In einem Offenen Brief vom 29. Juni fordert die Leitende Notarzt Gruppe Stadt und Landkreis Osnabrück von Stadt und Polizei mehr Engagement für die Verkehrssicherheit in Osnabrück. Die „dramatische und unhaltebare Lage“, dass regelmäßig Verkehrsteilnehmer auf Osnabrücks Straßen zu Tode kommen, veranlasse die Notärzte, sich an die Politik zu wenden.
Neben einer nachhaltigen und langfristigen Verbesserung der Verkehrssicherheit machen die Notärzte konkrete Vorschläge für Sofortmaßnahmen, „die vermeiden helfen, dass es weitere Tote und Schwerverletzte auf unsere Straßen gibt“:
- Ein mindestens zwei Meter breiter, von der Fahrbahn abgetrennter Radweg an Ausfallstraßen und Wall. Hier sind Fahrradfahrer derzeit besonders gefährdet. Ein Vorbild wäre das Teilstück der „Protected Bike Lane“ am Heger-Tor-Wall zwischen Museumsquartier und Katharinenstraße.
- Ein Parkverbot auf Rad- und Fußwegen; keine Verengung der Fahrbahn duch parkende Autos, inbesondere, wenn Parkgassen/Parkbuchten vorhanden sind (etwa neben Bäumen auf der Straße).
- Regelmäßige Kontrollen der durch Osnabrück fahrenden LKWs. In einen großen Teil der tödlichen unfälle sind Fernlastwagen verwickelt. Auch die duch Osnabrück fahrenden LKWs bedürfen einer regelmäßigen Kontrolledurch die Polizei, um die Nutzung der Stadt als Abkürzung zwischen den Autobahnen stark zu reduzieren. Ebenso sollte eine Sperrung bestimmter Straßen/Unfallschwerpunkte für LKW und ein Toter-Winkel Assistent in Betracht für LKWs gezogen werden.
- Halteverbot vor den Schulen, um die Gefährdung der Kinder durch ein erhöhtes Verkehrsaufkommen zu Schulbeginn und während der Abholzeiten zu vermeiden.
- Intensive Kontreollen zur Reduktion der Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung. Hierzu zählen:
- überhöhte Geschwindigkeit
- telefonieren am Steuer
- unzureichender Sicherheitsabstand beim Überholvorgang und zu vorausfahrenden Verkehrsteilnehmern
- Fahren ohne Licht
- Missachtung von Rotphasen
- Blockierung von Rettungswegen und Feuerwehrzufahrten
- Parken in Kreuzungs- und Kurvenbereichen
Der Brief endet mit der nachdrücklichen Bitte, „die hohe Gefährdung ernst zu nehmen, die von der momentanen Situation für alle Osnabrücker Verkehrsteilnehmer ausgeht“. Es sei an der Zeit über alle Grenzen von Parteien und Lobbygruppen hinweg dafür zu sorgen, dass es keine weiteren Toten auf „unseren Straßen“ gibt.
Der Brief wurde nur acht Tage vor dem Tod einer 49-jährigen Radfahrerin verschickt. Und auch wenn sich hier wohl beide – sowohl die Radfahrerin als auch der LKW-Fahrer – nicht korrekt verhalten haben (bewusst oder aus Unachtsamkeit), zeigt es doch, dass wir unser städtisches Verkehrssystem endlich umgestalten müssen. Wir brauchen sichere und fehlertolerante Infrastruktur, keine Streifchen, auf denen man bei dem kleinsten Fehler das Leben oder die Gesundheit riskiert. Gute Radwege, die gerne genutzt werden, tragen entscheidend zur Regeltreue unter Radfahrern bei. Leider ist die Situation an der Unfallkreuzung das genaue Gegenteil. Es ist überhaupt keine Infrastruktur für Radfahrer vorhanden. Diese werden Am Struckmannshof sogar per Schild gebeten, einen Umweg zu fahren. Es ist dieses lückenhafte System, dass Radfahrer immer wieder dazu zwingt, sich eigene Wege zu suchen.
LKW in der Stadt sind ein weiteres Problem. Warum können Kommunen nicht selber entscheiden, ob die LKW-Durchgangsverkehr aussperren? Warum muss das ferne Berlin hier bestimmen, wo man von der individuellen Situation vor Ort keine Ahnung hat. Und warum ermöglicht der Bundesverkehrsminister keine Verkehrssicherheitszonen, in die nur LKW mit Abbiegeassistenten einfahren dürfen? Es wäre eine wichtige Maßnahme zur Überbrückung, bis alle LKW mit den Systemen ausgerüstet sind – und es wäre ein Anreiz für Speditionen, ihren Fuhrpark komplett umzurüsten.
Es hat eine besondere Qualität, wenn sich Notärzte mit einem solchen Appell zu Wort melden. Und ihre AInitiative ist daher absolut zu unterstützen. Hauptverkehrsrouten sind HauptVERKEHRSrouten und nicht HauptAUTOrouten. Auch Radfahrer wollen oder müssen zügig und ohne Umwege ans Ziel kommen. Sie müssen endlich als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer gesehen werden. Und ihnen muss für die gleichberechtigte und sichere Nutzung der städtischen Infrastruktur ausreichend Platz eingeräumt werden.
Bleibt zu hoffen, dass der Appell der Notärzte gehört wird – beim Oberbürgermeister, bei der Politik und der Polizei. Wie schon acht Mal, wünsche ich mir auch morgen wieder, dass das Ghost Bike, das wir aufstellen werden, das letzte sein wird.
9 Antworten auf „Osnabrücker Notärzte fordern mehr Verkehrssicherheit“
Ja, ja, das schöne neue winzige Stückchen Radweg am Wall.
Zufällig wurde mir oben Dein Artikel „Erster guter Radweg in Osnabrück ist fertig“ eingeblendet und ich stellte fest, er ist zwei Jahre alt !!
Es ist einfach lächerlich, auch das Stückchen Pseudo-Schnell-Radweg ist schon wieder zwei Jahre alt und weiter passiert … NICHTS, außer toten Radfahrern !
Was muss man eigentlich tun in Osnabrück und auch sonst überall?
Die Verantwortlichen wollen einfach nicht.
Ganz so einfach ist es nicht :
Denn wir Radfahrer tragen auch Verantwortung , haben uns auch an die Regeln zu halten und nicht nur Rechte . Und wenn ich die „Kollegen “ sehe die über die Bürgersteige fahren, rote Ampeln missachten, ohne Licht fahren etc …. muss ich leider sagen das auch hier noch reichlich Luft nach oben ist .
Radwege alleine sind kein Allheilmittel…..
Da haben wohl die recht behalten, die nicht in den euphorischen Jubel einstimmen wollten, weil die Stadt einen stink-normalen Bordsteinradweg – wenn auch mal nicht in Unterbreite – strategisch geschickt PBL genannt hat.
Es wird eine bessere Einhaltung der StVO gefordert, die eigene Regelkunde scheint aber auch nicht sp pralle zu sein, wenn man glaubt, Parken auf Geh- und Radwegen müsse erst noch verboten werden.
Hat schon mal jemand ausgerechnet, wieviele Lastenräder es braucht um die Waren von der Autobahn zu den Läden und Baustellen zu fahren?
Von Ortsumgehung wissen wir, dass die Leute in den Orten hinterher überrascht sind, wieviel Verkehr sie selber erzeugen. Ich denke, genauso wird der Anteil des Durchgangs-LKW-Verkehrs überschätzt in Städten.
Welche besondere Qualität hat ein Apell von Notärzten zur Verkehrspolitik? Deren Qualifikation in dem Bereich ist nicht anders als sonst in der Bevölkerung.
Es ist vielleicht keine weitere Qualifikation notwendig…. die Ärzte haben jeden Tag Unfallopfer vor sich auf dem OP-Tisch – und setzen sich dafür ein das es weniger werden …..
So falsch kann das nicht sein…..
Hier geht es ja auch wirklich nicht um eine verkehrspolitische Qualifikation und ich finde es ehrlich gesagt ziemlich arrogant, Beiträge wie diesen an eine solche Qualifikation knüpfen zu wollen. Es ist ein Appell, kein verkehrspolitisches Stellungs- und Thesenpapier.
Die Serie von tödlichen Unfällen mit Fahrradbeteiligung reißt ja quasi seit Jahrzehnten nicht ab und es braucht im übrigen keine besondere Qualifikation, um dieses Problem und ggf. auch die Vermeidbarkeit solcher Ereignisse zu erkennen.
Es ist etwa 30 Jahre her, dass ich im Rettungsdienst in Osnabrück unterwegs gewesen bin aber seitdem hat sich im Prinzip gar nichts verändert. Und ich finde es deshalb absolut angemessen, dass eine Berufsgruppe, die tagtäglich damit beschäftigt ist, diesem Mißstand auszubaden, sich hier öffentlichkeitswirksam zu Wort meldet.
Nun, ich habe nur gesagt, dass Ärzte auch nicht besser qualifiziert sind als Fleischereifachverkäuferinnen zu beurteilen, was geeignete Maßnahmen sind, um das zu verhindern. Ich erkläre Ärzten nicht, wie man am besten operiert, weil ich darin nicht ausgebildet bin. Ich erkläre auch nich öffentlich, wie man die besten Streuse bindet, da ich kein Florist bin. Genauso sollte man diese Frage den Unfallforschern und den Verkehrsplanern überlassen, die sich näher damit befasst haben als bei Facebook auf Like zu klicken.
Immer häufiger müssen wir in den letzten Jahren die nunmehr ‚alte Leier‘ zu nennende These lesen und hören, dass Separation des Radverkehrs auf fahrbahnferne Radwege DAS Mittel der Wahl sei tödliche Unfälle zu vermeiden.
Fakten scheinen da keinerlei Rolle mehr zu spielen, wie es ja schon bei der absurden Verknüpfung von ‚lets go dutch‘ und ökologischer Verkehrswende zu beobachten ist.
Weder kann (pauschal) mit Radvekrehrsseparation ’nach niederländischem Vorbild‘ die Zahl der tödlichen Radunfälle gesenkt werden, noch ist die Radwegebaupolitik bislang in der Lage gewesen den Autoverkehr einzudämmen. Im Gegenteil steigt in den Radwegebau-Ländern der Autoverkehr sowohl in Dichte, als auch in Fahrleistung beständig an.
Zwar gibt es nicht DIE eine Lösung für das Problem tödlicher und schwerer Radunfälle, aber es sollte doch klar sein, dass es vor allem die Senkung der Autodichte, die Senkung der Autofahrleistung und die deutliche Senkung der MIV-Geschwindigkeit massgeblich ist.
Ferner gilt es die Knotenpunkte zu entschärfen (gut 2/3 der tödlichen Unfälle geschehen dort), was ebenfalls realistischerweise nur gelingt, wenn Geschwindigkeit und Dichte des MIV sehr deutlich zurückgehen, statt mit ‚lets go dutch‘ weiter und weiter anzusteigen.
Also:
Statt immer wieder und wieder CSU-konform den Marketing-claim der Allwirksamkeit des niederländischen ‚Exportschlagers‘ faktenfrei zu replizieren, endlich mal ‚Nägel mit Köpfen machen‘ und das eigentliche Problem – den weiter steigenden Autoverkehr adressieren und Strategien zur Senkung als Zielsetzung und Evaluation zu verankern versuchen.
Das lief vor einigen Jahren schon mal besser, als es nahezu Konsens in der damaligen ‚Radbubble‘ war den Autoverkehr sehr deutlich einzudämmen, während jetzt die ‚Radentscheide‘ sogar explizieren, dass sich „diese Initiative nicht gegen den Autoverkehr richtet“, wie es bei ‚Aufbruch Fahrrad‘ in NRW so treffend wie entlarvend formuliert wurde.
Dass dann das Scheuer-Ministerium und BMW nicht mehr im Gleichschritt mit der Radwege-Bubble applaudieren – ja nun …
https://radunfaelle.wordpress.com/vergleich-de-nl/
Auch wenn es eine Korrelation geben mag, sehe ich noch keine Erklärung dafür dass es eine Kausalität gibt. Allerhöchstens eine indirekte, dass man einfach insgesamt die Verkehrsinfrastruktur ausbaut und daher immer mehr km Radwege hat und gleichzeitig immer mehr Straßen und da wir wissen, dass mehr Straßen mehr Autoverkehr bedeutet, steigt dann beides parallel.
Am Ende eint die NP-Planer von heute, die dt. Politiker der Nachkriegsjahrzehnte und die Radentscheider der Irrglaube, mit noch mehr Infrastruktur die infrastrukturbwdingten Probleme lösen zu können.