Zur aktuellen Situation der Neumarkt-Sperrung in Osnabrück schreibt Sebastian Stricker in einem Kommentar auf noz.de, dass die meisten Verkehrsteilnehmer sich an das Durchfahrtsverbot halten würden. Sie „nehmen mitunter zeitraubende Umwege in Kauf oder sind auf Bus und Fahrrad umgestiegen“, so Stricker.

Die Falschfahrer, die es immer noch gibt, lassen wir mal dahingestellt. Darum soll es an dieser Stelle nicht gehen. Was mich an diesem Kommentar viel mehr interessiert und auch Anlass dieses Beitrags ist: worauf stützt sich Strickers Aussage, dass AutofahrerInnen auf Bus und Fahrrad umgestiegen sind? Das wäre nämlich höchst erfreulich und interessant, mal statistisch nachgewiesen zu sehen. Es würde nämlich bedeuten, dass das Leben in Osnabrück mit gesperrtem Neumarkt ja doch weitergeht. Ein Argument also für eine dauerhafte Neumarkt-Sperrung?

Den Stadtwerken Osnabrück liegen laut Pressesprecher Marco Hörmeyer auf jeden Fall noch keine Zahlen vor, wie sich die Sperrung auf die Fahrgastzahlen im Busverkehr auswirkt. Mit ersten Tendenzen sei frühestens Ende Juli zu rechnen.

Am interessantesten an Strickers Kommentar finde ich allerdings die Aussage, dass Autofahrer „mitunter zeitraubende Umwege in Kauf“ nehmen würden. Denn das ist ja ein entscheidender Aspekt in der Neumarkt-Frage. Und das größte Argument der Gegner einer dauerhaften Sperrung. Obwohl das Szenario der dauerhaften Sperrung (für den motorisierten Individualverkehr wohl gemerkt) ja mehr in den Köpfen der BürgerInnen geistert, als wirklich öffentlich debattiert zu werden.

Sind 2,3 statt 1,1 Kilometer mit dem Auto wirklich unzumutbar und zeitraubend?

Zunächst einmal die Fakten: von der Stadthalle bis zum Berliner Platz sind es über den Neumarkt, also die „alte“ Strecke, genau 1,1 Kilometer. Jetzt da diese Strecke gesperrt ist, verlängert sich der Weg für AutofahrerInnen auf 2,3 bzw. 2,4 Kilometer – je nachdem in welcher Richtung man auf dem Ring fährt.

Ist das wirklich ein zeitraubender Umweg? Man muss diese Teilstrecke ja eigentlich immer in einem größeren Kontext sehen. Da fallen die fünf Minuten, die man länger braucht, eigentlich gar nicht ins Gewicht.

Und auch die Erreichbarkeit der Parkmöglichkeiten wird nicht eingeschränkt. Wer aus dem Westen in die Stadt kommt, hat Ledenhof- und Kamp-Garage. Wer aus Richtung Belm kommt, hat Kaufhof- und L+T-Parkhaus. Und das sind nur die vier komplett zentral gelegenen Parkmöglichkeiten. Auf beiden Seiten des Neumarkts gibt es weitere Parkhäuser, -garagen und -plätze (siehe Karte).

Auch vom Handel gibt es immer wieder Gegenwind, wenn die Erreichbarkeit der Innenstädte vermeintlich erschwert wird. So auch in Osnabrück. Laut Katja Calic vom Handelsverband Osnabrück-Emsland e.V. sind die HändlerInnen in der Innenstadt gegen eine dauerhafte Sperrung des Neumarkts, weil damit die Erreichbarkeit der Innenstadt auch für den auswärtigen PKW-Kunden deutlich erschwert würde. Zwar könne man bisher noch nichts zu möglichen Auswirkungen der Neumarkt-Sperrung auf Umsätze sagen, aber bereits der Westfalentag habe gefühlt weniger Besucher angelockt. Darüber hinaus sei man mit der aktuellen Verkehrslage unzufrieden, da AutofahrerInnen zu Stoßzeiten an bestimmten Ampeln bis zu zehn Rotphasen warten müssten. „Das ist dauerhaft nicht erwünscht, da Osnabrück viele Kunden aus dem Umland anzieht, die zu einem großen Teil eben noch mit dem Auto kommen. Die gute Erreichbarkeit der Innenstadt und eine hohe Besucherfrequenz ist vor allem für das Weihnachtsgeschäft der stationären Händler wichtig“, so Calic.

Der Handel ist gegen eine dauerhafte Verkehrsberuhigung am Neumarkt.

Für den Verkehr aus dem Umland verweise ich auf die oben genannte Parksituation. Die Rückstauprobleme habe ich ehrlich gesagt bisher nicht öfter oder dramatischer erlebt, als vor der Sperrung – weder beim Vorbeifahren auf dem Fahrrad, noch im Auto. (Ja, auch ich fahre manchmal Auto.) Wie das im Weihnachtsgeschäft aussehen wird, bleibt abzuwarten. Doch gerade zu dieser Zeit muss man immer und überall mit zähem Verkehr rechnen. Massenweise „Abwanderung“ in andere Städte halte ich für unwahrscheinlich. Dann käme es dort genauso zu vermehrtem Stau. Und muss man – nebenbei gefragt – ein Verkehrssystem primär auf die Erreichbarkeit der Innenstadt zur Weihnachtszeit auslegen?

In Bezug auf den innerstädtischen Verkehr der Osnabrücker sollte sich der Handel auf jeden Fall von Studien wie Radfahren und Einkaufen (Österreich 2010) ermutigt fühlen, die zeigen, dass AutofahrerInnen zwar pro Einkauf mehr Geld ausgeben, RadfahrerInnen aber öfter ins Geschäft kommen, sich dort länger aufhalten und dadurch in der Summe mehr ausgeben. Zudem sind sie für Aktionen und Werbemaßnahmen empfänglicher. Mit dem Radverkehr lässt sich also besonders der innerstädtische Einzelhandel stärken. Wieder ein Argument für eine dauerhafte Neumarkt-Sperrung?

Durchfahrt verboten – diese einfache Botschaft hat sich fünf Wochen nach Sperrung des Neumarkts bei den Autofahrern in Osnabrück und Umgebung herumgesprochen. (noz.de)

Der Neumarkt ist jetzt seit fünf Wochen für den motorisierten Individualverkehr gesperrt. Die Situation ist im Alltag angekommen. Es gibt kein Verkehrschaos, die Umsätze der Geschäfte in der Osnabrücker Innenstadt sind nicht eingebrochen. Und auch wenn wir verschiedene Auffassungen von „zeitraubend“ haben, hier stimmen Sebastian Stricker und ich dann doch ziemlich überein:

Richtig! Sogar Menschen allgemein sind Gewohnheitstiere. Und sie – in diesem Fall aber in der Tat die AutofahrerInnen – haben sich bereits an die neue Situation gewöhnt. Und das was in Osnabrück andauernd Umweg genannt wird, ist in Wirklichkeit: nichts! Zumal in einem modernen, klimatisierten Auto, für das die Deutschen doch so gerne so viel Geld ausgeben und daher eigentlich jede Minute mehr darin genießen müssten.

Man kann also langsam ernsthaft darüber nachdenken, den Neumarkt dauerhaft zu sperren und die Innenstadt dadurch schöner, ruhiger, sicherer und vor allem (er-) lebenswerter zu machen.

Update 13. August 2014

Nach Auskunft der Stadtwerke Osnabrück hat die Neumarkt-Sperrung keine großen Auswirkungen auf die Fahrgastzahlen der Buslinien: „Wir führen zum Neumarkt speziell keine Befragungen/Zählungen durch, können aber feststellen, dass die Fahrscheinverkäufe weiterhin konstant sind, was darauf hinweist, dass es keine Auswirkungen auf das Fahrgastverhalten hat„, so Pressesprecherin Katja Diehl.

Und da die Straßen neuerdings nicht voll von Radfahrerinnen und Radfahrern sind, kann man wohl davon ausgehen, dass die Situation der Neumarkt-Sperrung so schlimm nicht ist und die Leute weiterhin mit dem Auto fahren. Wieder ein Argument mehr für die dauerhafte Sperrung!