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Radverkehr

Ein neuer Stern am Medienhimmel…

Wow, ich fand ja schon die Berichterstattung der NWZ zum Thema „Rad fahren in Oldenburg“ schlimm, aber was die Oldenburger Onlinezeitung (OOZ) im Artikel „Auguststraße: Ideologie statt Vernunft“ verzapft, ist schon ein starkes Stück. Und auch die CDU-Ratsfraktion und die Polizei zeugen von wenig Radverkehrswissen.

Nun gut, es geht mal wieder um die Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht, und zwar in der Auguststraße. Dort führte die CDU-Ratsfraktion nämlich kürzlich eine Verkehrszählung durch, weil sie der Meinung ist, dass Radfahrer nicht auf die Fahrbahn gehören. Und da auch gar nicht hin wollen.

Denn hier wird seit einigen Monaten eine neue Verkehrsregel praktiziert, die höchst umstritten ist. Autofahrer dürfen dort maximal 30 Stundenkilometer fahren und Fahrradfahrer die Fahrbahn benutzen.

Wow OOZ, was ist das denn für eine niegelnagelneue Verkehrsregel??? Autofahrer dürfen nur 30 Stundenkilometer fahren??? Wo gibt es denn sowas??? Und Radfahrer dürfen die Fahrbahn benutzen??? Seit wann ist das denn erlaubt?

Liebe OOZ, dass Tempo 30 höchst umstritten ist, lass ich als Meinung der Autofahrer noch durchgehen. Aber Radfahrer dürfen, nein sie sollen tatsächlich schon seit 1998 die Fahrbahn nutzen. Die Städte und Kommunen kommen nur mit der Umsetzung dieser Verordnung nicht hinterher. Und liebe CDU-Ratsfraktion: wehrt euch nicht gegen Verordnungen, die seit 16 Jahren bestehen!

Wer das nicht mag, kann weiterhin den kombinierten Rad/Fußweg befahren – allerdings mit maximal zehn Stundenkilometer. So besagt es die Straßenverkehrsordnung.

Richtig, wer sich die Fahrbahn nicht zutraut oder von der Aufhebung der Benutzungspflicht noch nichts mitbekommen hat, der darf weiter auf dem kombinierten Rad- und Fußweg fahren. Allerdings besagt die Straßenverkehrsordnung an keiner Stelle, dass der Radfahrer maximal 10 km/h fahren darf. Er muss sich der Schrittgeschwindigkeit der Fußgänger anpassen! Das wären im Zweifel 4 bis 7 km/h.

Die CDU hat nun in drei Stunden 587 Radfahrern gezählt, von denen 532 weiterhin auf dem Radweg fahren, was 91 Prozent entspricht. Durch dieses Ergebnis sieht sie sich bestätigt, dass die Aufhebung keinen Sinn macht. Im Gegenteil:

Wenn tatsächlich alle Radfahrer die Fahrbahn nutzen würden, wird es vermehrt zu gefährlichen Verkehrssituationen kommen. „Die Auguststraße ist aufgrund ihrer baulichen Struktur nicht für irgendwelche Verkehrsexperimente geeignet“, stellt Klaukien in Richtung Rot-Grüner Ratsmehrheit klar und plädiert deshalb dafür, die Radwegebenutzungspflicht an der Auguststraße unverzüglich wieder einzuführen.

Das ist natürlich völliger Quatsch. Das Gegenteil ist richtig. Je mehr Radfahrer auf der Fahrbahn fahren, desto sicherer wird es. Denn so werden die Radfahrer sichtbarer und sind im Straßenbild präsent! Und Radfahrer auf der Fahrbahn sind auch kein Experiment, liebe CDU. Sie sind schlicht Verkehrsteilnehmer! Sie nehmen am Verkehr TEIL. Und sollen nicht an den Rand, sprich auf Radwege, gedrängt werden.
Im Übrigen scheint mir die bauliche Struktur etwas völlig anderes zusagen. Nämlich dass sie gerade für einen Radweg nicht geeignet ist. Denn dafür ist jawohl kein Platz, wenn sich Radfahrer und Fußgänger einen Weg teilen müssen.

Dann begibt sich auch noch die Polizei auf das niedrige Niveau der Argumentation:

Radfahrer bevorzugten ihre Sicherheit, heißt es seitens der Polizei.

Radfahrer handeln nach ihrem subjektiven Sicherheitsempfinden. Wenn sie objektiv Sicherheit bevorzugten, würden sie die Risiken der Querstraßen und Einfahrten auf Radwegen meiden und auf der Fahrbahn fahren. Und wer ist eigentlich dafür verantwortlich, dass sie sich auf der Fahrbahn unsicher fühlen? Vielleicht sollten man sich dieser Gruppe mal annehmen?!

Dann wieder die OOZ:

Den Bürgern wird dieses Straßenprojekt trotzdem als verkehrlicher Fortschritt verkauft. (…) Also schickt man die Radler auf die Straße, doch sie nehmen das Angebot nicht an.

Es wird überhaupt nichts verkauft. Es wird eine 16 Jahre alte Straßenverkehrsordnung umgesetzt! Und es wird auch niemand gezwungen, auf der Fahrbahn zu fahren. Die Erkenntnis wird schon kommen. Und egal, wie das Angebot angenommen wird, von 9 oder 90 Prozent der Radfahrer: die Aufhebung der Benutzungspflicht ist absolut richtig!

Fahrradfahrer fühlen sich nicht nur durch dicht hinter ihnen fahrende Autos akut bedrängt, sie fürchten auch, eng und schnittig überholt zu werden, was überall zu beobachten ist. Laut Polizei soll beim Überholen ein Abstand von 1,50 Meter eingehalten werden. Davon träumen Radfahrer. Lediglich geübte Radler nehmen es mit den Autos auf. Der Rest sucht den rettenden Radweg.

Und wieder, der „rettende“ Radweg. Vor was rettet der eigentlich? Vor hupenden Autos? Keine allzu große Gefahr im Vergleich zu den typischen Radwegunfällen. Und das Problem liegt hier jawohl eindeutig bei den Autofahrern. Weil die die Regeln nicht einhalten können, sollen die Radfahrer auf den kombinierten Rad- und Fußweg ausweichen und dort mit Fußgänger aneinander geraten? Das ist das Recht des Stärkeren in der reinsten Form!

Und zum Schluss zeigt die OOZ noch mal, dass sie nichts verstanden hat:

Der Bürgerverein Osternburg hat sich gegen diese Lösung ausgesprochen, doch die Ratsmehrheit, die sonst gerne Bürgerbeteiligung favorisiert, hat ihre ganz eigenen Ansichten und ignoriert den Willen der Fahrradfahrer.

Seit wann wird die Straßenverkehrsordnung denn durch Bürgerbeteiligung ausgelegt? Wahrscheinlich wäre das zwar oft eine gute Idee. Ich wette, wir hätten deutlich mehr verkehrsberuhigte Bereiche. Denn vor der eigenen Haustür ist die Meinung ja oft noch mal anders. Aber nein liebe Oldenburger Onlinezeitung, eine Bürgerbeteiligung ist hier nicht angebracht. Radwegebenutzungspflichten werden nach objektiven Kriterien angeordnet, nicht nach den temporären Befindlichkeiten ansässiger Bürger.

Update 12. Januar:
Nachdem die OOZ den CDU-Willen also ausgiebig beworben hat, darf nun auch der ADFC in einem Interview zu Wort kommen.

7 Antworten auf „Ein neuer Stern am Medienhimmel…“

Lustig: Die Kommentare unter dem Artikel sprechen, bis auf eine Ausnahme, eine andere Sprache. Offensichtlich sind alle Kommentatoren „ideologisch indoktriniert“ und wollen einfach nicht einsehen, dass sie es auf dem Radweg besser hätten.

Interessante Sichtweise der OOZ würde man in Hamburg sagen..
Gerade die Auguststrasse sollte von Radfahrern AUF der Fahrbahn befahren werden. Sie ist die reinste Rennstrecke, dazu ein Rad/Gehweg, auf dem man wg. Beschaffenheit und Breite quasi zum 10km/h fahren gezwungen wird.
Selbst ich fahre, wenn ich in Oldenburg bin, hier ungern auf der Fahrbahn: Autos überholen dicht, Geschwindigkeit wird kaum gedrosselt, sicher fühle ich mich nicht. Allerdings fühle ich mich auf dem Kombiweg daneben auch nicht sicherer, da er für zügiges Fahren nicht geeignet ist und ich gefühlt ständig Spaziergänger oder Hunde vorm Rad hab‘. Diese Straßenverhältnisse müssen sich zugunsten aller ändern. Werde beim nächsten Oldenburgbesuch AUF der Straße fahren.

Sehr schön. Differenzierte Sichtweise. Und das macht deutlich, wo das Problem liegt: bei den Autofahrern, die Radfahrer gefährden, weil sie schnell fahren wollen. Wobei das natürlich auch wieder relativ ist…

Zum Vergleich Radweg – Fahrbahn in Bezug auf die Sicherheit hier mal eine interessante Anfrage an die Bundesregierung aus 2007:

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – Drucksache 16/5317

121. Abgeordneter Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Inwieweit kann die Bundesregierung Untersuchungen der Bundesanstalt für Straßenwesen zustimmen, dass das Befahren von Radverkehrsanlagen insbesondere an Knotenpunkten unsicherer ist als das Befahren der Fahrbahn mit Fahrrädern, oder liegen der Bundesregierung andere Erkenntnisse vor?

Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Achim Großmann vom 9. Mai 2007

Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) hat im Jahr 1992 eine Untersuchung zu „Sicherung des Radverkehrs an städtischen Knotenpunkten“ (Forschungsberichte der BASt, Nr. 262) durchgeführt. Die Untersuchung behandelte verschiedene Führungsarten für geradeausfahrenden Radverkehr an Knotenpunkten im Verlauf städtischer Hauptverkehrsstraßen, insbesondere im Hinblick auf Verkehrssicherheit, aber auch hinsichtlich der Verkehrsqualität für den Kraftfahrzeug- und Radverkehr, die Leistungsfähigkeit der Knotenpunkte sowie gestalterische Gesichtspunkte.

Quelle

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