner, wenn die Stadt eine Radverkehrsinfrastruktur schaffen würde, in der Radfahrer zügig und sicher unterwegs sind. Getrennte Grünphasen für Radfahrer und Rechtsabbieger wären eine Idee.

Und ganz nett wäre es, wenn die Polizei in der Zwischenzeit mit nutzlosen Belehrungen aufhören würde. Gerne würde ich den „Wassermelone in Fahrradhelm“-Test ein bisschen abwandeln. Man könnte sich dann zusammen mit der Polizei anschauen, wie groß die Wirkung ist, wenn ein LKW über die behelmte Wassermelone fährt. Und als Kontrollgruppe dann noch, einen LKW nicht über einer unbehelmte Melone. Mal sehen, welche hinterher besser aussieht.

Auch die NOZ hat hier nicht so sauber argumentiert. Dazu mehr beim Presserad

12 Antworten auf „Das Problem ist der Radfahrer, nicht der LKW…“

Hallo allemaal,

wenn ich den Artikel, auch den in der NOZ, lese, dann muss ich mich immer arg zusammenreißen, nicht total wütend zu werden. Allein es nützt ja nichts.

M.A.n. ist der LKW-Fahrrad-Konflikt ein nicht der Grund von Unfällen sondern die Folge bürokratischer Zerstörungskraft. Die Tatsache, dass rechtsabbiegende KFZ und geradeausfahrende Radfahrer zugleich fahren dürfen, nenne ich mal eine institutionalisierte Todesfalle. Ich bin als Student in Berlin selbst LKW gefahren und weiß, wie schwierig es ist, auch mit großer Vorsicht und gutem Willen die geradeausfahrenden Radfahrer nicht zu übersehen.

Eine denkbar einfache Lösung wurde schon in den Artikeln kurz angesprochen. Dort wurde das Beispiel Groningen genannt. Allerdings gibt es die Ampellösung „alle richtingen groen“ in mehreren niederländischen Städten schon länger und dabei sehr erfolgreich, wie ich selbst erfahren durfte.

http://www.djibnet.com/photo/verkeerslicht/fietsverkeerslicht-alle-richtingen-groen-3716826146.html

Ehrlich gesagt, sehe ich aber wenig Hoffnung, dass so sich so eine relativ einfache Lösung im Wurstland durchsetzen wird. Die Macht der Autokonzerne ist einfach zu groß und der Grad der Ignoranz und nicht zu vergessen Arroganz auf allen Seiten (Politiker, Autofahrer, Lobbyvereine, etc.) ist viel zu hoch. Es kann auf keinen Fall sein, dass der Autoverkehr auf ein paar Radler warten muss…
Das mit dem Frühstück und dem reversiblen Verdauungsprozess spare ich mir hier mal als Kommentar…

Groetjes
de Kaaskop

Wir sollten nicht vergessen, dass es nicht nur die Radfahrer sind, die regelmäßig betroffen sind. In meiner Stadt sind letztes Jahr 150 Kinder im Straßenverkehr verletzt worden. Der Großteil davon waren Abbiegeunfälle, die man mit einer entsprechenden Ampelschaltung hätte verhindern können. Das stimmt wirklich etwas nicht, wenn wir es dulden, dass jeden zweiten Tag ein Kind verletzt wird, weil wir nicht bereit sind, ein paar Ampeln anders zu schalten.

Dem kann ich mich nur anschließen.
Ich glaube es war Daniel, der in früheren Beiträgen ein paar mal darauf hinwies, dass man in größeren Städten keine Kinder mehr ohne Begleitung Erwachsener auf Fahrrädern sieht (habe übrigens selbst eine fast dreizehnjährige Tochter und lasse sie hier in Osnabrück nicht allein in die Innenstadt fahren).
Aber, auch dem kann nur zustimmen, es sind nicht nur radfahrende Menschen, die gefährdet sind, sondern grundsätzlich alle schwächeren – also auch alte, behinderte oder kranke Menschen. Wir reden jetzt über Verkehr, aber das trifft auch für andere Bereiche zu. Ich wundere mich manchmal wirklich, wo das hinführen soll.
Gruß
Kaaskop

Da lobe ich doch mal mein Wohnland, Belgien. Im Allgemeinen ist dies Land ja durchaus rückständig egal um was es geht. Für die schwächeren Teilnehmer am Verkehr gibt es hier die Regelung, das der stärker immer Mitschuld trägt.
Selbst wenn ich als Radfahrer besoffen, auf der falschen Seite, ohne Licht, in dunkler Kleidung, Musik hörend und sogar ohne Helm einen Unfall verursache, hat der Autofahrer trotzdem Teilschuld. Basta.

Lasst den Fahrradfahrern endlich die Möglichkeit, dann zu fahren, wenn es tatsächlich ungefährlich ist
– und nicht, wenn grün ist.
Ahndet nicht jeden noch so lächerlichen Rot-Verstoß mit Geldstrafen und dämlich belehrenden Referaten, wärend Autos mit 60 Sachen (in der 30er-Zone) an der Oberleher-Szene vorbeirasen.

Wer bei Grün fährt, verlässt sich gerne auf seine Vorfahrt.
Wer bei Rot fährt, guckt in aller Regel ganz genau – aber am besten auf den Verkehr, anstatt auf die möglicherweise anwesende Rennaufsicht.
Wer bei Rot fährt und nicht guckt, fällt mit etwas Pech der Auslese zum Opfer.

So wurde der Blogeintrag auf unserer Facebook-Siete kommentiert – Ironie nicht ausgeschlossen:
Interview mit Radfahrerin Silke Stehknecht: „Ja, ich habe mir die Worte der Polizei zu Herzen genommen und poche nicht mehr auf mein Recht, bei Grün die Straße zu überqueren. Nicht bei LKWs, nicht bei drängelnden PKWs oder scharf anfahrenden Motorrädern. Es ist wirklich nur zu meiner eigenen Sicherheit. Mein Mann und meine Kinder besuchen mich jeden Morgen und Abend auf der großen Kreuzung und bringen Proviant und frische Wäsche mit. Für den Fall, dass es regnet, habe ich ein Leichtzelt dabei. Ein WC-Häuschen befindet sich glücklicherweise ganz nah auf meiner Seite der Straße. Vielleicht gibt es wieder einmal autofreie Sonntage wie 1972 – das wäre dann die große Chance für mich, wieder nach Hause zu kommen….“

War das nicht so, dass beide getöteten Radfahrer an derselben Kreuzung an derselben Stelle mit der gleichen untauglichen Radverkehrsführung ums Leben kamen? Ist dort inzwischen etwas passiert, um die Stelle zu entschärfen? Dort muss man doch die wahre Ursache des Unfalls suchen, nicht im Konflikt Radfahrer-LKW-Fahrer.

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