Kürzlich gab es hier im Blog einen Kommentar von Quirinus, der nach den Zielen und Folgen der Critical Mass fragt. Da das etwas Grundsätzliches ist, wollen wir das nicht nur ihm in der Kommentarfunktion antworten, sondern euch allen hier in einem eigenen Artikel.

Quirinus fragte:

Jetzt mal abseits von aller Euphorie des Bike-Booms: Was passiert wenn nächstes Jahr in allen deutschen Großstädten mehr als 1.000 Radfahrer 1x monatlich durch die Stadt kreisen? Was passiert dann dadurch? Wird sich dadurch irgendeine Änderung ergeben? Ich merke in meiner Stadt bisher davon nichts, obwohl mittlerweile fast 500 Radfahrer auf die Straße gehen. Ist CM eine politische Forderung, oder für die meisten nur eine Radelparty? Wann lässt die Euphorie nach, und was dann? Ich finde die CM-Fahrten klasse, aber möchte einfach auch mal die nachdenkliche Saite zu dem Thema anspielen.

Wir antworten:

Lieber Quirinus,
die Idee der kritischen Masse, ganz allgemein, ist, dass, wenn eine bestimmte Zahl von Leuten etwas tut, das eine Wirkung auf die Allgemeinheit hat – dass also eine relativ kleine Gruppe (eben die kritische Masse – Sozialwissenschaftler*innen sprechen von ca. 5 Prozent) gesellschaftliche Veränderungen anstoßen kann.

In Berlin haben wir beim letzten Mal sogar in einem nicht gerade fahrradaffinen Medium, dem Ticker der „B.Z.“, eine Meldung verursacht. Die Polizei scheint informiert und auch endlich darüber aufgeklärt, was wir da jeden Monat veranstalten. Die Politik wird aufmerksam. Fahrradaktivist*innen können auf das Phänomen verweisen und profitieren in ihrer Arbeit davon: denn von der Teilnehmerzahl lässt sich hochrechnen, wie stark die Gruppe der Radfahrenden ist. Dass das Auswirkungen auf die Wirklichkeit hat, ist nicht nur anzunehmen, sondern sicher.

Daniels und mein Anliegen ist es, jetzt auch und gerade mit dem Rückenwind durch Teilnehmerzahlen/Medienecho/Aufmerksamkeitsgewinn in der Politik auf eine fahrradfreundlichere Entwicklung zu drängen und sie mit herbeizuführen. Wir haben also durchaus ein politisches Interesse, das über bloße Radbegeisterung oder Bikeparty hinausgeht. Und der Post hier und dass es jetzt eine eigene CM-Rubrik im Blog gibt, hat natürlich damit zu tun.

Das ist ganz sicher nicht bei allen, die mitfahren, der Fall – vielen macht es einfach nur Spaß (uns auch!). Aber schon allein die Erfahrung, mit anderen mehrere Stunden durch die Stadt zu fahren, unbelästigt von Lärm und Abgasen, befreit vom Stress, den der „Normalverkehr“ mit sich bringt: Das macht etwas mit einem. Man beginnt, den Status quo in Frage zu stellen, stellt sich vor, wie die Stadt, der Verkehr in der Stadt auch aussehen, organisiert sein könnten. Und man merkt: Man ist nicht allein!

Dass bei den monatlichen Treffen Ideen ausgetauscht und neue Koalitionen geschmiedet werden können, zähle ich ebenfalls mit zum Gewinn der CMs. Ich bin mit Fahrradbegeisterten verbunden, mit denen ich auch noch andere Aktionen mache: Lastenrad-Lobby-Arbeit, Park(ing) Day, Urban Gardening / Gemeinschaftsgärtnern, Unfallprävention, Tempo-30-Kampagne, alternative Energiegewinnung/-verbrauch usf.
Die CM kann „nur“ eine Radelparty sein. Aber auch mehr. Das hängt von jeder/jedem Mitfahrenden ab.

Die Seite hier soll auch für Austausch und Vernetzung da sein. Wenn du Lust hast, aus der CM mehr zu machen, wir sind gespannt auf Ideen, Vorschläge, Aktionen…

bicirossa